Lüftungsanlage in Kinderkrippe sorgt für Diskussion - Kitabau verzögert sich Dicke Luft in Goldkronach

Von Andreas Gewinner
Die Kinderkrippe Goldkronach im Bau. Foto: Judas Foto: red

Braucht die im Bau befindliche Kinderkrippe eine Lüftungsanlage oder nicht? Darüber wird derzeit in Goldkronach kontrovers diskutiert. Doch es herrscht auch sonst dicke Luft. Bürgermeister Günter Exner scheint auf ungewöhnliche Mittel im Kampf um die öffentliche Meinung zu setzen.

 
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Die neue Kinderkrippe steht offenbar unter keinem guten Stern. Der Bau verzögert sich, die Kosten sind aus unterschiedlichen Gründen gestiegen von knapp einer Million auf über 1,3 Millionen Euro  Euro (der Kurier berichtete). Kosten, die sich die Kirche und die Stadt teilen müssen, abzüglich eines festen staatlichen Zuschusses von gut einer halben Million Euro.

Diskussion um Lüftungsanlage

Und jetzt auch noch weiteres Geld ausgeben für eine Lüftungsanlage? Angestoßen hatte das Thema Matthias Wohlleben im Rahmen der Bürgeranhörung vor der Bauausschusssitzung. Die Krippe ist mit passivhausähnlicher Dämmung geplant, hat nur eine Fußbodenheizung. Eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung wäre nicht nur sinnvoller und praktikabler als regelmäßiges Fensteröffnen. Sondern auch unerlässlich in einem gedämmten Gebäude, in dem Kinder gewickelt werden und in dem es Duschen und Bäder, als hohen Feuchtigkeitsanfall gibt, so seine Argumente. Auf Antrag von SPD-Stadtrat Klaus-Dieter Löwel beschäftigte sich der Stadtrat noch mal mit dem Thema. Ergebnis: Die Mehrheit im Stadtrat (10:3)  will, dass die Kirche als Bauherr sich mit dem Thema noch mal befasst. Dagegen gestimmt hatte unter anderem Bürgermeister Günter Exner.

Mit Verwunderung nahm Matthias Wohlleben wenige Tage später einen Bericht über die Stadtratssitzung auf der Internetseite der Stadt zur Kenntnis. Ein Bericht, der nur Argumente gegen die Lüftungsanlage aufführt, die Argumente dafür aber unterschlägt.

Ungenehmigtes Protokoll veröffentlicht

Unabhängig von der Frage, ob da ein Stadtoberhaupt die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung lenken will, hat der Vorgang an sich Seltenheitswert. Veröffentlicht werden in aller Regel Stadtratsprotokolle, die vom Stadtrat genehmigt wurden. Die Genehmigung geschieht in der Regel  erst in der nächsten Sitzung, üblicherweise vier Wochen später. Danach erst wird veröffentlicht. Die Vorgehensweise in Goldkronach, ein ungenehmigtes Protokoll vorab zu veröffentlichen, ist weit und breit einmalig. Der Kurier fasste nach bei Klaus Bauer aus Nemmersdorf, er ist Geschäftsleiter im Rathaus Weidenberg, war zuvor in Speichersdorf und Kirchenlamitz im Rathaus tätig: „Ein Bürgermeister hat das Recht Dinge aus seiner Sicht darzustellen. Aber es ist unüblich, Berichte oder Protokolle aus dem Stadtrat ohne Genehmigung des Stadtrats zu veröffentlichen. Mir ist kein vergleichbarer Fall bekannt, wo das so gehandhabt wird."

Bürgermeister Exner sagt auf Nachfrage zum Kurier, dass bereits ein Text zum Stadtrat im Internet stehe, sei ihm nicht bewusst gewesen, "das macht das Sekretariat." Bei dem Text handle es sich um das noch nicht genehmigte Protokoll der Sitzung. Für die Druckversion im Amtsblatt werde der Text überarbeitet und ergänzt um die Argumente der Stadträte, diese Version bedürfe jedoch der Genehmigung durch den Stadtrat vor der Veröffentlichung. "Das ist unglücklich gelaufen", so Exner, der ansonsten die Anmutung von sich weist, auf diesem Weg Stimmung gegen die Lüftungsanlage machen zu wollen. Er versprach, die Praxis, ungenehmigte Texte aus dem Stadtrat im Internet zu veröffentlichen, zu überdenken.

Das Problem mit der Lüftung

Wohlleben: „Alle Argumente des Bürgermeisters gegen die Lüftung in dem Bericht aus der jüngsten Sitzung können als widerlegt gelten." Er weiß dabei Expertenmeinung auf seiner Seite; Jürgen Ramming von der Energie-Agentur Oberfranken hatte vor wenigen Tagen im Gasthof Alexander von Humboldt zum Thema referiert. Zitat aus dem Stadtratsbericht: "Eine Lüftungsanlage jedoch müsste ständig betreut, d.h. u.a. vierteljährlich gewartet werden, mit chemischen Zusätzen versehen werden und zudem viel Energie verbrauchen."

Fakt: Eine vierteljährliche Wartung (in der Regel Filterreinigung oder -wechsel) kostet wenige 100 Euro im Jahr. Chemische Zusätze gibt es nicht, allenfalls ist eine Reinigung mit Chemikalien nötig, wenn die Anlage nicht gewartet wurde oder lange nicht lief.

Expertenmeinung ist auch, dass bei einem Gebäude mit Passivhauseigenschaften eine Lüftungsanlage eigentlich obligatorisch ist. Eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung würde auch besser zur Passivhausphilosophie passen als die Lüftung über geöffnete Fenster.

Tatsächlich ist es so, dass zumindest eine teilweise Entlüftung bei den zahlreichen Krippen- und Kindergartenneubauten in der Region inzwischen die Regel zu sein scheint: Beispiele Gefrees und Weidenberg: beides keine Passivbauten, aber Entlüftung bestimmter Räume, teils in Verbindung mit cO2-Ampeln in den übrigen Räumen: Anzeigen, die den Erzieherinnen sagen, wenn es Zeit ist, die Fenster zu öffnen. Die Goldkronacher Kindergartenleiterin Bärbel Schoberth sagt: "Uns ist wichtig, dass wir die Fenster öffnen können, wann wir wollen."

Wenig glücklich über die gesamte Entwicklung bei der Kinderkrippe ist Pfarrer Hans-Georg Taxis. Nach dem mehrheitlichen Stadtratsbeschluss werde sich der Kirchenvorstand in der nächste Sitzung nochmal mit dem Thema befassen. Doch wenn die Kosten weiter steigen (zur Rede stehen etwa 40.000 Euro) „dann müssen wir anderswo an der Ausstattung sparen", befürchtet Taxis.

Und die Zeit drängt: Der Bau der (ohne Lüftung geplanten) Krippe hat sich zwar verzögert. Aber er hat begonnen.

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