Landwirte in Not Den Schweinebauern geht die Luft aus

Stau im Schweinestall: Schweinebetriebe haben Probleme, ihre Tiere abzusetzen. Foto: picture alliance/dpa/AP/Aaron Favila

Corona und Schweinepest haben die Preise für Schweinefleisch in den Keller stürzen lassen. Ferkelerzeuger sind besonders betroffen. Die Bauern fürchten um ihre Zukunft.

 
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Kulmbach - Zwei unterschiedliche Gesprächspartner, zwei identische Aussagen. „Der Preis ist eine Katastrophe“, sagen BBV-Kreisobmann Wilfried Löwinger aus Altenreuth bei Harsdorf und Ferkelerzeuger Gerhard Reif aus Gößmannsreuth. Die beiden Landwirte sprechen von dem Geld, das sie für Schweine bekommen. Der Preis ist in den Keller gerauscht. Besonders hart trifft das die Ferkelerzeuger. Sie sind, auch da sprechen Löwinger und Reif mit einer Stimme, inzwischen so weit, dass sie für ein Ferkel gerade einmal die Hälfte des Erzeugungspreises erhalten. Mit jedem einzelnen Tier zahlt der Bauer drauf. Wenn in dieser Misere, die auch durch die vielen Schlachthofschließungen aufgrund von Corona-Ausbrüchen entstanden ist, nicht bald Abhilfe kommt, fürchtet Wilfried Löwinger drastische Konsequenzen für die Schweinehalter. „Wenn das so weitergeht, bekommen wir nicht nur einen Strukturwandel, sondern einen Strukturbruch. Dann brechen mindestens 50 Prozent der Betriebe weg“, fürchtet Wilfried Löwinger. Es werde vor allem die kleineren und mittleren Höfe treffen, die Großen werden wachsen, sagt der BBV-Kreisobmann voraus. „Damit erreicht man dann genau das, was man eigentlich nicht will.“

Für die Familie Reif ist die Ferkelerzeugung ein wichtiges Standbein. Etwa 5000 Tiere pro Jahr werden in dem Stall in Gößmannsreuth geboren. Bis vor einigen Monaten hat die Welt der Reifs noch einigermaßen gestimmt. Dann kam Corona; Schlachthöfe wurden geschlossen, in den Ställen der Bauern wurden die Tiere immer mehr, ein Rückstau entstand. Dann stürzten die Preise in den Keller. Etwa 30 Euro pro Ferkel bekommen die Reifs momentan von den Mastbetrieben. Zwischen 60 und 65 Euro Kosten fallen an. „Und da bin ich noch in der Lage, dass ich meine Tiere wenigstens loskriege und immer noch Mastbetriebe habe, die bei mir kaufen“, erklärt Gerhard Reif, was ihn und seine Berufskollegen gerade umtreibt. Die Bauer verstehen nicht mehr, was gerade geschieht und vermögen die Last, die auf sie gelegt wird, kaum noch nachzuvollziehen, geschweige denn zu schultern.

Nicht nur Corona hat dazu beigetragen, dass der Markt für Schweine am Boden liegt. Als die Afrikanische Schweinepest zum ersten Mal in Brandenburg aufgetreten ist, sei über Nacht der Preis für Schweine um 35 Prozent gefallen, erzählt Gerhard Reif. „Keiner weiß, warum.“ Als die Corona-Pandemie Anfang dieses Jahres ausgebrochen ist, seien auch den Bauern viele Komplimente gemacht worden. Sie seien systemrelevant, sie ernährten die Menschen im Land, hieß es. Das habe aber nur kurz angehalten. „Jetzt haut man den Bauern jeden Tag eine neue Latte ins Kreuz. Ich habe schon gar keine Lust mehr. Ich bin mein ganzes Leben lang Bauer, und mein Beruf hat mir gefallen. Aber wenn man dann dauernd nur hört, dass alles falsch gewesen sein soll, was man gemacht hat, dann ist das bitter.“

Nun ist nicht nur die Stimmung schlecht auf den Höfen. Auch die Kassen leeren sich zunehmend. Im vergangenen Jahr haben die Reifs für ein Ferkel noch zwischen 85 und 90 Euro bekommen. Der Preis war gut, sagt Reif. Er weiß auch, dass die Preise Schwankungen unterliegen. Das sei normal. „In guten Zeiten legt man etwas zurück, um schlechte Zeiten auszugleichen. Aber das ist jetzt vorbei.“

