Platzwunden, Blasen, Alkoholleichen: Mit zwei Sanitätern auf dem Gefreeser Wiesenfest

Von Sarah Bernhard
Bis kurz vor zwei brachte die Band "Shark" die Gefreeser zum Tanzen - am Schluss allerdings nur noch einige wenige. Foto: Judas Foto: red

Lange sah es aus, als ob es auf dem Gefreeser Wiesenfest ein ruhiger Abend werden würde. So wie meistens am Donnerstag, dem Tag der Jugend. Doch dann kam alles anders. Für die Sanitäter der Rotkreuzbereitschaft Gefrees. Und für einen 16-Jährigen, der eigentlich gekommen war, um Party zu machen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Donnerstag ist normalerweise ein eher ruhiger Tag auf dem Wiesenfest, sagt Daniela Hoffmann. „Weil die Bar nicht offen hat, bleiben die Leute nicht so lange. Üblicherweise ist um eins Schluss.“ Um halb sechs Uhr morgens ist die 27-Jährige aufgestanden, sie arbeitet als Lehrerin in Aschaffenburg. Nach dem Unterricht fuhr sie zu ihrem Lebensgefährten Klaus Neudert (31) nach Gefrees, mit dem sie heute Streife gehen wird.

Gerade erst hat es aufgehört zu regnen, nur vereinzelt wandern Menschen zum Festzelt. Es wird noch eine Weile dauern, bis die Party losgeht, und deutlich länger, bis sich die ersten übergeben und prügeln werden. Aber noch haben Daniela und Klaus Zeit für einen Kaffee.

Vor elf Jahren haben sich die beiden kennengelernt. Beim BRK. Daniela geht auf die Leute zu. Sie legt Betrunkenen die Hand um die Schulter, „komm, wir gehen jetzt mal“, sagt sie. Klaus ist anders. „Man muss immer ein bisschen Abstand halten. Die Zeiten, in denen ich irgendwo dazwischen gegangen bin, sind lange vorbei.“ Deshalb erzählt vor allem Daniela die fiesen Geschichten. Von Frauen, die sich über sie erbrochen haben. Von Männern, die ihr an die Brüste griffen. Oder sie anpinkelten. „Na ja, so ist es halt“, sagt sie.

Um halb elf kommt das erste Mal jemand auf die beiden zu. „Was, wenn mein 16-jähriger Kumpel so betrunken wäre, dass wir ihn zu euch bringen müssten?“, fragt er. „Dann müssen wir seine Eltern oder die Polizei anrufen“, antwortet Klaus. „Dann lieber nicht“, sagt er. Dabei haben Daniela und Klaus den Kumpel schon lange im Visier. Völlig betrunken taumelt er über den Platz. „Solange jemand da ist, der sich um ihn kümmert, greifen wir nicht ein“, sagt Daniela.

Arbeit gibt es kurz vor eins. Ein Jugendlicher ist vom Tisch gefallen und hat sich das Knie aufgeschlagen. „Mann oder Maus?“, fragt Daniela, als sie ihm mit einem mit Desinfektionsmittel getränkten Tuch die Wunde abtupft. Der betrunkene Jugendliche verzieht das Gesicht. „Schreibstu mir deine Telefonnumma aufn Verband?“, fragt er. Sie einigen sich auf ein Blümchen.

Kurz darauf kommt ein Junge mit Platzwunde. Er habe beim Feiern einen Bierkrug an den Kopf bekommen, keine Schlägerei. „Ich habs erst später gemerkt, als mir das Blut runtergelaufen ist.“ Daniela säubert die Wunde. Dann wieder Streife.

Der 16-Jährige taumelt immer noch über den Platz. Von seinen Kumpels keine Spur mehr. Nun bringt ihn der Sicherheitsdienst ins BRK-Heim und ruft seine Eltern an. „Es ist halt gesetzlich festgeschrieben, dass wir uns um ihn kümmern müssen“, sagt einer der Wachmänner. Er und der sturzbetrunkene Jugendliche plaudern über die Schule, bis die Eltern da sind.

Da ist es schon kurz vor zwei und die Band spielt immer noch. „So einen Donnerstagabend habe ich in den ganzen elf Jahren noch nicht erlebt“, sagt Daniela. Und meint damit nicht nur die Länge, sondern auch das hohe Gewaltpotenzial.

Immer wieder brechen kleinere Schlägereien aus, „der hat meinen Kumpel beleidigt“, schreit einer, der andere reißt sich die Kleider vom Leib. „Hör auf, hör auf“, kreischt die Freundin. Auf der anderen Seite des Festplatzes tauchen die Kumpels des 16-Jährigen wieder auf, einer erbricht sich auf den Fußballplatz, der andere steht pinkelnd daneben. Daniela und Klaus beobachten, sie können wenig tun, solange sich niemand verletzt. „Total untypisch“, sagt Daniela immer wieder. „Normalerweise ist es so schlimm erst am Sonntag.“

Ihre gute Laune kann das nicht trüben. Auch um halb vier, als der Platz endlich geräumt ist und das Team Feierabend machen kann, lacht sie noch. Bis Montag wird das wohl jeden Tag so sein. „Am Montag werde ich sagen: Nie wieder. Aber in drei Wochen denke ich dann doch: Ach, eigentlich war es schön“, sagt Daniela. Klaus nickt. „Die meisten Einsätze sind ja nette Sachen. Wir haben hier meistens unseren Spaß.“

Bilder