Evolutionsbiologisch hat die Natur uns Menschen auf etwa vierzig Erdenjahre ausgelegt. Heutzutage helfen Wohlstand und Medizin uns weit über diese Marke hinaus. Aber freilich berichtet beinah jeder von uns, der die Fünfzig passiert hat, von wechselnden Wehwehchen. Halb so wild, solang sich das Gehirn - neben dem nimmermüden Herzen - als konditionsstärkstes Mitglied der Organfamilie erweist. Geht alles gut, funkt's dort noch nach neunzig Jahren gehörig zwischen den Synapsen ... oder auch nicht. Die steigende Lebenserwartung offenbart Demenz geradezu als Volksseuche. Etwa 1,5 Millionen von uns leiden an der Alzheimer-Krankheit, der häufigsten Form altersbedingter Geistesschwäche. Erst knapp über fünfzig war Auguste Deter, als ihr Mann sie 1901 ratlos in die Frankfurter "Anstalt für Irre und Epileptische" brachte: Sie hatte sich, so sagte sie selbst, "verloren" - binnen eines Jahres Wesen und Gedächtnis, Lebensordnung und Orientierung eingebüßt. Nachdem sie fünf Jahre später gestorben war, landete ihr Gehirn, aufs Feinste zerschnitten, unterm Mikroskop Aloys Alzheimers. "Eigenartige schwere Erkrankungsprozesse", Faserbildungen, eingelagertes Eiweiß fand der Neurologe vor und führte darauf den eklatanten Persönlichkeitsverlust der Ärmsten zurück. Indes hielten die meisten Fachkollegen die Symptome allenfalls für äußerst selten und nahmen darum kaum Notiz davon. Bis heute indes setzte sich in der Gesellschaft die Einsicht durch, dass die Alzheimer-Krankheit einen beträchtlichen Teil der älteren Herrschaften unheilbar befällt: Jeder Vierte über 85-Jährige leidet an ihr. Mit ihrem Namen bewahrt sie den Namen des Mediziners im Gedächtnis, der 1864 im unterfränkischen Marktbreit zur Welt kam und vor 100 Jahren, am 19. Dezember 1915, in Breslau starb. "Wir müssen erkennen", sagt Monika Kaus, die erste Vorsitzende der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft, "dass Menschen mit Demenz zu unserer Gemeinschaft einfach dazugehören."