Prozess gegen psychisch Kranken, der sich vom Geheimdienst verfolgt fühlte und auf Beamte losging Wahnsinnsangriff auf Polizisten

Von Manfred Scherer
Weil ein psychisch kranker Mann im Verfolgungswahn versucht haben soll, einen Polizisten mit einer Keule zu schlagen, steht er nun vor dem Schwurgericht. Die Richter müssen entscheiden, ob der Kranke objektiv einen Totschlagsversuch begangen hat und ob er deshalb im Bezirkskrankenhaus untergebracht werden muss. Foto: Archiv Foto: red

Angst oder Tötungsabsicht? Oder beides? Ein 66-jähriger Mann steht vor Gericht, weil er mit einer mit Schrauben versehenen Keule auf Polizisten losgegangen war und einen Beamten verletzte. Bestraft werden kann der Mann nicht, er gilt als psychisch schwer krank – ihm wurde Verfolgungswahn attestiert.

 
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Warum sich das Schwurgericht Bayreuth trotzdem mit dem Fall befasst? Die Tat, die der 66-Jährige begangen haben soll, könnte ein Totschlagsversuch sein. Aber auch die gefährliche Körperverletzung gegen den von der Keule getroffenen Polizisten wäre eine erhebliche Straftat, die nach dem Willen der Staatsanwaltschaft dazu führen soll, dass der psychisch Kranke als gemeingefährlich einzustufen und vom Landgericht in die Unterbringung im Bezirkskrankenhaus einzuweisen ist.

Nicht Angeklagter, sondern Beschuldigter

Deshalb ist der Prozess auch kein klassisches Strafverfahren, sondern ein Sicherungsverfahren. Die Mitmenschen des 66-Jährigen sollen vor weiteren möglichen Gefahren geschützt, der 66-Jährige gleichzeitig behandelt werden. Deshalb heißt ein Täter in seinem solchen Fall nicht Angeklagter, sondern Beschuldigter.

Anwohner rufen die Polizei

Die Tat soll der Mann am Ostermontag begangen haben. In dem Haus im Stadtteil Burg, wo der Beschuldigte wohnte, schlugen Anwohner Alarm und riefen die Polizei. Der 66-Jährige hatte mit seiner Keule – bestehend aus einem Metalltischbein mit aufgeschraubtem und mit herausstehenden Schrauben versehenen Holzklotz – gegen Türen und Fenster geschlagen.

Polizist fangt mit Unterarm Schlag ab und wird verletzt

Zwei Polizeistreifen fuhren zum Tatort. Randaleeinsatz. Der Beschuldigte war bereits wieder in seiner Wohnung. Vier Streifenpolizisten versammelten sich vor der Wohnungstüre des Mannes. „Aufmachen, Polizei!“ Der 35-jährige Polizist, der am nächsten zur Tür stand, sah, wie diese sich erst einen Spalt öffnete, dann den Gegenstand, den der Mann in der Hand hielt. Ein Hammer? „Hände zeigen!“, riefen die Polizisten. Im Zeugenstand erinnert sich der 35-jährige Polizist: „Dem ersten Schlag konnte ich ausweichen. Der zweite Schlag traf mich am linken Arm. Den hatte ich zum Schutz meines Kopfes erhoben.“ Der Polizist erlitt eine blutende Wunde, trotz der dicken Dienstlederjacke.

Festnahme in der Pfefferspraywolke

Den Angriff hatten die Beamten mit Pfefferspray zu verhindern versucht. „Leider gibt es das öfter, dass das nicht gleich wirkt“, sagte der 35-Jährige. Der dritte Schlag traf den Schlagstock eines zweiten Beamten. Das prellte dem Angreifer die Keule aus der Hand. In einer Wolke aus Pfefferspray rangen die Polizisten – alle mit tränenden Augen – den Beschuldigten nieder.

Schon im Streifenwagen spricht der Beschuldigte von seiner Geheimdienstfurcht

Die Nachbarn im Haus halfen den Beamten mit Wasser aus: Die wuschen erst sich, dann dem Festgenommenen den Pfeffer aus den Augen. Einer der Polizisten berichtete, er habe schon im Streifenwagen gehört, dass der Angeklagte sich „vom Geheimdienst verfolgt“ fühle.

Seltsame Bastelarbeiten mit Drähten und Alufolie

Doch bevor der Fall ein Fall für den Psychiater wurde, hatte der Kriminaldauerdienst zunächst einen anderen Verdacht: Der Beschuldigte, der die deutsche und die irakische Staatsbürgerschaft hat, ist strenggläubiger Muslim. In seiner Wohnung fand die Polizei seltsam anmutende Apparaturen, mit Drähten, Alufolie und Gestellen. Ein Bombenbauer? Ein Islamist? Ein technischer Spezialtrupp der Polizei rückte an – und gab Entwarnung. Nicht einer der seltsamen Apparate habe irgendwie funktioniert, erklärte ein Kriminalbeamter. Wozu hatte der gelernte Ingenieur aus Basra die „Bastelarbeiten“ angefertigt? Zur Spionageabwehr gegen die eingebildeten Verfolger? Was genau hinter seinem möglichen Verfolgungswahn stecken könnte, soll ein Psychiater im weiteren Verlauf des Prozesses erläutern.

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