Pufpaff: Ein Mann wie eine Humorbombe

Von Wolfgang Karl
Was, wenn man sich neu formatieren könnte? Die Welt wäre möglicherweise eine bessere, glaubt Sebastian Pufpaff. Foto: red Foto: red

Sebastian Pufpaff gilt als der "George Clooney der Comedy". Dabei hatte er eigentlich Rechtswissenschaften und Politik studiert. Weil, so geht die Mär, eine Karriere als Jurist  mit diesem Namen nicht drin war, wurde er zum Kabarettisten. Der Erfolg gibt ihm Recht. Und am Donnerstag ist er im Zentrum zu erleben (20 Uhr). Der Kurier sprach zuvor mit ihm über unbegabte Kanoniere und den Unterschied zwischen Voltaren und Zäpfchen. 

 
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Ihr neues Programm heißt „Alles auf Anfang“. Wie kamen Sie auf die Idee, dass es erstrebenswert sei, das eigene Gehirn formatieren zu können?

Sebastian Pufpaff: In meinem Smartphone gibt es diesen wunderbaren Knopf „Zurück auf Werkseinstellung“. Man macht das ja auch beim Computer. Den formatiert man, wenn er lahm ist. Auf einmal läuft der wieder schneller Da denk ich mir: Manchmal wäre es cool, wenn der Mensch sich „nullen“ könnte, also alles auf Anfang setzen. Dann würde er rausgehen in die Welt und sie wieder so sehen, wie sie wirklich ist. Er wäre unvoreingenommen.

"Ich würde mich neu sozialisieren"

Welche Erinnerungen würden Sie denn vermissen, wenn Sie sich selbst nullen würden? Die wären ja weg.

Pufpaff: Die wären weg. Aber das Schöne ist: Ich würde sie nicht vermissen, da ich ja gar nicht wüsste, dass ich sie hatte. Ich würde mich sozusagen neu sozialisieren. Dabei geht’s natürlich um was anderes: Ich denke dabei an Flüchtlinge, Pegida und so weiter. Wenn man sich sagen könnte: "So, ich geh jetzt mal raus und lasse alles unvoreingenommen und neu auf mich wirken." Dann würden viele feststellen, dass man gar keine Angst haben muss – oder aber, dass man sich schnell in eine bestimmte Richtung steuern lässt, die man vielleicht gar nicht will.

Gehen deswegen so viele alte Menschen bei Pegida mit? Haben die zu viele Erinnerungen und sind deswegen zu voreingenommen?

Pufpaff: Die Nazis haben ja dazugelernt. Die schreiben sich ihre rechtsradikalen Parolen nicht mehr groß auf die Fahne, sondern geben sich als der gute Nachbar von nebenan, der die Sorgen und Ängste ernst nimmt. Das ist die große Gefahr bei Pegida. Aber am Ende bleibt es eine Hakenkreuzfahne. Das sieht man auch in diesen Fernseh-Interviews: Der eine will nur, dass seine Rente sicher ist, der andere findet das Schulsystem schlecht. Aber vorne wirft einer mit Sätzen um sich, als hätte ihm der Führer gerade die Rede geschrieben. Die gehören eigentlich gar nicht zusammen, aber das merken sie selber nicht.

"Pegida besteht aus Individualisten"

Also ist das keine homogene Gruppe…

Pufpaff: …es sind Individualisten. Die sind sich auch innerhalb dieser Bewegung nicht einig, was sie eigentlich wollen. Aber in der Gruppe haben sie so ein anheimelndes Gefühl, sie würden nun endlich wahrgenommen. Eigentlich werden sie erst durch den Druck der restlichen Gesellschaft zu einer Gruppe gemacht. Das ist das Paradoxe bei Pegida.

Dann wäre das "Dritte Reich" ohne Biederkeit und die Sehnsucht nach Heimeligkeit nicht  möglich gewesen?

Pufpaff: Ja!

Was kann man tun?

Pufpaff: Quatschen! Das ist das einzige, was hilft. Dazu kommt: Der Zweifel ist die Intelligenz des 21. Jahrhunderts. Auf Facebook und Co. Stellt ja keiner mehr Fragen, wir kommentieren nur noch…

Na, was im Internet steht, ist ja auch immer wahr.

Pufpaff: Absolut! Und wenn es dann noch ein Bild dazu gibt, dann ist es sogar mehr als wahr, dann ist es sozusagen göttlich. Und das ist das Problem: Wir haben unwahrscheinlich viel Meinungs-Ejakulat, das aber nicht hinterfragt wird. Vom Fernsehen wird das durch Talk-Shows noch unterstützt. Es gibt ja keinen Diskurs, keine Diskussion mehr. Es geht nur noch um den effekhascherischen Streit, der uns kein Stück weiterbringt. Aber Fragen werden kaum noch zugelassen. Ein Schlüsselmoment war für mich das Kanzlerduell: Die ganzen Lichtgestalten des Polit-Journalismus wurden da eingeladen – und Stefan Raab. Der beste Frager war aber Stefan Raab: Er war der einzige, der uneitel genug war, richtige Fragen zu stellen. Die anderen wollten nur dadurch glänzen, eine möglichst intelligente Frage zu stellen. Es geht gar nicht mehr um die Antwort, sondern um Narzissmus. Und das ist das große Problem, deswegen sollte man alles anzweifeln.

"Alles anzweifeln"

Um zu Pegida zurückzukommen...

