Luise Kinseher erschüttert das Weltbild

Von Wolfgang Karl
Lädt die Besucher im Bayreuther Zentrum zum Entspannen ein: die Kabarettistin Luise Kinseher. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Luise Kinseher ist ein ausgemachter Kabarettprofi. Daher weiß sie, dass eine Sache dem gemeinen Kabarett-Besucher zu schaffen macht: Das eigene Weltbild nachhaltig erschüttern zu lassen. Deswegen beruhigte Luise Kinseher das Publikum im Bayreuther Zentrum am Freitagabend erstmal. „Entspannen“ solle man sich. Man habe hier nichts zu befürchten, müsse auch nicht mitdenken.

 
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Würden die Leute einschlafen, wie vor dem Fernseher, wäre ihr das ein großer Erfolg. Natürlich steckt schon in diesen Worten eine ausgemachte Publikumsschelte. Es wirkt, als wolle Kinseher uns sagen: „Eigentlich ist es egal, was ich auf der Bühne mache. Ich weiß, dass ich nichts bewirke.“ An dieser Tragik des Berufsstandes haben sich schon viele Kabarettisten aufgearbeitet. Doch niemand macht das auf solch sympathische Art, wie Luise Kinseher. Schon am Nockherberg vermag sie tiefer zu stechen, als viele ihrer Vorgänger – eben, weil sie mit einem gewinnenden Lächeln zusticht. In ihrem eigenen Programm scheint ihr aber ein wenig das Ziel zu fehlen.

Warten auf den schönen Mann

Der Plot ist schnell erzählt: Sie traf einen gut aussehenden Mann im Fahrstuhl, steckte im ihre Handynummer zu – und wartet seitdem auf seinen Anruf. Diese Ausgangssituation nutzt sie zu einem geschickten Meta-Witz: In der Zeit fieberhaften Wartens, in der ihr der ersehnte Anruf nicht schnell genug kommen könnte, lamentiert sie über die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Das Warten redet sie uns gleichsam als Tugend schön. Da sitzt sie dann ungeduldig auf der Bühne, starrt auf ihr Handy und wirkt dabei wie der Fuchs, dem die Trauben zu hoch hängen. Angst vor Zurückweisung, das Altern, ihre Fehler mit Männern – alles Themen, an denen sie uns teilhaben lässt. Mit dieser Bühnenfigur, die Luise Kinseher von sich selbst entwirft, entwickelt man Mitgefühl. Man wünscht sich geradezu, er möge sich doch melden, der schöne Unbekannte.

Die großen Sätze spricht sie nicht in dieser Rolle. Dafür ist in ihrem Programm eine andere Figur zuständig: Die stets betrunkene „Mary from Bavary“. Eine Lallende, die man sich schon zu Beginn des Tages in der Eckkneipe vorstellen kann.

Der neueste Trend: Achtsamkeit

„Freunde der Nacht“ nennt sie das Publikum – und liefert in ihrer Trunkenheit die nüchternsten Analysen. Zum Yoga würden sie ihre Freundinnen schon lange überreden wollen. Aber der letzte Schrei wäre das nicht mehr: „Das Neueste sind jetzt Achtsamkeitsseminare. Des is scho guad, wenn alle achtsam sind. Aber da brauch i kein Seminar. I bin eh achtsam. Muss i ja sei, so b‘suffa wie i immer Auto fahr.“

Ihr Lieblings-„Stüberl“ – so bezeichnet sie Kneipen – sei jetzt eine Lounge. Da habe sie einen Typen getroffen, der das Meer rauschen hörte. Und das in Giesing. Da habe sie ihm eine „geschmiert“, damit er sich besser spüre: „Und der bedankt sich am End‘ auch noch dafür.“ Das Publikum hat Spaß mit dieser „Mary“ – und auch mit dem Rest des Abends.

Zu einer Zugabe wird Kinseher nochmal auf die Bühne herbeigeklatscht. In der singt sie aber so gnadenlos falsch ein undefinierbares Lied, dass es das Publikum hinterher lieber dabei belässt. Aber lachen hat man viel können an diesem Abend – manchmal mit, manchmal über Luise Kinseher. Eben ein Kabarettprofi.

Hier gibt es ein Interview mit Luise Kinseher.