Die riesige Differenz zwischen Kosten und Ertrag sei kaum zu schultern. Rund 150 000 Euro pro Jahr müsste Reif ausgleichen können, wenn das Preisgefüge so bleibt. Das ist unmöglich, vor allem, weil gleichzeitig von den Schweinehaltern Investitionen gefordert werden. In den kommenden Jahren sollen alle ihre Ställe umbauen, um das Tierwohl zu verbessern. Das sei unmöglich, sagt Reif. „Damit müssen wir zweimal Geld in die Hand nehmen. Da muss man finanzkräftig sein oder eine gute Bank an seiner Seite haben. Das Problem: Wir rennen immer mehr hinterher. Wir geben das Geld erst aus und müssen dann schauen, wie wir etwas wieder verdienen können.“ Das sei riskant. Es könne ja auch mal was schiefgehen, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch persönlich. Dann stehe der Betrieb mit dem Rücken an der Wand und gehe schließlich unter.

„Brutal ist das, einfach nur brutal, wie an mit uns umgeht“, sagt Gerhard Reif resigniert. Er versteht nicht, warum man es gerade bei denen, die das Land ernähren, so an Wertschätzung mangeln lässt. „Wir produzieren gesunde, hochwertige Nahrungsmittel für die Menschen, und die wissen das nicht zu schätzen. Die Leute gehen in den Supermarkt, kaufen dort ein und machten sich gar nicht bewusst, wo das Essen herkommt. Sie schimpfen auf die Bauern, die mit ihren Traktoren zu langsam unterwegs sind und beklagen sich über den Geruch. Das zehrt an unseren Nerven. Uns fehlen die Perspektiven.“

Was Reif besonders ärgert in dieser Situation, die er gerade mit allen Landwirten teilt, die Schweine erzeugen: „Die Schlachtbranche macht sich den Geldkragen voll. Sie kaufen billig Fleisch ein und lagern es. Im Laden ist das Schweinefleisch ja nicht billiger geworden.“

Genauso sieht das auch Wilfried Löwinger. „Die niedrigen Preise, mit denen man uns abspeist, kommen nicht bei den Verbrauchern an. Das macht es für den Kulmbacher Bauernverbandsvorsitzend doppelt ärgerlich. „Irgendwer macht sich in Deutschland gerade die Taschen voll. Der Einkaufspreis hat sich halbiert und an den Metzgertheken ist das Fleisch nicht billiger, sondern zum Teil sogar teurer geworden. Also muss es jemanden geben, der gerade richtig viel verdient. Das ist nicht in Ordnung, wenn da Leute nur an ihre Margen denken. Wir brauchen auch Margen. Das System passt nicht mehr zusammen.“

Löwinger schildert die Lage auf den Höfen. Viele haben investiert und Darlehen aufgenommen. „Da liegen zehn bis 15 Euro an Zins und Tilgung auf jedem Ferkel. Von dem Lohn für die Arbeit reden wir da noch gar nicht.“ Familienbetriebe seien, wenn sie keine fremden Arbeitskräfte bezahlen müssen, meist i der Lage, so etwas kurzfristig zu überbrücken. Aber natürlich gehe das nicht langfristig.

Löwinger erzählt von den Rückstaus in den Ställen, die aufgelaufen sind, seit immer wieder Schlachthöfe wegen Corona geschlossen werden müssen. 500 000 Schweine, die längst geschlachtet sein sollten, stehen laut Löwinger derzeit in deutschen Ställen. Nicht nur, dass die Tiere nicht verkauft und nicht abgeholt werden; sie werden auch immer schwerer. Damit falle noch mehr Fleisch an, der Druck auf den Markt werde noch größer. Ein Teufelskreis.

Aus dem können sich die Bauern ohne Hilfe nicht befreien, sagt Wilfried Löwinger. „Das wird ein Riesenproblem. Wir brauchen kurzfristige Lösungen.“ Die Bauern brauchen in der Krise finanzielle Hilfen, vielleicht sogar Liquiditätshilfen. Sie brauchen bessere Preise und sie brauchen Unterstützung beim Abbau des Rückstaus in den Ställen. „Die müssen wieder leer werden. Stattdessen wird der Stau jede Woche größer“ beschreibt Wilfried Löwinger die Situation. Für Wilfried Löwinger ist klar: „Wir brauchen einen Rettungsschirm für die Schweinehalter, sonst brechen die uns weg.“

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