Nur ein Routine-Fall? Zweiter Tag im Mollath-Prozess: Polizisten sagen aus

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Gustl Mollath geht am auf einer Treppe im Landgericht Regensburg. In einem Wiederaufnahmeverfahren muss er sich wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung verantworten. Foto: dpa Foto: red

Das Riesige schrumpft auf Normalgröße, wenn die Details sichtbar werden. So wurde aus einem angeblich großen Skandal bei den Ermittlungen im sogenannten Fall Mollath eine alltägliche Polizei-Geschichte, die zwei Nürnberger Polizisten am zweiten Verhandlungstag vor dem Landgericht Regensburg erzählten. Gustl Mollath (57) bringt das dennoch nicht davon ab, etwas Verschwörerisches dahinter zu vermuten.

 
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Mollath schweigt eisern, genau so hatte er es angekündigt. Wenn der Gutachter im Gerichtssaal 104 des Regensburger Landgerichtes bleibt, werde er gar nichts mehr sagen. Denn der Antrag seines Verteidigers Gerhard Strate, den Gutachter aus dem Saal zu verweisen, weil Mollath unter dessen Anwesenheit leide, kam das Gericht nicht nach. So schiebt Mollath seinem Anwalt Zettel um Zettel zu, auf dem die Fragen stehen, die er gerne stellen würde.

Etwa die, ob die beiden Nürnberger Polizisten denn Martin M. (60) kennen. Martin M. ist der Ehemann von Mollaths Ex-Frau Petra M. (53). Mollath sieht in ihm eine Schlüsselfigur in dem Komplott, das ihn in die Psychiatrie gebracht habe, nachdem er die angeblichen Schwarzgeldgeschäfte seiner Frau angezeigt habe. Die Polizisten kannten Martin M. nicht, wohl aber Gustl Mollath. „Ein alter Bekannter“, sagte Stefan H. (48). Er war vor elf Jahren als Streifenpolizist in Nürnberg. Zu der Zeit, als der angebliche Fall Mollath seinen Lauf nahm.

"Es war ein Routinefall"

Die Beteiligten beim Mollath-Wiederaufnahmeverfahren dringen in alle Verästelungen des Falles ein. Und es zeigt sich nochmals, wie wenig der angebliche Fall mit einer Verschwörung zu tun hatte. Es war der Versuch, nach zwölf Jahren zu rekonstruieren, wie die Justiz-Maschine gegen Gustl Mollath ins Laufen gekommen ist: Was war passiert zwischen dem Ehepaar Gustl und Petra Mollath in den Jahren 2001 und 2002? Doch die Polizeibeamten von damals haben heute nicht mehr viele Erinnerungen.

Nur eines ist sicher: „Es war ein Routinefall“, sagt Stefan H. (48). Häusliche Gewalt, Diebstahl, nichts Besonderes. Damals war er ein junger Streifenführer, gerade frisch im Amt. Und schon hat er diesen Fall mit einer Waffe auf dem Tisch. Mehrmals fährt er an jenem kalten Januartag 2003 zu dem unscheinbaren Wohnhaus im winterlichen Erlenstegen, in jenen Teil des Nobel-Viertels, der so nobel gar nicht ist. „Da war mal was, ja.“ Auf der linken Seite, sagt er und überlegt. Jetzt „dämmert leicht“, was da war. Der junge Streifenführer hätte eine „Langwaffe“ sicherstellen sollen. Aber der zweifelt, denn er kennt diese „Ehemann gegen Ehefrau“-Geschichten. „Was machen wir jetzt, gehen wir rein?“

Polizist, wie aus einer amerikanischen Action-Serie

Der zweite Verhandlungstag sei ein „Schlüsseltag“, sagte Mollath. Aber aus prozesstaktischen Gründen wollte er nicht verraten, warum. Aber der Tag werde helfen zu zeigen, wie es wirklich war. Und war der zweite Polizist nicht nervös? War er nicht davor, „panisch“ zu werden? So jedenfalls sah es Mollath. „Man müsste mal fragen warum“, sagte er. Das würde Aufklärung bringen.

Der zweite Polizist, Bernd F., Polizeihauptkommissar, 45 Jahre, Glatze, dichter, schwarzer Vollbart, ist ein drahtiger Polizist wie aus einer amerikanischen Action-Serie. Sein Blick hält stand und zeigt: Er ist einiges gewohnt bei seinen Einsätzen. Nervös war er nicht, während er als Zeuge vor Gericht befragt wurde, nur genervt. Weil er ein Mikrofon bedienen musste.

Immer wieder schüttelt Mollath den Kopf oder zieht die Augenbrauen zusammen, wenn der drahtige Polizeihauptkommissar spricht. Von der Todesangst, die Petra M. hatte, weil ihr Mann sie geschlagen habe. Weil er ihr gedroht hat, sie umzubringen, denn er habe nichts mehr zu verlieren. Mollath, der am Anfang des zweiten Tags seiner Verhandlung noch lächelte, hatte da schon seine Augen geschlossen. Zweimal goss er sich Wasser in ein Glas, sieht dabei in die Runde. Richtig grimmig wirkt sein Blick, als der Hauptkommissar davon spricht, wie wenig „kooperativ“ Mollath gewesen sei, als er sein Haus nach einer Waffe durchsuchte – und ein Luftgewehr fand.

Nach zehn Jahren wurden die Akten vernichtet bei der Nürnberger Polizei. Alles Routine. Wie der Fall Mollath.

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