Napoleon auf der Plassenburg Feldherr und Frauenheld

Wolfgang Schoberth

Vor 200 Jahren starb Napoleon in der Verbannung auf St. Helena. Das Zinnfigurenmuseum in Kulmbach hat weltweit den größten Bestand an Dioramen, die alle Facetten des Kaisers der Franzosen zeigen. Wir stellen einige vor.

 
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Kulmbach - Der Philosoph Hegel verklärt ihn zur „Weltseele zu Pferde“, Goethe spricht vom „größten Verstand, den die Welt je gesehen“. Ein Karikaturist sieht es anders: Er zeichnet Napoleon, der nach St. Helena verbannt worden ist, als Scheusal, das auf einer fetten Ratte reitet – war doch die Atlantikinsel am Ende der Welt für ihre Rattenplage bekannt. Als sich Napoleon Bonaparte 1804 in Notre-Dame zum Kaiser krönte, war er 35. Als er am 1821 in seinem zweiten Exil an Magenkrebs starb, war er gerade mal 51.

Der gebürtige Korse hat europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts geprägt wie kein anderer - als Eroberer, doch auch als Modernisierer. Kulmbach ist davon direkt betroffen. Im Oktober 1806 wird die Burg, eine preußische Festung, von bayerisch-französischen Truppen belagert. Napoleons Bruder Jerome Bonaparte, der in Schloss Steinenhausen Quartier bezieht, befehligt die Aktion. Nach tapferer Gegenwehr muss die Besatzung kapitulieren. Die Hohe Bastei wird geschleift, die Burg ausgeplündert, das wertvolle Archiv nach Bamberg abtransportiert.

Honeymoon in der Kutsche

Dass das Deutsche Zinnfigurenmuseum den weltweit größten Bestand an Napoleon-Dioramen zusammengetragen hat, hat mit dieser Verflechtung zu tun. Alle großen Schlachten werden gezeigt, doch auch für´s Herz wird was geboten. Besonders charmant: Napoleon mit Prinzessin Marie Louise in der Hochzeitskutsche. Die Beziehung ist aus dynastischem Kalkül erwachsen. Napoleon wollte durch die Ehe mit der Habsburger Kaisertochter die Verbindung der beiden großen europäischen Herrscherhäuser. Doch dann ergibt sich eine Romanze: Die 18-jährige Erzherzogin war widerwillig der Vereinbarung gefolgt. Am 13. März 1810 bricht sie von Wien mit 83 Kutschen nach Paris auf. Ab der bayrischen Grenze reist sie mit kleinem Tross. Napoleon, erfahren auch in der Eroberung von Damen, schickt ihr galante Briefe und Präsente. Schließlich reitet er Marie Louise entgegen und steigt, der höfischen Etikette Hohn sprechend, zu ihr in die Kutsche. Ihre anfängliche Skepsis schlägt um in Euphorie, der vorgezogene Hochzeitsnächte folgen. Die prunkvolle Trauung erfolgt am 2. April im Louvre. Schon ein knappes Jahr später wird sich der ersehnte Thronfolger einstellen.

Tod im eisigen Wasser

Liebesnächte hier, das Verrecken von Zehntausenden dort. Napoleons Russland-Feldzug ist nicht nur ein militärisches Fiasko, sondern eine menschliche Katastrophe. Er ist der Anfang seines Endes, das von ihm geschmiedet europäische Herrschaftssystem zerbricht. Mit fast 600 000 Soldaten aus zwanzig Nationen stößt er im Juni 1812 nach Russland vor. Bayern muss 30 000 Mann stellen, nur wenige werden ihre Heimat wieder sehen. Das Ausweichen der Russen, ihre Taktik der verbrannten Erde und der Wintereinbruch führen zu dramatischen Verlusten der Grande Armeé. Ihr Rückzug über die Beresina ist das bekannteste Beispiel für den Niedergang. In einem an Größe und Eindringlichkeit weltweit einzigartigen Diorama (Richard Scholz, um 1930) ist das Drama vom 27. November 1812 nachgestaltet. Von 70 000 Soldaten und Nachzüglern erreicht nur etwa die Hälfte das andere Ufer. Holländische Pioniere haben die Holzhäuser der Dorfbewohner niedergerissen und aus dem Bauholz leidlich tragfähige Pontonbrücken gebaut. Man weiß, dass jeder der Männer 15 Minuten ins eiskalte Wasser musste, bis er abgelöst wurde, sodass von 400 eingesetzten Pontonieren nur zwanzig überlebten. Alle kämpften ums Überleben: Kürassiere und Berittene stürzen sich in die eisigen Fluten, um das andere Ufer zu erreichen. Die Menschen werden von Fuhrwerken überrollt, zerquetscht, von der Brücke gestoßen, vom Fluss mitgerissen, von russischen Kartätschen zerfetzt. Napoleon selbst hat sich früh mit seiner Garde abgesetzt, um in Schlitten nach Paris aufzubrechen. Dort lässt er dann verkünden: „Die Gesundheit Ihrer Majestät war niemals besser“.

Napoleons letzte Schlacht

Drei Jahre später dann Waterloo. In dem kleinen Dorf zehn Kilometer südlich von Brüssel wird das Ende Napoleons besiegelt. Vorausgegangen ist eine triumphale Rückkehr aus seinem ersten Verbannungsort Elba. Am 18. Juni 1815 stehen sich auf engstem Raum 150 000 Soldaten gegenüber. Die Schlacht beginnt mittags um ein Uhr, um acht ist alles vorbei. Der Marinemaler Robert Schmidt-Hamburg hat die Szenerie in seinem Diorama faszinierend nachgestellt: Wie in einem Film wird der entscheidende Moment der Schlacht wiedergegeben: die Franzosen greifen das Karree der Engländer in drei Angriffsstaffeln an. Zunächst werden Kürassiere vorgeschickt, die in den Hagel der Musketen-Kugeln hineinlaufen, danach die Kavallerie, schließlich die Kaiserliche Garde. Als Wellingtons Truppen schon wanken, erscheint im Hintergrund der preußische Marschall Blücher mit seinen 40 000 Mann. Die Preußen stoßen in die rechte Flanke der Franzosen hinein. Napoleons Armee zerfällt in Minuten. Berge von Leichen bleiben zurück, Verblutende, Verstümmelte. 40 000 Tote fordert Waterloo. Das Diorama macht ihr Sterben sichtbar.

Napoleons Vergoldung beginnt

Allerdings hat auch diese verheerende Niederlage Napoleons Nachruhm wenig geschadet. Er war ein Zyniker der Macht. Menschen waren ihm nur Schachfiguren im Spiel um die „Gloire de la Grande Nation“ und um eigenen Ruhm. Man schätzt, dass bei seinen Kriegen auf europäischem und russischem Boden 3,5 Millionen Soldaten und Zivilisten umgekommen sind. Doch die Verklärung Napoleons setzt schon bei seinem Tod auf St. Helena ein: Der klassizistische Maler Carl von Steuben vergoldet den Kaiser der Franzosen noch auf seinem Sterbebett. Eine Kopie des Ölgemäldes befindet im Landschaftsmuseum Obermain.

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