Wenn die Bauern nicht jedes Jahr zur Bodenbearbeitung über die Felder fahren müssen, sparen sie Sprit, Saatgut und Zeit. Wichtig ist aber in Zeiten des Klimawandels auch ein anderer Aspekt: Wenn der Boden nicht so oft bearbeitet werden muss, geht weniger Wasser durch Verdunstung verloren. Zudem ist der Boden durch den ständigen Bewuchs besser vor Erosion geschützt.
Vorteile bei Wassermangel
„Kernza wächst auch dort, wo es wenig Wasser gibt“, sagt Rasches Kollege Konrad Martin und nennt als Beispiel die Prärielandschaften Nordamerikas. Für die Intensivlandwirtschaft auf Äckern mit guter Wasserversorgung sei das tiefwurzelnde Gras dagegen kaum geeignet. „Durch den Klimawandel werden wir aber auch in Deutschland und Europa mehr trockene Standorte bekommen“, sagt der Forscher. Für den Bioanbau sei die robuste und wenig krankheitsanfällige Pflanze ebenfalls interessant.
Bis jetzt ist der Cousin des Weizens aber ein absoluter Exot. Das Land Institute beziffert die weltweite Anbaufläche auf gut 1600 Hektar. In Deutschland gibt es bis jetzt gar keinen kommerziellen Anbau, in den USA, Frankreich und Schweden wächst dagegen schon auf einigen Feldern Kernza. Allerdings sind die Erträge deutlich niedriger als bei den einjährigen Getreidearten. In Versuchen wird bisweilen weniger als eine Tonne Körner je Hektar geerntet. Bei Weizen können es unter optimalen Bedingungen bis zu zehn Tonnen sein.
Teilweise wird die komplette Pflanze als Tierfutter genutzt. Doch die kleinen Körner eigenen sich auch für die menschliche Ernährung. „Da könnte eine neue Marktnische für Landwirte und Verarbeiter entstehen“, meint Martin. So könnten Bäcker Brot und Brötchen mit Kernza-Beimischung als Spezialitäten anbieten. In den USA wird bereits Bier aus dem Getreide gebraut. Auch einen Kernza-Whisky kann sich der Agrarwissenschaftler sehr gut vorstellen.
Nicht nur auf den Ertrag schauen
Die Hohenheimer Forscher halten es aber für falsch, bei einer Nutzpflanze nur auf den Ertrag und die Verwertbarkeit zu schauen. „Es geht uns nicht nur um die Produktion von Nahrungsmitteln und Futter, sondern auch um positive ökologische Begleiteffekte innerhalb des Anbausystems“, sagt Rasche. Wenn der Boden über mehrere Jahre nicht bearbeitet wird, kann er mehr Kohlenstoff in Form von Humus speichern – ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.
Zudem sind die Lebensbedingungen für Regenwürmer und andere Bodenlebewesen oder bodennahe Insekten beim Anbau mehrjähriger Kulturen besser, weil sie nicht so oft gestört werden. „Die ersten Daten, die wir dazu ausgewertet haben, zeigen tatsächlich eine größere Vielfalt von Bodenlebewesen sowie eine insgesamt höhere Biomasse“, berichtet Martin. Er und Rasche sind überzeugt: „Mehrjähriges Getreide kann einen wertvollen Beitrag zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft leisten“. Sie hoffen, bald schon die ersten Landwirte oder Brauer in Deutschland für Versuche mit dem neuen Getreide gewinnen zu können.
Wenige Nutzpflanzen dominieren
Arten
Ein großer Teil der weltweiten Nahrungsproduktion beruht auf nur wenigen Nutzpflanzenarten. Gemessen an den insgesamt geernteten Mengen, stehen Zuckerrohr, Mais und Weizen auf den ersten drei Plätzen. Dahinter folgen Reis, Ölpalme, Kartoffeln und Sojabohne.
Alternativen
Von den mehr als 300 000 bekannten Pflanzenarten werden nur etwa 200 kommerziell genutzt. Es gibt also noch eine große Zahl potenzieller neuer Nutzpflanzen. Mehr Diversität auf dem Acker hätte nicht nur ökologische Vorteile. Sie könnte die Produktion auch krisenfester machen, weil Ernteausfälle bei einer einzelnen Pflanzenart nicht so stark ins Gewicht fallen würden. Durch den Klimawandel werden zudem trockentolerante Arten immer wichtiger.