Der Druck auf Hawke ist groß. Von vielen Seiten. Die Stimmung in Australien ist – mit Ausnahme der serbischen Community – klar gegen Djokovic. Viele Australier haben in den inzwischen fast zwei Jahren Pandemie viele Entbehrungen erlebt. Keine Stadt der Welt war zusammengenommen so lange im Lockdown wie Melbourne. Selbst viele Australier aus dem Ausland durften lange nicht einreisen, verpassten Hochzeiten, Beerdigungen und sonstige Familienzusammenkünfte.
Das Verständnis für eine medizinische Ausnahmegenehmigung für einen ungeimpft Tennis spielenden Multi-Millionär ist daher gering. Zumal es rund um die Genehmigung des Visums von Djokovic nach wie vor viele Fragen gibt. Die Erklärung des Serben bei Instagram am Mittwoch, in der er einige wenige Fehler einräumte, die Schuld dafür aber meist bei anderen suchte, war nicht der von ihm erhoffte Befreiungsschlag. Im Gegenteil. Inzwischen sollen auch die spanischen Behörden ein Auge auf Djokovics Aufenthalt in Marbella kurz vor dem Abflug nach Australien geworfen haben.
Coronazahlen in Victoria steigen
Brisant ist der Fall Djokovic auch vor dem Hintergrund, dass der Bundesstaat Victoria, in dem die Australian Open stattfinden, immens hohe Infektionszahlen zu verzeichnen hat. Am Donnerstag wurden mehr als 37.000 neue Fälle binnen 24 Stunden registriert. Dazu kamen 25 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19, und 953 Menschen wurden in Krankenhäuser aufgenommen. Wegen der steigenden Corona-Zahlen hat die Regionalregierung in Melbourne angekündigt, die Zuschauerzahl bei dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres auf 50 Prozent der Kapazität zu begrenzen.
Vielleicht spielt Hawke aber auch einfach nur auf Zeit. Desto näher der Beginn der Australian Open an diesem Montag rückt, desto weniger Zeit hätten die Anwälte von Djokovic, gegen eine erneute Ausweisung vor Gericht Berufung einzulegen. Die Tageszeitung „The Age“ schrieb am Donnerstag zwar, die Djokovic-Seite hoffe für den Fall einer negativen Entscheidung durch Hawke am Freitag darauf, das Gericht könnte sich dann am Wochenende mit dem Fall beschäftigten. Doch sicher ist das nicht.
Und so lange keine Klarheit herrscht, bereitet sich Djokovic weiter normal auf den Turnierstart vor. Für Freitag kündigten die Macher um Turnierboss Craig Tiley, der Djokovic unbedingt dabei haben will, eine Trainingseinheit des Weltranglisten-Ersten für 14.45 Uhr an. Ob diese auch stattfindet? Das kann nur Minister Hawke beantworten.