Psychologe gibt Tipps, wie Weihnachten ein Fest und kein Fiasko wird Was tun bei Knatsch unterm Christbaum?

Von Susanne Will
Weihnachten kann ganz schön bedrohlich daherkommen. Foto: Tim Brakemeier/dpa Foto: red

Das letzte Türchen ist offen. Doch statt himmlischem Weihnachtsfrieden das: Der Hund hat die Plätzchen gefunden und übergibt sich, der Schwiegervater motzt über die Gans; die Tochter heult, weil kein Einhorn unterm Baum liegt – jetzt genügt ein Funke, um Heiligabend in einen inneren Amoklauf zu verwandeln. Was man dagegen tun kann, verrät Wolfgang Schoppek. Er ist Dozent für Psychologie, Fachbereich Problemlösen, an der Uni Bayreuth.

 
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An Weihnachten kommt alles auf den Tisch: die Gans, das Parfait, die Neurosen. Kein Wunder, wenn sich dann jemand wünscht, im letzten Geschenk möge ein Maschinengewehr liegen – oder wenigstens eine Familienpackung Baldrian. „Weihnachten wirkt wie ein Verstärker, denn die Konflikte sind sowieso schon vorhanden“, sagt Wolfgang Schoppek. „Dazu kommt, dass es bis zur Bescherung und dem Essen fürchterlich hektisch ist – und mit einem Mal soll alles ruhig werden. Dieser Kontrast begünstigt einen Streit.“

Die Erwartungen sind hoch: Alle Geschenke müssen laute Ah!- und Oh!-Rufe hervorrufen, das Essen muss perfekt, das Haus sauber und auf besinnliche Winteridylle gestylt sein. „Man sollte auf den Prüfstand stellen, ob es wirklich so sein muss. Oft geht es ja nicht darum, es für andere zu tun: Oft hängt es auch mit der eigenen Eitelkeit zusammen“, sagt Schoppek. Seht her, was ich kann, wie perfekt ich bin – das schafft Stress. „Gegen viel Aufwand an Weihnachten ist nichts zu sagen. Aber man sollte sich fragen: Für wen tue ich das?“ Schoppeks Tipp: „Machen Sie sich eine Liste der Dinge, die Sie noch erledigen müssen. Die unwichtigsten drei streichen Sie weg, das entzerrt.“

Und wenn es doch zum Zoff am Tisch kommt? „Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Menschen höflich bleiben. Provokation ist unangebracht. Allerdings ist ein zwanghaftes Unterdrücken auch nicht die Lösung. Mein Vorschlag: Wenn es um etwas Wichtiges geht, sollte man das Problem ansprechen und anregen, das Gespräch darüber zu vertagen.“ Sein Tipp: unbedingt raus an die frische Luft. „Ein Spaziergang lüftet durch. Und man freut sich beim Zurückkommen wieder aufs warme Haus.“

Was, wenn das Geschenk meilenweit neben dem Geschmack des Beschenkten liegt? „Ich halte nichts davon, nun Zustimmung zu heucheln.“ Allerdings hält Schoppek auch nichts davon, sich aus Protest auf den Boden zu schmeißen und laut heulend mit den Fäusten zu trommeln. „Ich habe in meinem Familienkreis auch eine Person, die sehr anspruchsvoll ist und ihre Enttäuschung über ein Geschenk sehr deutlich zeigt. Das verletzt mich. Aber es ist legitim zu sagen, dass dieses Geschenk nicht hundertprozentig ins Schwarze getroffen hat.“ Sofort nach der Quittung zu fragen, um es umzutauschen, wird übrigens in vielen Kulturkreisen als Unhöflichkeit empfunden.

Wie verhält es sich mit dem Kirchgang? Muss da jeder mit? „Nein. Wer es nicht möchte, sollte zu Hause bleiben. Und wer wirklich glaubt und für den die Kirche wichtig ist, dem wird es egal sein, dass jemand zu Hause bleibt.“

Und was, wenn die Heranwachsenden nach der Bescherung in die Kneipe zu ihren Freunden wollen? „Wenn es den Kindern wirklich ernst ist, würde ich nicht intervenieren, davon hat man gar nichts. Da gilt das gleiche wie für die Kirche, bevor die Kinder dann muffelig herumsitzen.“ Aber Schoppek gibt zu bedenken, ob man nicht seinen eigenen Anteil daran habe, wenn die Kinder an Heiligabend lieber in der Bar sitzen.

Apropos Kinder: Zu Weihnachten werden die gerne in ordentliche Kleidung gesteckt – also in Klamotten, die dem Geschmack der Eltern, aber nicht unbedingt dem der Jungen entspricht. Lieber eine knatschige Tochter im Kleid oder ein entspanntes Kind in der Lieblingsjeans? „Zwingen hat keinen Zweck. Ich würde zu verhandeln probieren. Dem Kind sollte deutlich gemacht werden, dass es kein Abend wie jeder andere ist. Aber das Kind sollte Kleidungsvorschläge machen – dann kann man einen Kompromiss finden.“

Der Besuch will nicht gehen, Sie befürchten, dass sich im großen Koffer deren heimische Schrankwand befindet? „Das Ende eines Besuches sollte von Anfang an eingeplant werden. Die Menschen werden Verständnis haben, wenn Sie sagen, dass Sie gerne noch ein, zwei Tage Ruhe hätten.“

Sein Rat: gelassen bleiben. „Es ist eigentlich Winterschlafzeit – da sollte man nicht so viel erwarten. Nicht von sich und auch nicht von den anderen.“

 

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