Günter Krämer, seit 40 Jahren im Regiegeschäft tätig und „Ring“-erfahren (Hamburgische Staatsoper 1992/93), bietet eine Sicht auf das „Rheingold“, die zwischen rezeptionshistorischen Kommentar und ironischer Distanz zu changieren scheint, wobei die Unterscheidung nicht immer deutlich zu treffen ist. Es kommt hinzu, dass die Inszenierung nicht nur wegen der erneuten Verwendung der goldenen Kugel als Symbol für das Rheingold wie ein Aufguss von Krämers Hamburger Produktion wirkt, sondern auch hinsichtlich der damals eingeforderten Abkehr von der „Konzeptionsmanie“ der Regie-Kollegen, die schließlich zum collagehaften „Geschichtenerzählen“ führte.Von einer inhaltlichen Interpretation ist in Paris nichts zu sehen. Die sanfte politische Umrahmung durch „Germania“-Embleme im zweiten und vierten Bild (Walhalla als Hitlers Welthauptstadt-Utopie?) sowie den rot beflaggten Kampfgeschrei-Sturm durch Fasolts GSG-9-Bauleiter verharren im Plattitüdenhaften und sind allenfalls als ironische Brechung der Wirkungsgeschichte nachvollziehbar. Bleiben eine übertriebene Erklärungswut des Regisseurs sowie ein Springen zwischen klug-theatralischem Kammerspiel (dritte Szene) und gigantischer Großbühne (die gewaltige Treppe des Schlussbildes), wodurch eine Vielfalt der Ansätze entsteht, die in den Folgeabenden ihre Schlüssigkeit noch nachweisen müssen.Brüchiger WotanMusikalisch entspricht der Abend der gewohnten Pariser Qualität. Falk Struckmanns Wotan ist zwar brüchig geworden, doch bleibt er ein charismatischer Darsteller, dem man die Gottesautorität in jeder Nuance abnimmt. Sophie Koch gibt die Fricka mit wundervoll warmen Mezzosopran, sowohl Peter Sidhoms Alberich als auch Wolfgang Ablinger-Sperrhackes Mime brillieren vokal wie schauspielerisch, herausragend ist Kim Begleys tänzelnder und strahlender Loge. Qiu Lin Zhangs Zeitlupengang quer über die Bühne als Erda erschüttert mit dunklem Alt. Ein besonderes Ereignis ist neben Günther Groissböcks solidem Fafner Iain Patersons Interpretation des Fasolt, dessen junges, entschlossenes Auftreten nicht nur der Figur eine ganz andere Allüre verleiht, sondern auch mit vollem, lyrischem Gesang betört.Dem 35-jährigen Philippe Jordan, seit dieser Saison GMD der Pariser Oper, kommt seine direkte „Ring“-Erfahrung (Zürich 2009) sicherlich zugute: Auch wenn die ersten beiden Szenen zuweilen etwas korrekt und eckig klingen, wächst der Klangfluss ab der dritten zur runden Interpretation, die den Bogen vom ersten Kontra-Es bis zum letzten Des-Dur-Akkord ohne Bruch zu spannen vermag, dem Orchester hier bezaubernde Farben entlockt und dort zu majestätischer Größe anwächst (Schluss).Dem Blech hingegen scheinen knapp 32 Jahre Ring-Entwöhnung nicht gut zu tun: Den im Vorspiel so zentralen Hörnern gelingt der warme Urklang der Natur keineswegs, in der vierten Szene patzen sie gar gehörig. Es brillieren nur die Streicher sowie das Holz, was etwa bei Frohs Aufruf, die Brücke zur Götterburg zu beschreiten, zu wundervoll leuchtendem Mischklang aus Horn, Bassklarinette, Fagott und Celli gerät. Der vor allem musikalisch bedeutende Auftakt lässt auf den Rest des Pariser „Rings“ hoffen.