Neun-Euro-Ticket Der Ticket-Traum geht weiter

Die Buslinie 450 würde Andreas Karl von Auerbach nach Pegnitz bringen. Doch für ihn fahren die Busse zu unregelmäßig. Er parkt stattdessen sein Auto am Pegnitzer Bahnhof. Foto: Nicole Wrodarczyk

300 Euro gespart, 320 Kilogramm CO2 gespart, Ärger gespart. Andreas Karl (57) hat für seinen Arbeitsweg das Neun-Euro-Ticket genutzt. Er würde wieder umsteigen, andere sicher auch. Das beliebte Ticket kommt sogar wieder, in Form eines 49-Euro-Tickets. Gäbe es da nicht ein paar Probleme.

 
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Am Mittwoch, 1. Juni, um 6.42 Uhr sitzt Andreas Karl (57) gemütlich im Zug Richtung Bayreuth, Regionalbahn 30. Viele Fahrgäste sind nicht zugestiegen, er bekommt locker einen Sitzplatz. Nach 16 Minuten steht er am Bayreuther Hauptbahnhof. Jetzt noch zehn Minuten Laufen, dann ist er im Büro. Das Neun-Euro-Ticket zückt er wieder bei der Heimfahrt, während er sein Buch liest. Ein Traum für den Berufspendler, aber einer, der nach drei Monaten plötzlich wieder vorbei war. Kein 9-Euro-Ticket mehr.

„Normalerweise ist mein Arbeitsweg recht anstrengend“, sagt er. 42 Kilometer von Auerbach nach Bayreuth, auf der A9, unterwegs zur typischen Pendlerzeit ab halb sieben in der Früh. Jeden Tag.

Doch seit dem 1. Juni hat sich Andreas Karls morgendliche Autofahrzeit auf 15 Minuten reduziert. Von seinem Zuhause in Auerbach aus fährt er zwölf Kilometer zum Pegnitzer Bahnhof. Parkt auf einem der kostenlosen Parkplätze, geht zum Gleis, lässt sich von der Deutschen Bahn kutschieren. Seine 42 Kilometer legt er innerhalb von einer halben Stunde zurück.

„Ich habe mindestens vier andere Auerbacher mitgezählt“, sagt er. Vor den Sommerferien sieht er zudem noch viele Schüler. Auch mit dabei: ein befreundetes Ehepaar aus Auerbach, sie und er arbeiten auch in Bayreuth. Karl und die anderen Auerbacher sparen circa 800 Kilometer Arbeitsweg, jeden Monat. Demnach hat Andreas Karl in seinem Neun-Euro-Ticket-Sommer alleine 320 Kilogramm CO2 gespart. Die Zahl basiert auf einer Formel aus der Deutschen Handwerks-Zeitung, die besagt, bei Autos mit Benzin-Motor müsse man den Verbrauch pro 100 Kilometer mit 23,8 multiplizieren. Zum Vergleich: Ein Flug von München nach Berlin stößt 245 Kilogramm CO2 aus, errechnete das Nachhaltigkeits-Onlinemagazin Utopia.

Nur noch ab und zu mit dem Zug

Jetzt fährt er wieder jeden Tag 80 Kilometer mit seinem VW Golf. Ein Monatsticket beim Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) würde 163 Euro kosten. Billiger wird es erst wenn er mindestens drei Monatstickets kauft, dann ist er bei 154,50 pro Monat. Die Karte muss dann erst per Post zugesendet werden. „Das war schon wesentlich umständlicher. Ich wollte ja sofort eine Karte haben“, sagt Karl. Den Zug nach Bayreuth nimmt er nur noch ab und zu.

„Der Ärger wäre aber gar nötig gewesen“, sagt Manfred Rupp, Pressesprecher des VGN. Denn beim Kauf der Solo31, also der Monatskarte ohne Abo, über die VGN-App reiche schon der Personalausweis und das Smartphone. Rupp würde dem Auerbacher Andreas Karl aber ein Jahresabo empfehlen. Allgemein steigt die Nachfrage bei den Jahresabos allmählich wieder, sagt Rupp.

