Mehr sexuelle Übergriffe gemeldet

Von Kerstin Fritzsche

Auf der am Montag zu Ende gegangenen Bergkirchweih in Erlangen ist es innerhalb von zwei Tagen am vergangenen Wochenenende zu fünf sexuellen Übergriffen auf Frauen gekommen. Insgesamt zählt die Polizei 12 Geschädigte. Das führen Polizei und Stadt auf ein neues Projekt zurück, das für mehr Sensibilität des Themas sorgen soll. Vom Volksfest in Bayreuth sind hingegen keinerlei solche Vorfälle bekannt.

 
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Sind Frauen bei der Bergkirchweih, Bayerns zweitgrößtem Volksfest nach dem Oktoberfest, in besonderem Maße sexuellen Übergriffen ausgesetzt? Jahrelang wurde das diskutiert. Im vergangenen Jahr forderte die Erlanger SPD im Vorfeld des Festes Schutzräume für Frauen, sogenannte Rettungsinseln. Das 22.000 Euro teure Sicherheitsprojekt wurde in diesem Jahr umgesetzt. Unter dem Motto "Spaß haben! Keinen Ärger. Keine sexuelle Gewalt am Berg!" gab es vier Schutzräume für Frauen auf dem Gelände am Berg. Initiiert hat das die Stadt in Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Verein "Notruf und Beratung für vergewaltigte Mädchen und Frauen".

Mehr Sensibilisierung - Arbeitsgruppe der Polizei

Das Projekt beinhaltete auch eine Werbekampagne, die schon im Vorfeld startete, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Festwirte wurden informiert und geschult, Plakate aufgehängt und Flyer auch an Schulen und öffentlichen Einrichtungen verteilt. Die Aktion solle nicht vor Ort während des Berg-Festes helfen, sondern auch eine präventive Funktion haben, sagte Erlangens Gleichstellungsbeauftragte Cornelia Höschele im Vorfeld. Alle müssten einsehen, dass es keine Berührungen, die nicht gewollt sind, geben dürfe.

Vorbild ist die "Sichere Wiesn"

Vorbild dazu ist die Präventions- und Beratungsarbeit für Frauen und Mädchen auf dem Münchner Oktoberfest. Auf der Wiesn gibt es bereits seit 13 Jahren einen Schutzraum für Frauen, das Projekt "Sichere Wiesn": Ein Raum im Servicezentrum zu Füßen der Bavariastatue bietet Frauen in der Zuflucht und Hilfe. Es gibt dort Getränke, Telefone, Internetanschluss - und bei Bedarf auch ein offenes Ohr und mehrsprachige Beratung.

Außerdem gab es in Erlangen zur Bergkirchweih erstmals eine Arbeitsgruppe der Kriminalpolizei, die sich ausschließlich mit möglichen Anzeigen und Anfragen aufgrund von sexuellen Übergriffen während des Festes beschäftigte. Das Delikt heißt etwas sperrig "Beleidigung auf sexueller Grundlage". Die Arbeitsgruppe beim Polizeipräsidium Mittelfranken meldete insgesamt 12 Übergriffe auf Frauen während des zwölf Tage dauernden Festes.

Fünf Frauen meldeten sich innerhalb von zwei Tagen

Davon ereigneten sich fünf innerhalb von zwei Tagen am vergangenen Wochenende. Den Frauen wurde an die Brust, an den Po und unter den Rock gegriffen. In einem Fall wurde eine Frau bedrängt, und der Mann versuchte, sie zu küssen. Da der Mann sich auch gegen die Polizisten aggressiv zeigte, musste er vor Ort gefesselt werden, bevor er zum Polizeirevier gebracht werden konnte. Im Zuge der sexuellen Übergriffe wurden sechs Tatverdächtige festgenommen.

Und einem Kirchweihbesucher wird vorgeworfen, am Samstagabend im Gerangel mit einer Tischnachbarin und ihren Freunden die Frau vorsätzlich geschubst und unsittlich angefasst zu haben. Einige der mutmaßlichen Täter erhielten Platzverweise von der Polizei.

Gibt es mehr Übergriffe als früher?

Sind das nun mehr Vorfälle als früher? Alexandra Oberhuber, die die Arbeitsgruppe der Polizei leitet, warf auf Anfrage des Kuriers einen Blick in die Statistik. So wurden 2015 drei Fälle gemeldet und zur Anzeige gebracht, 2014 keiner, 2013 drei, 2012 vier und 2011 einer. Die "Nürnberger Nachrichten" berichteten im letzten Jahr allerdings von einer Vergewaltigung in der Altstadt, also ein Delikt, das mehr ist als die erfassten "Beleidigungen aufgrund sexueller Grundlage". Ob es heutzutage mehr Übergriffe auf Frauen gibt, kann keiner sagen, das ist auch statistisch in all der Breite der Straftatbestände nicht erfasst, so Oberhuber. Außerdem sei vermutlich die Dunkelziffer an Frauen, die sich nicht melden, nach wie vor sehr hoch.

Alexandra Oberhuber führt die höhere Zahl der Anzeigen in diesem Jahr allerdings auf die Kampagne zurück. "Übergriffe gab es leider schon immer. Ich denke, es trauen sich einfach mehr Frauen, die Männer anzuzeigen oder sich öffentlich wirksam und direkt gegen Belästigung zu wehren. So ergeben sich jetzt höhere Zahlen." Zum anderen sei das Thema überall, auch in den Medien, seit den Vorfällen an Silvester in Köln und anderen Städten jetzt auch viel präsenter.

"Zwölf Fälle sind freilich zwölf zu viel"

So sieht das auch Christofer Zwanzig. Der Pressesprecher der Stadt Erlangen sagt auf Anfrage des Kurier: "Zwölf Fälle sind natürlich trotzdem zwölf zu viel. Leider kann man das aber nicht verhindern, daher ist Aufklärung und Sensibilisierung umso wichtiger." In diesem Sinne sieht Zwanzig die Kampagne als vollen Erfolg. "Dass die Frauen sich bei der Polizei gemeldet haben oder sich auch trauen, Personal und Sicherheitsleute anzusprechen, wenn direkt etwas passiert, ist sicherlich auch auf 'Spaß haben! Keinen Ärger' zurückzuführen. Die Sensibilisierung ist gelungen." Freilich müsse man das Sicherheitsprojekt noch genau auswerten, was aber sicherlich bis Ende des Sommers dauere.

Neun gefährliche Körpverletzungen

Im Vergleich zum Vorjahr sind auf der Bergkirchweih laut Polizei die gefährlichen Körperverletzungen zurückgegangen. Waren es im vergangenen Jahr noch 24 gefährliche Körperverletzungen, bei denen die Täter ihr Opfer mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Gegenstandes attackierten, so wurden in diesem Jahr neun solcher Fälle registriert.

Ein anderes Problem der Polizei auf diesen großen Festen sind Taschendiebstähle. Besonders auf Geldbörsen und Mobiltelefone hatten es die Täter abgesehen. Auf der Bergkirchweih gab es 48 (Vorjahr 49) solcher Diebstähle.

Vom Frühlingsfest in Nürnberg sind der Polizei drei sexuelle Übergriffe bekannt. Beim ebenfalls am Montag zu Ende gegangenen Bayreuther Volksfest gab es keine Schlägereien und keine gemeldete sexuelle Belästigung. Auch vom Frühlingsfest gibt es keine Meldungen oder Anzeigen. Jedoch: Das Bayreuther Volksfest hat nur einen Bruchteil der Besucherzahl der Erlanger Bergkirchweih, die knapp eine Million Menschen besuchten.

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