Pufpaff: In diesen Komplex gehört auch die AfD. Man sollte sich einfach mal die Zeit nehmen und deren Parteiprogramm durchlesen. Das Programm der CSU/CDU umfasst 148 Seiten. Da ist man eine Weile beschäftigt. Das der AfD umfasst 20 Seiten, das geht schneller. Darin steht keine einzige Antwort. Sie haben ungefähr 18, 19 Abschnitte, die alle mit dem Satz beginnen: "Wir fordern…" Aber es ist überhaupt kein Ansatz da, wie man irgendein Problem bewältigen kann, außer: Grenzen dicht, Ausländer raus. Deswegen: alles anzweifeln, nicht, sich einfach rechts hinter eine Fahne stellen.

Klingt einfach.

Pufpaff: Dazu muss man auch sich selbst mal anzweifeln. In unserer Gesellschaft wollen wir immer schlau sein. Dabei ist es doch viel sympathischer, auch mal der Depp zu sein. Das werfe ich Stefan Raab aber wiederum vor: Wenn er irgendwelche Umfragen in der Fußgängerzone macht, sucht er sich immer den vermeintlichen Deppen raus. Den fragt man dann: "Wer ist eigentlich gerade Bundespräsident?" "Öhh…Roger Witthaker?" und die ganze Nation lacht, er wird radikalisiert. Wäre toll, wenn einer Mal zurückfragt: "Du, ich hab keine Ahnung, erklär’s mir."

Aber selber schon bei Stefan Raab auftreten…

Pufpaff: Ja klar, ich nutze sämtliche Kanäle! Das wird mir öfter vorgehalten. Schöne Geschichte dazu: Das Durchschnittsalter bei Raab im Publikum liegt zwischen 16 und 20. Kurz nach einem Raab-Auftritt hatte ich einen Solo-Auftritt bei einem relativ konservativen Verein in Hessen. Kommt vor dem Auftritt der Veranstalter auf mich zu und meint: "Herr Pufpaff, wir haben eine Gruppe von sieben jungen, türkischen Männern i Zuschauerraum." Ich meinte nur: "Ja und?" Er: "Ja, wollte ich nur mal sagen. Haben wir sonst nie." Die kamen nach dem Auftritt dann her und meinten: "Wir haben Sie gestern bei Stefan Raab gesehen. Supercool, wir wussten gar nicht, dass es sowas gibt." Die Geschichte hat ja verschiedene Facetten: Nicht immer gleich alle aufgeben. Wer Stefan Raab guckt ist, ja nicht unbedingt ein Depp. Auch der leichte Rassismus des Veranstalters, der kurz davor ist, die Polizei zu rufen, ist entlarvend.

Um zum "nullen" zurückzukommen: Würden sie sich nach der Formatierung noch einmal genauso entwickeln?

Pufpaff: Och, das weiß ich gar nicht. Ich bin immer gern zur Schule gegangen. Aber ich weiß nicht wirklich, ob ich nochmal studieren würde. Meine großen Leidenschaften waren immer die Schauspielerei und das Kochen. Da man im Moment wenig Akademiker braucht, könnte es durchaus sein, dass ich vielleicht Koch würde.

Mal was anderes: Sie haben wahrscheinlich die freundlichste Art im deutsche Kabarett, sich richtig aufzuregen.

Pufpaff: Ich weiß jetzt nicht, ob das ein Kompliment ist, aber es klingt nett, danke.

"Der barocke Polterer liegt mir nicht"

Wären sie nicht gerne mal bayerisch oder fränkisch polternd unterwegs? So wie Matthias Egersdörfer zum Beispiel?

Pufpaff: Ich glaube, der barocke Polterer liegt mir nicht. Egersdörfer ist in seiner Art so genial, das könnte ich nicht. Wir sind außerdem etwas anders: Egersdörfer haut von draußen drauf, ich zerstöre das System eher von innen. Wenn er eine Voltaren-Salbe ist, bin ich ein Zäpfchen.

Oh ja, was für ein Bild. Warum ein Zäpfchen, keine Pille?

Pufpaff: Mit diesem Bild lasse ich sie alleine, damit dürfen Sie heute Nacht ins Bett gehen.

"Der Spitzname eines schlechten Kanoniers"

Wir haben noch gar nicht über Ihren Nachnamen gesprochen. Kommt der wirklich von hanseatischen Schwarzpulverhändlern?

Pufpaff: Ha! Fleißkärtchen gesammelt! Sie fragen nicht, ob der echt ist. Das ist er nämlich. Ja, ich habe einen Genealogen beauftragt, das herauszufinden. Das mit den Hamburger Schwarzpulverhändlern ist eine Theorie. Lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Die haben als Sprengmeister wohl lautmalerisch den Namen Pufpaff bekommen.

Ganz schön viel Humor haben die Hamburger. Variante zwei?

Pufpaff: Die ist eigentlich noch viel beknackter! Es muss einen Kanonier gegeben haben. Der hat wohl von sich reden machen. Aber nicht unbedingt durch Kompetenz, sondern durch das Gegenteil. Da haben wohl dann Leute gesagt: "Wer steht eigentlich an der Kanone?" "Der Pufpaff!" "Ach du Scheiße!" Unser Nachname könnte also auch der Spitzname eines schlechten Kanoniers gewesen sein. Vielleicht kann ich deswegen so gut über mich selbst lachen. Wir waren schon immer Deppen.

Oder Heckler & Koch des Mittelalters.

Pufpaff: Sozusagen, wir waren schon immer Pazifisten. Am Anfang haben mich Bühnen abgelehnt. Die haben gesagt: "Pufpaff? Das ist zu albern. Das klingt wie Augsburger Puppenkiste."

INFO: Sebastian Pufpaff tritt am Donnerstag, 17. Dezember, im Zentrum auf. Beginn ist um 20 Uhr.