Das Neun-Euro-Ticket sei in Städten beliebt gewesen, habe auf dem Land aber kaum Wirkung gezeigt, sagte Ministerpräsident Markus Söder im September. Die Infrastruktur in ländlichen Gebieten lässt also zu wünschen übrig. Das ist nichts Neues. Auch Christina Drick, Geschäftsführerin des Zweckverbands Nahverkehr Amberg-Sulzbach (ZNAS), schreibt auf unsere Anfrage: Die Linie 450 von Auerbach nach Pegnitz werde überwiegend von Schülern benutzt. Das ist die Linie, mit der Andreas Karl nach Pegnitz kommen würde. In den Ferien finden hier laut Drick aber weniger Fahrten statt, weil der Bedarf nicht allzu groß ist.

Kein Anschlussbus

Die Erfahrung hat auch Andreas Karl gemacht: „Im August nachmittags eine Buslinie nach Hause zu finden war schwer.“ Während er die Zugverbindung sehr gut nutzen konnte, fuhr sein Anschlussbus nach Hause nur alle zwei Stunden. „Da würde ich mir schon mehr Flexibilität wünschen.“ Was ihn ärgert, weil es eine einfache Möglichkeit wäre: In Auerbach gibt es derzeit keine Anruf-Sammel-Taxis oder Rufbusse, die Pendler zum Bahnhof nach Neuhaus der Pegnitz bringen könnten. „Klar, wir leben in einer ländlichen Umgebung, jeder hat ein Auto. Aber die Anbindung könnte schon besser sein“, sagt der 57-Jährige. Dafür bräuchte es auch keine 50-Mann-Busse, sondern einfache PKWs oder Sprinter.

Er ist überzeugt: Wenn man ein Angebot schafft, nutzen es die Leute auch. „Das Neun-Euro-Ticket haben auch viele in meinem Umfeld genutzt“, sagt er, „Wenn auch nur einmalig, um zum Beispiel nach Nürnberg zu kommen.“

Das 49-Euro-Ticket kommt

Ein Nachfolger des Neun-Euro-Tickets ist auf dem Weg. Am Donnerstag einigten sich die Verkehrsminister von Bund und Ländern in Bremerhaven auf ein solches Nachfolgemodell für das beliebte 9-Euro-Ticket. Die Vorbereitungen sollen schon laufen. Im September nickte die Bundesregierung ein 65 Milliarden Euro schweres Maßnahmenpaket ab, damit es ab 1. Januar 2023 – wenn es nach Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geht – ein bundesweit geltendes Ticket gibt, das zwischen 49 Euro kostet. Der Bund wird dafür 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Die Länder müssten aber den gleichen Betrag zahlen. Und das stieß im bayerischen Verkehrsministerium auf Protest: „Wenn der Bund das haben will, muss der Bund das finanzieren“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums kurz nach Bekanntgabe des Nachfolge-Tickets.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen veröffentlichte in einer Pressemitteilung zudem den Ergebnissen einer bundesweiten Marktforschung: 52 Millionen Mal wurde ist das Neun-Euro-Ticket seit Verkaufsstart Ende Mai verkauft. 17 Prozent der Nutzer seien im August von Pkw oder Fahrrad auf den ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) umgestiegen. Einer von ihnen: Der Auerbacher Andreas Karl.

„Für 69 Euro im Monat würde ich wieder auf den Zug umsteigen“, sagt er. Vorausgesetzt, er könne das Ticket auch am Wochenende nutzen. Deutschlandweit. Um Freude am Nachfolgeticket zu haben, müssten die Verkehrsunternehmen genügend Bus- und Zuglinien zur Verfügung stellen. Können Sie das? Der ZNAS jedenfalls will laut Geschäftsführerin Christine Drick nachbessern: Nach und nach sollen alle Linien im Verbandsgebiet und somit auch die Linien in Auerbach überarbeitet werden. Die neu erarbeiteten Linienkonzepte werden anschließend im Zuge von Neuausschreibungen umgesetzt. Für einen Nachfolger des Neun-Euro-Tickets, schreibt die ZNAS-Chefin, ist das Unternehmen gewappnet. Vielleicht kann Andreas Karl dann seinen Pendler-Traum weiterträumen.

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