Neue GPS-Daten: Integrierte Leitstelle und Polizei arbeiten jetzt mit einer Internetplattform für Touristen zusammen Bei Kletterunfällen schneller helfen

Von Heike Hampl
Herbert Greiner arbeitet in der Integrierten Leitstelle bei der Bergwacht. Meistens gehen Kletterunfälle glimpflich aus, sagt er – Abschürfungen oder Knochenbrüche. Bei schweren Abstürzen müssen Retter schnell sein. Früher haben sie sich oft mit Kletterführern beholfen. Heute helfen neue Kartendaten aus dem Internet. Foto: Harbach Foto: red

Klettern ist Trend. Doch mit der Zahl der Sportler steigt die Zahl der Unfälle. Manche Kletterer sind außerdem an Felsen unterwegs, deren Szenenamen die Retter nicht kennen. Stürzt ein Kletterer hier ab, dauert es vielleicht zu lang, ihn zu finden. Deswegen arbeiten die Retter jetzt mit neuen Daten.

 
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Kletterer sind gut vernetzt. Sie tauschen Geheimtipps aus, auch über Netzwerke im Internet. Eine solche Plattform bietet auch das Tourismusportal Frankenjura.com, das für Nutzer zum Teil kostenpflichtig ist. Sven König, Betreiber der Internetseite, ist damit Herr über einen Schatz: Er kennt die genaue Lage nahezu aller Felsen im Frankenjura. Und er kennt all ihre Bezeichnungen. Denn manchmal haben Felsen in der Kletter-Szene ihren eigenen Namen. Das sind Daten, die Leben retten können. Deswegen arbeitet König jetzt zusammen mit den Rettungsdiensten.

Abseits von Straßen

„Kletterfelsen liegen ja nur im Ausnahmefall an einer Straße“, sagt Markus Ruckdeschel, Leiter der Integrierten Leitstelle in Bayreuth. Hier gehen alle Notrufe ein. Die Mitarbeiter der Leitstelle schicken dann einen Rettungswagen zum Beispiel in die Fränkische Schweiz. Der Wagen hat ein Navigationssystem an Bord. Das aber hat Grenzen, es navigiert nur auf erschlossenen Straßen. Die Sanitäter halten Kontakt zur Leitstelle, die sie an den genauen Unfallort lotst.

Kletterführer wissen nicht alles

Die Koordinaten der Felsen fanden die Mitarbeiter in der Leitstelle früher in Kletterführern – oder gar nicht genau. Jetzt hilft ihnen die neue Datenbank weiter. Es kann sich auch um die Standorte von Felsen handeln, deren Lage eigentlich geheim ist, zum Beispiel wegen des Naturschutzes. „Solche Felsen werden weniger benutzt. Dort ist die Gefahr von Steinschlägen also größer“, sagt König. Diese Daten sind auch für die zahlenden Kunden von Frankenjura.com nicht sichtbar. Die Retter haben aber jetzt Zugriff auf diese nicht öffentliche Datenbank. Und damit auf Daten, die sie auch in den umfangreichen Kletterführern vorher nicht finden konnten.

Sportler in der Pflicht

Manfred Huppmann ist seit mehr als 25 Jahren Rettungssanitäter bei den Maltesern in Waischenfeld. „Waischenfeld kennen wir natürlich in- und auswendig. Aber wenn man mal zu einem Fels am Randgebiet muss, ist man schnell aufgeschmissen“, sagt er. Dazu kommt, dass die Kletterer oder ihre Partner nach einem Unfall oft aufgeregt sind und ihnen deswegen die Wegbeschreibung schwer fällt. Auswärtige Sportler kennen manchmal den Namen des Felsen, an dem sie unterwegs sind, gar nicht. Am Ende liegt die Verantwortung bei den Sportlern: „Sie müssen vor dem Klettern immer genau wissen, wo genau sie sich befinden. Wer sich vorher seiner Wegbeschreibung bewusst ist, kann sie auch im Notfall abrufen“, sagt Ruckdeschel von der Integrierten Leitstelle. Wer nämlich absolut nichts über seinen Standort sagen kann, der hat ein Problem.

Auch die Polizei profitiert

Die Polizei begrüßt die neue Zusammenarbeit, zu der auch sie gehört. Neben den Mitarbeitern der Integrierten Leitstelle haben nämlich auch die Polizisten Zugriff auf die Datenbank. Zwei spezielle Ermittler sind hier zuständig für Kletterunfälle. Die beiden Fachmänner ermittelten im vergangenen Jahr bei etwa 20 Unfällen. Hierbei verletzten sich 17 Personen zum Teil schwer und kamen in Krankenhäuser. Neben der Ursachenforschung steht in dann immer die Frage eines Fremdverschuldens im Fokus der Ermittler. „Auch die beiden ausgebildeten Alpinisten begrüßen die Nutzungsmöglichkeit der Kletterdaten“, teilt Polizeisprecher Jürgen Stadter mit.

Im Fall des tragischen Unfalls vor einer Woche, bei dem ein 35-jähriger Kletterer aus Trier ums Leben kam, hätte das neue System nichts gebracht. Die Jubiläumswand im Wiesenttal ist bekannt, die Retter waren sofort vor Ort. Doch die Verletzungen des Sportlers, der aus mehr als 30 Metern in die Tiefe stürzte, waren zu schwer.

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