Kaltlassen darf diese Diagnose niemanden in Deutschland. Denn die Nato, vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron für "hirntot" erklärt, ist Basis der stabilsten Friedensordnung, die Europa je sah. Da zum Kernbestand dieser Ordnung gehört, dass Deutschland auf Alleingänge verzichtet und seine Sicherheitsvorsorge konsequent im Nato-Rahmen betreibt, kommt die "Hirntod"-Diagnose gerade für die Deutschen einem Weckruf gleich. Wird er so verstanden? Das ist keinesfalls sicher. Schließlich scheint hierzulande die törichte Deutung unausrottbar, die Nato sei bloß ein antirussischer Block. Oder die überrüstete Ansammlung der Streitkräfte von 29 europäischen und nordamerikanischen Staaten, überflüssig seit Ende des Kalten Krieges. Wie sehr diese Sicht den Wert der Nato verkennt, offenbart ein Blick auf Weltgegenden, denen eine solche Sicherheitsarchitektur fehlt. Oder wollte jemand die Gewalt rund um den Tschadsee in Afrika, das Wettrüsten und die wachsenden Spannungen in Ostasien oder die Kriege im Mittleren Osten übersehen? Nun mag die Nato so ganz hirntot noch nicht sein. Immerhin leisten auch derzeit schwierige Partner wie die USA oder die Türkei praktisch unverändert ihre Beiträge. Aber das von Macron völlig treffend bemängelte Zerbröseln gemeinsamer politischer Ziele bedroht letztlich die Substanz. Umso wichtiger, dass die Bundesregierung endlich andeutet, verstanden zu haben, dass Deutschland eine aktivere Rolle im Bündnis übernehmen muss.