Laster-Kartell: Jetzt droht die Klagewelle

Von Moritz Kircher
Fast alle großen Lastwagenhersteller auf dem europäischen Markt haben sich an illegalen Preisabsprachen beteiligt. Für all diese Fahrzeuge auf dem Pegnitzer Rasthof haben die Besitzer höchstwahrscheinlich zu viel bezahlt. Archivfoto: 
Andreas Harbach Foto: red

Die EU-Kommission hat die großen Lastwagenhersteller wegen illegaler Preisabsprachen für Neufahrzeuge zu einer Strafe von rund drei Milliarden Euro verdonnert. Auch in der Region gibt es Spediteure, die wegen des Kartells wahrscheinlich zu viel für ihre Laster bezahlt haben. Sie dürfen jetzt auf Schadensersatz hoffen. Von alleine kommt der aber sicher nicht.

 
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Betroffen sind praktisch alle Spediteure, die in den Jahren 1997 bis 2011 neue Lastwagen gekauft haben. Denn beim Kartell haben fast alle großen Lastwagenhersteller mitgemacht: Daimler, Volvo/Renault, DAF, Iveco und MAN. Gegen den Lastwagenbauer Scania laufen die Ermittlungen nach übereinstimmenden Medienberichten noch.

Bislang können die Speditionen den Schaden noch nicht abschätzen

Die Spedition Maisel in Ottmannsreuth hat im Kartellzeitraum neue Lastwagen von Iveco gekauft. Man berate jetzt, wie man auf die aufgeflogenen Preisabsprachen reagieren will. „Wir denken auf jeden Fall über eine Schadensersatzklage nach“, heißt es auf Kurier-Anfrage. Bislang gebe es aber noch keine Schätzung, wie hoch der Schaden ist, der der Spedition Maisel entstanden ist.

Das wird auch nur sehr schwer zu ermitteln sein, glaubt man den Worten von Robert Gammisch, Chef der Spedition Log-In in Neuenmarkt, die im Kartellzeitraum unter anderem Daimler-Lastwagen gekauft hat. „Wir haben bereits Kanzleien im Boot“, sagt er. Aber wie wolle man den Nutzfahrzeugherstellern nachweisen, um wie viel die Preise zu hoch waren. Gammisch ist skeptisch. „Was will ich mit einem Gutachten beweisen?“, fragt er. „Das wird ein ganz schwieriges Unterfangen.

Jeder Geschädigte muss seinen individuellen Schaden nachweisen

Das Branchenmagazin Verkehrsrundschau berichtet, die Preise für neue Lastwagen könnten durch die Preisabsprachen um bis zu 20 Prozent zu hoch gelegen haben. Allerdings müsse jeder Geschädigte seinen individuellen Schaden feststellen lassen und geltend machen, so der Bayreuther Juraprofessor Knut Lange.

Auch die Bayreuther Spedition Wedlich überlegt, wie sie auf das aufgeflogene Kartell reagieren soll. „Wir sind keine Einzelkämpfer“, sagt Geschäftsführer Christian Wedlich. Eine Sammelklage nach US-Vorbild kennt das deutsche und das EU-Recht zwar nicht, sagt Lange. Dennoch gebe es Möglichkeiten, wie sich Spediteure bei ihren Klagen zusammenschließen können.

Spediteur-Verband appelliert an die großen Hersteller

Auf eine dieser Möglichkeiten macht Edina Brenner, Geschäftsführerin beim Landesverband Bayerischer Spediteure (LBS), aufmerksam. „Man kann die Ansprüche einzelner Unternehmen bündeln“, sagt sie. Derzeit gebe es Überlegungen beim Verein zur Förderung des Wettbewerbs im Speditions-, Logistik und Transportgewerbe, geschädigte Fuhrunternehmer gesammelt vor Gericht zu vertreten.

Doch der Gang vor Gericht sollte nicht der erste Schritt sein, rät Brenner. Zuerst müssten Spediteure feststellen ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Sprich: Haben sie im Kartellzeitraum von 1997 bis 2011 neue Laster von den betroffenen Herstellern gekauft, und wie viel Geld haben sie für die Fahrzeuge ausgegeben? Dann könnte ein Gutachter die genaue Höhe des Schadens ermitteln, mit dem man dann vor Gericht ziehen kann. „Wir würden es natürlich begrüßen, wenn die Nutzfahrzeugindustrie ein außergerichtliches Entgegenkommen signalisieren würde“, sagt Brenner.

Experte rät: Nicht abwarten, bis die ersten Urteile gesprochen sind

Die Kartellstrafe der EU ist eine Hilfe, weil damit festgestellt ist, dass es die Preisabsprachen gab. „Die Speditionen stehen bei Klagen besser da“, sagt Professor Lange. „Aber das ist kein Selbstläufer.“ Sollten kleinere Unternehmen also lieber warten, bis erste Urteile gesprochen sind? „Da wäre ich vorsichtig“, sagt Lange. Es sei unklar, welche Verjährungsfristen gelten. Die liefen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Geschädigter Kenntnis von einem Kartell hat. Und davon sei mittlerweile auszugehen.  „Zu lange warten würde ich nicht“, rät der Experte für europäisches Handelsrecht.

Gute Nachricht für Spediteure, die im Kartellzeitraum Lastwagen von MAN gekauft haben: Der Münchener Nutzfahrzeughersteller muss zwar keine Strafe zahlen, weil das Unternehmen den Ermittlern bei der EU-Kommission den entscheidenden Tipp gegeben hat. Das befreie den Konzern, der zu VW gehört, aber nicht von möglichen Schadensersatzforderungen der Spediteure, sagt Lange.

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