Nur Verlautbarungsorgan oder schon Infotainment? So gut können unsere Politiker Facebook

Von Sarah Bernhard
Gudrun Brendel-Fischer gewinnt den Facebook-Vergleich - mit großem Abstand. Foto: red

Politiker, die nur im Wahlkampf präsent sind, will keiner haben. Sie sollen auch zwischen den Wahlen ansprechbar sein, Projekte anstoßen, Politik erklären. Soziale Netzwerke sind dafür die ideale Plattform. Ob und wie die Politiker aus der Region die Plattform nutzen, haben wir anhand von vier Kriterien getestet.

 
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Dass sich soziale Netzwerke besonders gut eignen, um Bürger anzusprechen, haben viele bayerische Politiker bereits erkannt. Von den bayerischen Landtagsabgeordneten etwa sind 89 Prozent auf Facebook vertreten und 32 Prozent auf Twitter.

An der Spitze der medienaffinen Politiker steht laut Pluragraph, einer Plattform für Social-Media-Analyse, Dorothee Bär, die für den Wahlkreis Bad Kissingen im Bundestag sitzt. Sie nutzt nicht nur erfolgreich Facebook, sondern auch Twitter, Instagram, Google + und Xing und hat einen eigenen Youtube-Video-Kanal.

Hartmut Koschyk auf Platz 21

Als erster Politiker aus der Region taucht auf Platz 21 Hartmut Koschyk auf, vermutlich, weil er zwar weniger Fans hat, als Bär, dafür aber in mehr Netzwerken Profile hat.

Einfach nur Profile haben, reicht aber nicht, sagt Martin Fuchs (35), Politikberater aus Hamburg. „Entscheidend für Facebook zum Beispiel ist, dass der Politiker dort genauso auftritt wie im realen Leben.“ Weitere Kriterien seien kontinuierliche Posts, Dialogbereitschaft und schnell erfassbare Inhalte. Der Kurier nahm diese Liste als Basis, um die Facebook-Strategie der lokalen Politiker zu testen.

Die Kriterien

In „Die Politik“ wurde untersucht, ob politische Positionen über Pressemitteilungen hinaus präsentiert wurden.

„Der Mensch“ soll zeigen, ob auch die Person hinter dem Politiker zum Vorschein kommt.

„Interaktion“ untersucht, ob, wie und wie regelmäßig mit den Usern kommuniziert wird. Und

„Verständlichkeit“ testet, wie gut die Posts sind. Brigitte Merk-Erbe und Christoph Rabenstein haben kein Facebook-Profil.

 

Landrat Hermann Hübner (CSU):
Viele schöne Bilder, aber wenig Botschaft

Fans: 1383

Die Politik: Fast ausschließlich Ich-bin-da-gewesen-Meldungen, immerhin immer mit schönen Bildern aus der Region dazu

Der Mensch: Keine persönlichen Posts – außer beim Bratwurstgipfel, über dessen Fotos steht: „Brotwerscht!!!!!!!“

Interaktion: Manchmal mehrere Posts an einem Tag, manchmal nur einen in ein paar Tagen; abgesehen von „Schade, dass ich nicht da war“ kaum Nutzer-Reaktionen

Verständlichkeit: Es bleibt bei knappen, eher beschreibenden Einleitungen zum Link

Urteil: 

Landtagsabgeordnete Ulrike Gote (Grüne):
Vor allem gegen Christine Haderthauer

Fans: 421


Die Politik: Hauptsächlich Ich-bin-da-gewesen-Meldungen, beim Untersuchungsausschuss zur Haderthauer-
Affäre immerhin noch mit ein bisschen politischer Information

Der Mensch: keine persönlichen Posts, höchstens mal ein ganz kleiner Witz

Interaktion: Ein bis zwei Posts pro 
Woche; kaum Nutzer-Reaktionen

Verständlichkeit: Beim Untersuchungsausschuss liefert Gote verständliche politische Information, ansonsten bleibt es bei knappen, beschreibenden Einleitungen zum Bild oder Link

Urteil: 

Gudrun Brendel-Fischer (CSU):
Die ideale Politiker-Facebook-Seite

Fans: 1566

Die Politik: Brendel-Fischer setzt Themen und hat Meinung; selbst Ich-bin-da-gewesen-Meldungen kombiniert sie mit politischen Statements…

Der Mensch: …oder zumindest einem netten Spruch; sie guckt gerne Frauen-Fußball-WM, läuft in 33 Minuten durch München und fragt sich selbst manchmal, wie sie ihren Tag organisieren soll

