Elizabeths unverhohlene Sympathien für Schottland, eine Sympathie, die über die Jahre immer mehr Schotten in gleichem Masse für sie empfanden, hatte Stellung und Ansehen der Royals im britischen Norden zu Lebzeiten der Monarchin wesentlich gestärkt. Umso besorgter zeigen sich nun manche Beobachter in der Frage der weiteren Entwicklung der mehr als 300 Jahre alten Union zwischen England und Schottland.
Gefahr der Abspaltung Schottlands
„Zweifellos war sie ein wichtiger Teil des Kitts, des Zements, der die Nation zusammenhielt“, meint der Glasgower Rechtsprofessor und frühere konservative Abgeordnete Adam Tomkins. „Der aber fehlt nun. Ich habe das Gefühl, dass dies ein Augenblick echter Verunsicherung, großen Risikos und potenziellen Wandels für die Union ist.“
Die Sorge, die Unionisten wie Tomkins bewegt, betrifft nicht nur die erstarkte schottische Unabhängigkeitsbewegung unter der in Schottland regierenden Schottischen Nationalpartei (SNP) Nicola Sturgeons. Gegenwärtig wartet ja ganz Großbritannien auf ein Urteil des Obersten Gerichts zur Frage, ob Sturgeon im nächsten Jahr auch gegen den Willen Londons ein zweites Unabhängigkeitsreferendum abhalten darf.
Die Minderheit ist für den Erhalt der Monarchie
Verstärkt wird die Nervosität dabei durch eine jüngste Umfrage, der zufolge nur noch 45 Prozent der Schotten für den Erhalt der Monarchie sind – während diese Zahl im gesamten Vereinigten Königreich bei etwa 60 Prozent liegt. 36 Prozent der Schotten finden laut dieser Umfrage, dass das Ende der elisabethanischen Ära der ideale Zeitpunkt zur Einführung einer republikanischen Regierungsform ist.
Der neue Monarch steht vor einer echten Herausforderung, wenn er sich den Respekt der Schotten als „ihr“ König sichern will. Bei den jährlichen Highland Games munter im Schottenrock herumzulaufen reiche da wohl kaum aus, spotten Charles’ schottische Kritiker. Immerhin böten der Tod seiner Mutter in Schottland und ihre Aufbahrung in Edinburgh vor der Überführung nach London „dem neuen König eine einzigartige Bühne“ für sein Werben um persönliche Anerkennung, meint der Aberdeener Verfassungsexperte Michael Keating.
Eine Chance für König Charles
Charles selbst will sich diese Chance nicht entgehen lassen. Und bei Hofe denkt man schon lange weiter in diesem Punkt. Dort hat man für den König eine regelrechte „Tournee“ durch die einzelnen Teile des Königreichs in dieser Trauerwoche geplant.
Der älteste Sohn der Queen wurde am Sonntagmittag auch in Edinburgh offiziell zu König Charles III. ausgerufen. Als der Ruf „God save the King“ (Gott schütze den König) ertönte, war auch ein Buhruf zu hören. Kurz vor der Verkündung hielt eine Demonstrantin ein Schild hoch, auf dem unter anderen stand: „Schafft die Monarchie ab.“ Sie wurde von Polizisten abgeführt.
Das Staatsbegräbnis als Großereignis
In einer speziellen Zusammenkunft hatte der Kronrat in London bereits am Samstag die Thronfolge in aller Form besiegelt – mit altertümlichen Zeremonien, Fanfarenstößen, Böllerschüssen und Hurrarufen zur Feier des Tages rund ums Königreich.
Royalisten auf der Insel üben sich inzwischen fleißig im Singen von „God save the King“. Großbritanniens Parlamentarier sind auf den neuen König eingeschworen worden. Und in London beginnen sich schon Schlossplätze und Parks mit Menschen zu füllen – in Erwartung der viertägigen Aufbahrung in Westminster Hall und des Staatsbegräbnisses am Montag nächster Woche.