Aber dank drei erfolgreicher Testläufe und idealer Wetterbedingungen dominierte letztlich die Zuversicht, diese technisch-logistische Herausforderung erfolgreich zu meistern. Auch Wolfrad Bächle, Geschäftsführer der Miniaturbahn-Experten Märklin, vertraute von Beginn an auf die Kompetenzen der RhB.
Sponsor Märklin unterstützt das technische Bravourstück
„Die Rhätische Bahn weiß, was sie tut und wird hier einen einzigartigen Moment an Eisenbahngeschichte schaffen. Wir waren sofort überzeugt, davon, diese Idee als einer der Hauptsponsoren zu unterstützen.“ Schmuckes Gastgeschenk der Göppinger Modellbahner: ein knapp 80 Meter langer Prototyp des Weltrekord-Zuges im Maßstab von 1:22,5 – die finale Variante aller eingesetzten Triebwagen-Einheiten kommt 2023 als „Capricorn“-Sonderedition in den Handel.
Und was schon als Miniatur mächtig Eindruck macht, entpuppte sich im Realbetrieb als faszinierende feuerrote Zugschlange, die sich mit Durchschnittstempo 30 km/h spektakulär und teils auf drei Ebenen gleichzeitig die Albula-Bahn talwärts tastete.
Computer aus, Handsteuerung an
Die Knackpunkte dabei: Weil die Rekuperationstechnik (die Rückverwandelung von Bremskraft in elektrische, ins Stromnetz eingespeiste Energie) bei dieser Sonderfahrt für eine Überspannung im Elektrizitätsnetz gesorgt und das enorme Gewicht von über 3000 Tonnen viel zu hohe Kräfte auf die Infrastruktur und Wagenkästen ausgeübt hätte, musste die im Alltagsbetrieb aktive Steuerungssoftware abgeschaltet und der Zug manuell gefahren werden.
Hierbei mussten alle sieben Lokführer möglichst zehntelsekundengenau synchron bremsen beziehungsweise Zugkraft geben – was die nächste Herausforderung in Sachen Kommunikation bedeutete. Denn Mobiltelefone oder konventionelle Funkgeräte stießen bei der Fahrt durch insgesamt 22 Tunnels an ihre technischen Grenzen.
Die Lösung brachten schließlich alte analoge Feldtelefone aus dem Bestand des schweizerischen Zivilschutzes, mit denen alle Lokführer auch über die Zuglänge von 1,9 Kilometern in Verbindung stehen konnten. Und nicht zuletzt musste die 75-minütige und 24,9 Kilometer lange Fahrt in den normalen RhB-Betrieb integriert werden, weshalb ein Sonderfahrplan entwickelt und das Albula-Tal zu weiten Teilen für den Verkehr gesperrt wurde.
Dass die RhB mit all dem auch ein umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro teures PR-Event inszenierte und etwa das beschauliche Bahndorf Bergün in ein folkloristisches Festivalgelände mit Bierzelt, Trachtengruppen und Alphornbläsern verwandelte?
Letztlich nicht mehr als eine Randnotiz, denn der Werbewert dieser Veranstaltung dürfte um ein zigfaches höher liegen - die vom Privatsender Blick TV mit drei Helikopter- und sieben stationären Kamerateams produzierten Livebilder dieses Weltrekords auf Schienen wurden jedenfalls gar bis nach China ausgestrahlt.