Als langjähriger Rekordhalter galt der Schwede Claes-Göran Cederlund, dem 9829 Sichtungen zugeschrieben werden. Kurz vor Kaestners Rekord hatte mit Jason Mann noch ein zweiter Amerikaner mitgeteilt, bald 10.000 Vogelsichtungen dokumentiert zu haben - Experten wiesen ihm aber schnell Ungenauigkeiten nach, Mann entschuldigte sich und erkannte den Rekord von Kaestner an.
Er könne sich gar nicht daran erinnern, in seinem Leben einmal nicht an Vögeln interessiert gewesen zu sein, sagt der in Baltimore an der US-Ostküste aufgewachsene Kaestner. "Mein Bruder Hank hat damit angefangen, als er zehn Jahre alt war und ich zwei. Er hat einen Rubintyrannen gesehen, das hat sein Interesse geweckt. Wir haben als Kinder zusammen Vögel beobachtet und heute machen wir es immer noch."
Viele Reisen dank Diplomaten-Dasein
Nach dem Universitätsabschluss unter anderem in Vogelkunde begann Kaestner eine Karriere als Diplomat. "Das hat es mir möglich gemacht, in einigen der vogelreichsten Ländern der Welt zu leben und zu arbeiten - Kolumbien, Brasilien, Papa Neuguinea, Malaysia und Indien zum Beispiel." Einige Jahre verbrachte Kaestner auch am US-Konsulat in Frankfurt und erkundete mit seiner Ehefrau Kimberly die in Deutschland heimischen Vögel. Unter anderem beobachteten sie den Angaben zufolge "wunderschöne Bienenfresser" in Ingelheim und Rothalsgänse in Sachsen.
Unzählige Abenteuer habe er bei seinen Vogelbeobachtungstrips erlebt, sagt Kaestner - im Amazonas und in Indonesien sei jeweils sein Schiff untergegangen, auf einer Insel im Südpazifik habe er sich verirrt, in Namibia sei er fast erschossen worden und im Kongo Gorillas begegnet.
In Kolumbien entdeckte er eine bis dahin unbekannte Vogelart, den Cundinamarca-Ameisenpitta, der ihm zu Ehren den Fachnamen Grallaria kaestneri erhielt - nun "selbstverständlich" sein Lieblingsvogel. Gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen erreichte er die Einrichtung eines Schutzgebiets für den Lebensraum der Art.
"Das Wunder des Fliegens macht mir Freude"
Alles am Vogelbeobachten mache ihm Freude, sagt Kaestner. "Neue Vogelarten auf meiner Liste zu ergänzen macht mir Freude. Die Herausforderung, schwierig aufzufindende Arten zu entdecken, macht mir Freude. Die physische Anstrengung, die es braucht, um zu manchen Arten zu gelangen, macht mir Freude. Die Biologie der Vögel macht mir Freude. Das Wunder des Fliegens macht mir Freude. Das Mysterium des Vogelzugs macht mir Freude. Das Verhalten der Vögel macht mir Freude. Einem Vogel beim Singen zuzuhören macht mir Freude. In der Natur zu sein und die Schönheit und Einsamkeit unseres wunderbaren Planeten zu genießen, macht mir Freude."
Nach den 10.000 Arten will Kaestner noch lange nicht aufhören. "Das Vogelbeobachten ist ein zu großer Teil von mir, um einfach aufzuhören." Er wolle sich jetzt aber mehr Zeit lassen und wieder mehr gemeinsam mit seiner Ehefrau Kimberly zu Sichtungen unterwegs sein - geplant seien beispielsweise Reisen zum Nacktkopf-Paradiesvogel im indonesischen Archipel Raja Ampat oder zum Bulwerfasan auf Borneo. Außerdem tauche er neuerdings gerne. "Ich habe jetzt auch damit angefangen, meine Sichtungen von Falterfischen zu dokumentieren."