Langfristig könnte das Gästehaus auch belegt werden 59 Flüchtlinge in einstigem Kurheim

Von Andreas Gewinner
Am Bärnreuther Weg in Bad Berneck wohnen keine Kurgäste mehr, auch wenn das Relief am Eingang zum Sanatorium Quelle dies nahezulegen scheint. Fotos: Ronald Wittek Foto: red

Wo einst Kurgäste logierten wohnen jetzt Flüchtlinge: 59 sind bereits angekommen im einstigen Sanatorium Quelle, 80 könnten es insgesamt werden. Doch es ist im Gespräch, langfristig das Gästehaus hinter dem Kurheim ebenfalls für Flüchtlinge herzurichten.

 
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Von der Terrasse des ehemaligen Sanatoriums Quelle hat man einen wunderbaren Blick auf Bad Berneck. Ein junger Afghane macht mit dem Handy ein Foto von dem für ihn ungewohnten Anblick. Dennoch hofft er, nicht lange in der Kurstadt zu bleiben. Er will nach Bayreuth, um dort die Schule besuchen zu können.

Zahl wechselt ständig

Der Junge ist ein sogenannter „unbegleiteter Jugendlicher“, der ohne Eltern oder sonstige Verwandte nach Deutschland kam. Er ist seit Donnerstag in der Quelle. Einer von – ja, von wie vielen Flüchtlingen eigentlich? 70, 65, diese Zahlen kursierten Ende letzter Woche. „Derzeit sind es 59 Bewohner“, stellt Oliver Hempfling, Pressesprecher der Regierung von Oberfranken klar, Stand Dienstag, 11 Uhr. Am heutigen Mittwoch können es mehr oder auch weniger sein: „Asylarbeit ist Stundenarbeit.“ Bis zu 80 könnten es werden in der Quelle, noch sind nicht alle Zimmer auf den drei Etagen belegt.

Und langfristig könnten es noch sehr viel mehr werden. Denn am Rande ließ Hempfling anklingen, dass es Überlegungen gibt, ein Gästehaus hinter dem Haupthaus auch mit Flüchtlingen zu belegen. Doch dies müsste wohl erst saniert werden wie die Quelle selbst. Die Eigentümerin war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. „Wir haben das Gästehaus nicht kurzfristig auf der Rechnung, das wäre, wenn überhaupt, eine mittel- bis langfristige Perspektive, abhängig vom Umbaufortschritt“, so Hempfling. Deswegen lasse sich auch über eine Belegungszahl noch nichts sagen. Der Mietvertrag für die Quelle selbst läuft auf fünf Jahre.

Taliban drohten mit Tod

„Zurück zur Mutter Natur“, steht auf einem kunstvollen Steinrelief am Eingang. Doch die Zeit, als sich hier Kurgäste vor allem aus Berlin einer Kneippkur unterzogen, sind längst vorbei. Vor dem Haus sitzt Ahmad Raza aus Afghanistan. Er gehört zur Ethnie der Hazara und ist mit Frau, Tochter, Schwester und Bruder hier. Er hatte im Norden Afghanistans als Landwirtschaftstechniker gearbeitet, mit der American Soybean Association. Das war den Taliban, die in seiner Gegend schon Menschen ermordet hatten, ein Dorn im Auge: „Hör auf mit der Arbeit oder wir bringen dich um“, hatten sie ihm gedroht, erzählt er.

Überwiegend sind Familien aus Afghanistan und Syrien in der Quelle untergekommen, auch eine albanische Familie. Zuvor waren sie in einer Halle an der Bernecker Straße in Bayreuth. Joseph (33) aus dem westafrikanischen Sierra Leone ist hier so was wie ein Exot. Sein Vorname verrät, dass er Christ ist. Doch das war nicht das Problem in seiner alten Heimat. In Sierra Leone herrschte Bürgerkrieg, finanziert mit dem Verkauf sogenannter „Blutdiamanten“. Joseph war acht, als seine Eltern ermordet wurden, auch seine beiden Brüder sind tot, erzählt er. Und er zeigt seine eigenen Narben: am Knie, an der Brust, am Kopf. Als Halbwüchsiger schaffte er es nach Nigeria und schließlich ins syrische Damaskus, wo er arbeitete, um parallel den Schulbesuch bezahlen zu können. Seine spätere monatelange Odyssee führte ihn über Libyen, Marokko, Syrien, die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Ungarn nach Deutschland, wo ihn Polizisten aus dem Bus holten. Sie hätten ihn gut behandelt, sagt Joseph. Wie es ihm in den anderen Ländern ergangen ist, sagt er nicht. In Bad Berneck gefällt ihm die Ruhe im Vergleich zur Bernecker Straße in Bayreuth. Er hofft, in Deutschland seine Ausbildung fortsetzen und Psychologie studieren zu können: „Ich kämpfe ums Überleben.“

Im Spielzimmer

Am Ende des Erdgeschosses ist das Spielzimmer. Ein Sack mit Plüschtieren liegt auf dem Boden. Zwei kleine Mädchen sind in einem winzigen Zelt, das sie wie ein Kokon umgibt, sie spielen mit kleinen Obstkisten und Plastikobst. Draußen vor dem Haus fetzen kleine Jungen auf Dreirädern umher. Die einen strahlen die Besucher an, andere wirken in sich gekehrt.

Die theoretische Aufenthaltszeit der Bewohner der Quelle liegt bei vier Wochen. Dann sollen sie auf dauerhaftere Unterkünfte in Oberfranken verteilt werden. Diese kurze Zeit macht die Arbeit für den Helferkreis unter Leitung von Heiner Zeitler nicht einfacher, Beziehungen von Dauer sind so kaum möglich. Vor dem Haus fährt gerade Klaus Sowada vor und bringt einen Kicker. Auf der Terrasse, da wo man den schönen Blick auf Bad Berneck hat, haben einige Männer bereits eine Beschäftigung gefunden und spielen Karten. Aus einem Handy dudelt leise orientalische Musik. Ein Stück Heimat in der Fremde.

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