Prüfer im Prozess Der Tag, an dem die Emtmannsberger Bank starb

Manfred Scherer
Ex-Bankvorstand Stefan L. (links): Neun Monate dauerte es, bis er überführt war. Foto: Manfred Scherer

Wenn an dem Spruch des alten Kommunisten Bertold Brecht „Bankraub ist was für Dilettanten, wahre Profis werden Banker“ was dran ist, dann könnte man den Ex-Bankvorstand Stefan L. als Profibankräuber bezeichnen. Und Erwin S., einen Prüfer des Genossenschaftsverbandes Bayern, als eine Art Marshal Wyatt Earp. Über Erwin S. sagt Stefan L., der in seinem Prozess vor dem Landgericht Hof jahrelange Untreue in „seiner“ Emtmannsberger Bank gestanden hat: „Als er als Prüfer kam, wusste ich, es ist bald aus.“

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Hof/Emtmannsberg - Erwin S. sagte nun vor Gericht aus, wie er im Sommer 2018 mit der Prüfung der Bank beauftragt wurde und wie lange es bis zu dem Tag dauerte, als „die Bank tot war“.

Die Bundesanstalt für Finanzaufsicht BaFin hatte einen anonymen Hinweis erhalten auf einen faulen Kassenbeleg. Die BaFin gab das weiter an den Genossenschaftsverband, Erwin S. wurde drei Tage vor einem geplanten Urlaub nach Emtmannsberg geschickt: Spontane Kassenprüfung hieß der Auftrag. „Es war fast wie im Film“, berichtete S. Ein konspiratives Treffen mit einer Prüferkollegin an der Emtmannsberger Kirche, dann Treffen vor der Bank mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden. Dann, um 13.30 Uhr am 28. August, marschierten die Prüfer in die Bank.

Zunächst erfolgte die Computerabfrage nach dem Sollbestand der Kasse. Vorstand Stefan L. bediente selbst den Computer. Der spuckte eine Summe von über zwei Millionen Euro aus, „sehr, sehr viel Bargeld für so eine kleine Bank“. Nun folgte der Abgleich mit dem Ist-Bestand. Der Prüfer erinnert sich: Bargeld lag in zwei Tresoren, so viel, dass die Scheine im Büro auf dem Boden ausgelegt werden mussten. Man zählte und zählte. Gegen 17 Uhr fehlte eine gewisse Summe. Sie sollte in separaten Schließfächern in einem separaten Tresor liegen. Doch die Schlüssel für die Schließfächer waren nicht auffindbar. Der Prüfer: „Ich sagte, ich ziehe das durch, und wenn ich vor dem Tresor schlafe.“ Stefan L., der abends unterwegs war, wurde angerufen, kam gegen 18 Uhr zurück und erklärte, das fehlende Bargeld sei nicht in den Schließfächern, sondern in einem antiken Tresor im Keller. Erneut wurde gezählt und zwar alles, denn: Der Ist- und der Sollbetsand wiesen eine Differenz von 136 000 Euro auf. Plötzlich sagte Stefan L., er wisse den Grund und holte aus einem Kassenschub einen nicht verbuchten Beleg für eine Entnahme von 136 000 Euro, die ein Aufsichtsrat am morgen getätigt hatte. L. buchte das fehlende Geld ins Kassensystem, sie stimmte bis auf rund 600 Euro. Erwin S. resümiert die erste Prüfung: „Da war mir als Prüfer wieder wohler.“

Tags darauf prüften Erwin S. und seine Kollegin das Kreditgeschäft der Bank. Auffällig: Das Risikoengagement für das Haus einer Bayreutherin, in das L. persönlich verstrickt war. „Nur eine gute Bekannte“ wiegelt L. ab – später stellte sich heraus, dass die Frau seine neue Partnerin war, der er veruntreutes Geld umgeleitet hatte.

Erwin S. stellte fest: Das interne Risikomanagement in der Bank gab es nicht, dazu ein mangelhaftes Rechnungswesen, man forderte die Geprüfte auf, die Mängel zu beseitigen, zu viele Aufgaben lagen bei Vorstand Stefan L. Dennoch, so sagt der Prüfer: „Das Planjahr 2018 war materiell ein gutes mit positivem Betriebsergebnis.“

Der zweite Teil der Prüfung war für April vorgesehen, für den 29. Januar aber erhielt Erwin S. den Auftrag für eine zweite unangemeldete Kassenprüfung. „Der Tag hat den ersten noch getoppt.“ Wieder passten Soll- und Ist-Bestand der Kasse nicht. Stefan L. war an dem Tag in Nürnberg unterwegs, traf erst spät ein. Noch fehlte der zweite Mann, um den Tresor in L.’s Büro öffnen zu können. Während des Wartens bat L. die Prüfer hinauszugehen, weil er ein privates Telefonat führen wolle. Erwin S. erinnert sich: Er habe etwas vergessen, klopfte, öffnete die Tür und sah Stefan L. vor dem offenen Tresor stehen, Geldbündel am Boden liegen.

900 000 in Bar hatte L. an diesem Tag mit einem gefälschten Scheck vom Bankeigenen Konto bei der Bundesbank in Nürnberg abgeholt, um so die hohe Kassendifferenz zu vertuschen, wie sich später herausstellte.

Schon nach diesem Vorfall diskutierten die Prüfer mit dem Aufsichtsrat, ob L. als Vorstand noch tragbar sei – eine offene Tresortür als Rausschmissgrund langte nicht.

Zum Verdacht der Unterschlagung kam Erwin S. endgültig erst Ende Mai 2019: Bei der Prüfung der Bilanz fielen hohe Wertstellungen von Lebensversicherungen auf – Belege dafür gab es keine – als die Versicherungen mitteilten, dass die Versicherungen nicht existierten oder auf Null standen, wusste Erwin S.: L. muss Unterschlagungen von etwas mehr als einer Million Euro begangen haben: Damit sei die Bank faktisch am Ende gewesen, tot.

L.’s Verteidiger Walter Bagnoli interpretiert das etwas differenzierter. Nachdem L., der „Motor“ der Bank, weg war, war sie tot. Stefan L. sagt, er habe an jenem Tag erfolglos versucht, sich umzubringen – er kam ins Krankenhaus.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Bilder