NSA gibt geheime Schneeberg-Akten frei

Von Peter Engelbrecht
Längst Geschichte: Die frühere Abhörstation der Amerikaner auf dem Schneeberg. Foto: Archiv Foto: red

Der umstrittene US-Geheimdienst NSA hat Tausende Seiten streng geheimer Akten freigegeben. Darin tauchen auch ehemalige Abhörstandorte des militärischen Nachrichtendienstes Army Security Agency (ASA) auf dem Schneeberg sowie in Coburg und Hof auf. Doch zahlreiche Passagen der Akten aus den 50er und Anfang der 60er Jahre gelten nach wie vor als „Top Secret“.

 
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Der höchste Berg Nordbayerns mit 1051 Metern Höhe wurde 1951 von Aufklärungskräften der ASA in Beschlag genommen, um militärische Aktivitäten des Ostblocks zu überwachen. Die Amerikaner verließen den Berg im April 1992. Eines der freigegebenen Dokumente aus 1957 listet die weltweiten Standorte der ASA-Einheiten auf, darunter auf dem Mount Schneeberg, in Berlin und Bad Aibling.

Training mit der NSA

In diesem Jahr wurde die ASA in USASA umbenannt, sie war fachlich der NSA unterstellt. Dass es auch eine operative Zusammenarbeit gab, zeigt eine Passage mit der Überschrift „NSA Training“. 1957 hätten Offiziere und Soldaten der USASA mit verschiedenen NSA-Einheiten geübt, sei es auch um Probleme bei Außenoperationen gegangen. Die Einheit auf dem Schneeberg zählte Ende Juni 1957 drei Offiziere, einen Stabsfeldwebel und 34 Soldaten. Ihre Hauptaufgabe sei abhören und analysieren, hieß es – die folgenden Textpassagen sind abgedeckt und damit nicht lesbar.

"Detachment J1"

Aus einem weiteren Dokument aus dem Jahr 1960 geht hervor, dass das „Detachment J1“ auf dem Schneeberg zwei Aufgaben hatte: Fernmeldeaufklärung zum Abhören von Funksignalen (Comint) sowie elektronische Aufklärung zur Erfassung und Analyse anderer elektromagnetischer Signale, etwa von feindlichen Waffensystemen (Elint), um deren Standorte zu orten. Und: Das 318th USASA-Battailon, zu dem die Einheit auf dem Schneeberg später gehörte, habe Fernmeldeaufklärungsziele abgehört, die von der NSA zugewiesen worden seien.

Bei Angriff geheime Akten vernichten

In den Dokumenten gibt es nicht nur Geheimes, sondern auch Zwischenmenschliches. 1956 wurden alle neuen Abhörer in einem Sicherheitsschulungsprogramm unterrichtet: über das Verhältnis zu den Deutschen, den Schwarzmarkt, die Heirat von Ausländerinnen, über Grenzübergänge und die Beziehungen zur örtlichen Bevölkerung. Sollten die Kommunisten einmarschieren, wurden die Einheiten auch in „Ausweichen und Flüchten“ sowie im Zerstören geheimer Unterlagen ausgebildet. Die großen Entfernungen zwischen dem Hauptquartier und seinen Außenposten an der Grenze sei eine Belastung, klagten die Aufklärer. Extrem schlechte Straßen, speziell während des Winters, habe das Reisen gefährlich gemacht und Unfälle verursacht. Im Mai 1956 sei eine Mission mit drei Mann plus Ausrüstung vom Schneeberg zum Döbraberg bei Naila geschickt worden. Die Passage, was sie dort getan haben, ist abgedeckt.

Weitere Standorte Hof und Coburg

Weitere Standorte für Fernmeldeaufklärung, die in den freigegebenen Dokumenten erwähnt wurden, waren unter anderem Mähring im Landkreis Tirschenreuth (1955), Hof (1953) und Coburg (1953). Eine mobile US-Einheit war 1954 in Hof-Schönwald an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze im Einsatz. Bei Schönwald lauschten die Aufklärer von einem Berg aus gut zwei Kilometer von der Grenze entfernt nach Funk und Morsezeichen der feindlichen Streitkräfte. Geheimdienstexperte

Experte: vermutlich Wirtschaftsspionage

Erich Schmidt-Eenboom hat für das Abdecken bestimmter Details in den Dokumenten folgende Erklärung: vermutlich sei auch Westdeutschland aufgeklärt und möglicherweise Wirtschaftsspionage betrieben worden. Doch Beweise dafür gibt es nicht. Funkaufklärungsexperte Manfred Bischoff erläutert, das Hauptaugenmerk der ASA-Einheiten habe auf der Aufklärung der militärischen Kräfte des Warschauer Paktes gelegen. „Für die Aufklärung der Wirtschaft gab und gibt es andere Dienste, zum Beispiel die NSA.“ Wirtschaftsspionage vom Schneeberg aus sei möglich, „aber höchst unwahrscheinlich“ gewesen. „Was sollten die Amerikaner in den 50er Jahren denn vom Schneeberg aus ausspionieren?“, fragt Bischoff. Handys und Internet habe es damals noch nicht gegeben. Geheime Dokumente, die der US-Whistleblower Edward Snowden 2014 veröffentlicht hatte, zeigen: Die NSA hatte weltweit millionenfach wahllos Telefongespräche abgehört und E-Mails mitgelesen.

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