Landkreis Kulmbach Fernunterricht trotz Krieg

Distanzunterricht bietet die Ukraine den geflüchteten Kindern im Ausland an. Doch auf Dauer ist das keine Lösung. Die wird im Landkreis Kulmbach gerade erarbeitet. Foto: /Nadine Weigel/dpa

Die Flüchtlingskinder aus der Ukraine werden derzeit oft digital von ihrem Heimatland aus unterrichtet. Schule in Deutschland: Das läuft gerade an und ist alles andere als einfach. Jetzt werden Helfer dafür vom Schulamt gesucht.

 
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Schulamtsleiter Michael Hack ist beeindruckt. In der Ukraine herrscht ein furchtbarer Krieg, und trotzdem schafft es das Land, den vielen Kindern, die flüchten mussten, wenigstens zum Teil Fernunterricht anzubieten. Mit Tablets oder Laptops wählen sich die Kinder ein und werden von ukrainischen Lehrern unterrichtet. So geht es nicht nur weiter mit dem Lernen, auch wenn die Schüler ihr Heimatland verlassen mussten. Zumindest digital können sich die auseinandergerissenen Klassen so sehen.

Doch auf Dauer wird das keine Lösung sein. Fieberhaft wird daran gearbeitet, die ukrainischen Kinder ins deutsche Schulsystem zu integrieren. Das ist aufgrund der Sprachbarrieren nicht einfach und erfordert zusätzliches Personal. „Pädagogische Willkommensgruppen“ sollen gebildet werden, erklärt Schulrat Hack. Dafür sucht er dringend Mitarbeiter. Pensionierte Lehrer wären ideal, aber auch Quereinsteigern steht dieses Angebot offen. Die Tätigkeit wird bezahlt. Ukrainische oder russische Sprachkenntnisse müssen nicht zwingend sein, würden aber die Arbeit sehr erleichtern.

Schulamt und Schulen stehen, wie auch der Direktor des MGF, Horst Pfadenhauer, inzwischen aus eigenen Erfahrungen berichten kann, vor großen Herausforderungen, für die es noch keine echten Lösungen gibt. Mit großen Anstrengungen werde gerade daran gearbeitet, einen Weg zu finden, wie Sprachbarrieren überwunden und den aktuell 156 ukrainischen Kindern, die bereits Schulen im Landkreis besuchen, eine Perspektive geboten und Sicherheit vermittelt werden kann.

Fünf ukrainische Kinder gehen derzeit in den Klassen sechs, sieben und neun zur Schule, berichtet Pfadenhauer. Der MGF-Direktor sagt offen: „Bisher ist es schwierig.“ Keiner der Schüler spricht Deutsch. Auch ihr Englisch ist nur eingeschränkt. „Wenn wir die in unsere normalen Klassen reinsetzen, ist es schwer für sie, den Unterrichtsstoff mitzubekommen.“ Auch das MGF setzt auf die Willkommensgruppen, die gerade gebildet werden. Deutschunterricht soll dabei der Schwerpunkt sein. Gemeinsam mit dem Schulamt arbeiten die Schulen daran, wie das praktisch umgesetzt werden kann.

Nach den Osterferien soll alles eingetaktet werden. Dabei werden, so gut es geht, auch die Mütter der ukrainischen Schüler eingebunden. Pfadenhauer hat sie am Montag empfangen. Lehrer haben ihnen das Schulhaus gezeigt, Sozialpädagogin Angelika Sachs engagiert sich, die Integration voranzubringen. „Als erstes müssen wir jetzt schauen, wie wir die Kinder so einordnen können, dass sie nicht überfordert werden.“

Pfadenhauer ist, wie auch Schulrat Hack, erleichtert über die Möglichkeit des Distanzunterrichts aus der Ukraine. Der funktioniere selbst in Kriegszeiten. Die Kinder sitzen in der deutschen Schule, unterrichtet werden sie via Internet aus der Ukraine. Das MGF steuert die Fächer Kunst, Sport oder auch Musik bei.

Für den Anfang gehe es aber um etwas anderes. Die Kinder sollen erst einmal ankommen, erklärt der Direktor. Weil keiner wisse, wie lange die Kinder bleiben, müsse man auf Dauer aber schon nach einer tragfähigen Lösung suchen. „Die Kinder brauchen Geborgenheit, Sicherheit, aber auch eine klare Zielvorgabe.“ Hinter jedem dieser Schüler stehe ein traumatisches Erlebnis. Flucht, Vertreibung, auseinandergerissene Familien, zerstörte Häuser und die rasende Angst um die Väter im Krieg. Schulpsychologin Julia Lippert kümmert sich um die Kinder. Und auch die Schüler des MGF sind voll im Boot. Soziale Kontakte, betont der Direktor, seien wichtig. „Unsere Schüler kümmern sich rührend um ihre neuen Mitschüler.“

Doch bei allem Bemühen: „Die Kinder haben es sicher gerade nicht leicht. Wir versuchen zu helfen, wie wir können.“ Momentan seien es am MGF nur fünf ukrainische Kinder, aber das werde nicht so bleiben. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht über die Grenzen unserer Kapazitäten kommen. Deswegen sind wir dem Schulamt für die Koordination und die enge Zusammenarbeit sehr dankbar.“ Eine pensionierte Lehrerin habe bereits ihre Mitarbeit zugesagt. Weitere Unterstützung werde gleichzeitig noch gesucht. „Wir helfen auf allen Ebenen alle zusammen und versuchen, auch unkonventionelle Wege zu gehen.“

Unkonventionell Lösungen zu finden, das ist auch der Ansatz für das Schulamt. Die Pädagogischen Willkommensgruppen sind ein Weg, Integration umzusetzen. Michael Hack stellt sich eine Staffelung vor: Eine Gruppe für Grundschüler, eine für die Sekundarstufe. Die Betreuer sollen dabei die Rolle einer festen Bezugsperson übernehmen, helfen, den Kindern Struktur zu geben. Die Willkommenskräfte sollen die Kinder an den deutschen Schulalltag heranführen, Kontakt zu den Lehrern halten, aber mit den Kindern auch mal Ausflüge machen und die Heimat auf Zeit kennenlernen.

Optimal, sagt Hack, wäre jemand, der Lehrer ist und Ukrainisch und Deutsch spricht. Aber das sei Utopie. „Deswegen suchen wir breiter.“ Erfahrungen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen sollten die Bewerber haben, die englische Sprache sollten sie können. Auch Ukrainer können sich bewerben. Die Bezahlung hängt von der Qualifikation ab, erklärt der Schulrat. Erste Bewerbungsgespräche habe er schon geführt. Es sehe ganz vielversprechend aus. Nach den Osterferien soll es im ganzen Landkreis losgehen, deswegen drängt die Zeit.

Oliver Hempfling vom Landratsamt betont: „Allen sollte es am Herzen liegen, dass wir uns um die Kinder kümmern, die so viel Schlimmes erlebt haben.“ Zum Alltag gehöre auch die Schule. Die Unterstützungskräfte, die das Schulamt jetzt im Auftrag des Freistaats sucht, werden immer wichtiger, je mehr Kinder im Landkreis Kulmbach ankommen. Wer mitmachen will in den Willkommensgruppen, kann sich ab sofort beim Schulamt bewerben. „Je mehr Menschen da jetzt mithelfen, um so leichter wird es für uns, ein passgenaues Angebot zu stricken.“

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