Interaktion: Mehrere Posts pro Tag; häufige Nutzer-Reaktionen, auf die Brendel-Fischer in der Regel antwortet

Verständlichkeit: Die Posts sind verständlich und setzen Leseanreize, weil sie persönlich und meinungsstark sind

Urteil:

Landtagsabgeordneter Peter Meyer (FW):
Etwas Meinung – viele Blumen

Fans: unbekannt

Die Politik: Vor allem Pressemitteilungen, ab und zu formuliert Meyer aber auch eigene politische Meinungen

Der Mensch: Keine persönlichen Posts, aber dank der gelegentlichen Änderungen des Hintergrundbilds wissen wir zumindest: Herr Meyer mag Blumen

Interaktion: Oft mehrere Wochen kein Post, dafür oft Kommentare darunter; 
einige User posten auch auf seiner Seite oder markieren ihn auf einem Bild

Verständlichkeit: Wenn Meyer eigene Themen aufgreift: sehr verständlich, ansonsten bleibt es bei knappen, beschreibenden Einleitungen zum Bild oder Link

Urteil: 

Landtagsabgeordnete Inge Aures (SPD):
Auf der eigenen Seite in der Minderheit

Fans: unbekannt

Die Politik: Meistens Ich-bin-da-gewesen-Meldungen, manchmal auch Veranstaltungs-Einladungen oder Mitteilungen der Bayern-SPD an Partei-Kollegen, die Aures teilt

Der Mensch: Keine persönlichen Posts

Interaktion: Höchstens einen Post pro Woche; kaum Interaktion, dafür nutzen andere User ihr Profil als Plattform und kommentieren auch ab und zu

Verständlichkeit: Es bleibt bei knappen, beschreibenden Einleitungen zum Link - wenn überhaupt etwas dasteht und Aures nicht nur ein Foto oder einen Link postet

Urteil:

Bundestagsabgeordneter Hartmut Koschyk (CSU):
Facebook als Werbemittel für die Homepage

Fans: 5122

Die Politik: Entweder Ich-bin-da-gewesen-Meldungen oder Werbung für ein Thema auf seiner eigenen Website, 
allerdings ohne jeglichen Lese- bzw. Klickanreiz

Der Mensch: Keine persönlichen Posts

Interaktion: Manchmal mehrere Posts an einem Tag, manchmal ein paar Tage keiner; kaum User-Kommentare, wenn doch, antwortet Koschyk zuverlässig 1-

Verständlichkeit: Posts enthalten meist einen weiterführenden Link zu seiner Website, oft kommt der Link aber ohne oder nur mit kryptischer 
Erklärung daher

Urteil:

Bundestagsabgeordnete Anette Kramme (SPD):
Auch auf Facebook ist Meinung möglich

Fans: 5927

Die Politik: Kaum Ich-bin-da-gewesen-Meldungen, stattdessen Themen – und, wie Kramme sie bewertet

Der Mensch: Kaum persönliche Posts, aber wenigstens wissen wir, dass sie auch mal Urlaub macht und Gebärdesprachen-Untertitel gut findet

Interaktion: Kramme meldet sich alle paar Tage zu Wort, meistens kommentieren einige User, Kramme antwortet aber nie

Verständlichkeit: Die Posts sind verständlich und erklären auch, warum man die weiterführenden Links anklicken sollte

Urteil:

EU-Parlamentsabgeordnete Monika Hohlmeier (CSU):
Viel hilft nicht immer viel

Fans: 3184

Die Politik: Hohlmeier bewertet und erklärt in ihren Posts zwar, setzt aber selten eigene Themen, sondern schreibt über etwas, über das sie vorher schon irgendwo geredet hat

Der Mensch: Keine persönlichen Posts

Interaktion: Oft nicht einmal ein Post pro Woche, manchmal aber auch zwei pro Tag; meistens kommentieren einige User, Hohlmeier antwortet nicht

Verständlichkeit: Wenn Hohlmeier schreibt, dann schreibt sie – zwar verständlich, aber sehr lang; ergänzend postet sie meist Fotos von sich selbst, so dass der Leseanreiz eher gering ist

Urteil:

Nicht überprüfen konnten wir die Facebook-Profile von Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und Landtagsabgeordnetem Christoph Rabenstein. Merk-Erbe hat sich aus Protest gegen die neuen Geschäftsbedingungen wieder abgemeldet. Rabenstein war nie dabei.

Mehr dazu:

"Politiker sollten möglichst persönlich kommunizieren" - Ein Interview mit dem Politiker--Berater Martin Fuchs aus Hamburg lesen Sie hier.

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