Lehrkräfte zeigen sich solidarisch
An der Columbia sind daraufhin viel mehr Zelte als davor aufgebaut, der Präsenzunterricht wird aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Unter den Demonstrantinnen und Demonstranten ist auch Katherine, die Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Nahoststudien studiert. Die 26-Jährige war am Donnerstag unter jenen, die festgenommen wurden. Die Uni hat sie zudem suspendiert.
Sie erzählt, dass sie bereits in den vergangenen Monaten beim Demonstrieren angegriffen worden sei: "Und die Universität unternimmt nichts gegen diese Gewalt gegen uns, sondern kritisiert uns dann dafür, dass wir einen Platz mit Zelten besetzen, als ob das irgendwie unangebracht wäre, als ob das eine irgendwie entsetzliche Aktion wäre." Sie findet die gewaltsame Verhaftung von 100 friedlichen Studenten entsetzlich. Das sehen viele ähnlich, darunter auch reihenweise Professorinnen und Professoren, die sich solidarisch zeigen.
Grenzen des friedlichen Protests nicht immer gewahrt
Wer den Ort des Protests zuletzt besucht hat, den lassen die Beschreibungen einiger US-Medien und rechter Politiker stutzen, wonach der Campus ein Hort der Gewalt und des Extremismus sei. Die Realität ist deutlich friedlicher, die meisten Studierenden gehen ihrem normalen Alltag nach, spielen Ball auf der Wiese, lernen für Examen oder lesen. Im propalästinensischen Camp wird getanzt, gesungen, gebetet oder gekocht. Mit dabei sind auch israelkritische jüdische Studenten.
Doch einige wenige dominieren die Außenwahrnehmung: Es gab in den vergangenen Monaten vereinzelte Vorfälle von Antisemitismus (und auch von Islamophobie), Plakate sprechen sich für einen bewaffneten Widerstand gegen Israel aus. Nicht alle Studierenden bewegen sich innerhalb der Grenzen dessen, was friedlicher Protest darf. Das Problem: Der offene Bruch mit ihnen seitens der gemäßigten Demonstranten ist selten; eine aktive Distanzierung zu einer Verharmlosung der Hamas nicht überall erkennbar. Von außen angeheizt wird die Lage zudem von radikaleren Vertretern der politischen Lager, die im US-Wahlkampf Stimmung machen wollen.
Jüdischer Professor fassungslos
Es ist eine Situation, in der sich nicht alle jüdischen Studierenden sicher genug fühlen, um den Davidstern in der Universität zu tragen oder auf dem Campus Hebräisch zu sprechen. Für Aufsehen sorgt auch Columbia-Assistenzprofessor Shai Davidai. Am Montag schreibt er auf der Plattform X, dass die Universität ihn wegen der anhaltenden Proteste nicht auf den Campus gelassen hätte: "Warum? Weil sie meine Sicherheit als jüdischer Professor nicht schützen können. Das ist 1938."
Auch US-Präsident Joe Biden meldet sich zu Wort: "Dieser unverhohlene Antisemitismus ist verwerflich und gefährlich - und er hat auf dem Campus oder irgendwo anders in unserem Land absolut keinen Platz." Biden reagiert darauf, dass die Universitäten seines Landes zu Epizentren der gesellschaftlichen Debatte in einem unauflösbar scheinenden Konflikt geworden sind. Zwei Lager einer Gesellschaft stehen sich unversöhnlich gegenüber.
Am Mittwochmorgen (Ortszeit) kündigte die Columbia an, ihr Ultimatum zur Räumung des Camps um weitere 48 Stunden zu verlängern. Zuvor hatte Columbia-Präsidentin Nemat "Minouche" Shafik mit "alternativen Optionen" für eine Räumung gedroht, sollte das Camp nicht bis Dienstag um Mitternacht geräumt sein.
Es habe Fortschritte in den Verhandlungen mit den Studierenden gegeben, hieß es in einer Mitteilung, die der "Washington Post" vorlag. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hätten sich bereit erklärt, eine "beträchtliche Zahl" von Zelten abzubauen, nur noch Columbia-Studierende zu den Protesten zuzulassen und Schritte gegen die Verwendung diskriminierender Sprache zu unternehmen.
Israels Verteidigungsminister Joav Galant warf den US-Demonstranten unterdessen nicht nur Judenhass, sondern auch Anstiftung zum Terror vor. Galant erhöht damit den Druck auf die großen amerikanischen Elite-Universitäten, die in einem Dilemma stecken: Sicherheit und körperliche Unversehrtheit - für alle Studenten - sind ein Grundrecht. Dieses für andere Teile der Welt wie Gaza lautstark und friedlich einzufordern zu dürfen, aber ebenso.