Schwarzenbach an der Saale - Und jetzt öffnet das Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach, das bundesweit einzige Museum für Comics und Sprachkunst, am Samstag erstmals seine Pforten.
Drei Jahre Bauzeit haben knapp fünf Millionen Euro verschlungen. Dass die Kommune rund 85 Prozent der Investitionskosten gefördert bekommt, zeigt aber auch, dass Geldgeber vielleicht doch nicht so knauserig sind, wenn jemand mit der richtigen Idee anklopft. Dr. Erika Fuchs (1906 bis 2005) war Übersetzerin und Chefredakteurin des Micky-Maus-Magazins und lebte 50 Jahre lang in Schwarzenbach an der Saale. Mit ihren Wortschöpfungen, Sprachspielereien und dem Einstreuen klassischer Zitate hat sie die deutsche Sprache bis heute geprägt. Die Idee, der Grande Dame des Comics in Schwarzenbach ein Museum zu widmen, wurde vor neun Jahren konkret, als Erika Fuchs ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte. Doch hat es bis zum Grundsatzbeschluss des Stadtrates noch sechs Jahre gedauert. Den Auftrag bekamen der Architekt Dominik Burkard aus Karlsruhe und die Ausstellungsplaner von Molitor aus Berlin.
Am Samstag um 11 Uhr öffnet das Museum mit einem Tag der offenen Tür. Danach hat das Museum täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Die Frankenpost hat vorab einen Blick ins neue Museum geworfen: Sechs Ausstellungsräume gibt es, die insgesamt zu einer Hommage an die Comics, an die Sprache und an eine große Frau geworden sind. Ein kleiner Rundgang in sechs Etappen.

Raum 1: Was sind Comics? Und seit wann gibt es Comics? Von der Geschichte der Bildergeschichten erzählt gleich im ersten Raum des Museums ein kleiner Film. Er streift zur Einstimmung auf die Welt von Entenhausen viele weitere der wichtigsten Meilensteine der Comic-Geschichte auf – von „Tim und Struppi“ über „Superman“ bis zu den „Peanuts“, den „Mangas“ und den anspruchsvollen „Graphic Novels“ von Will Eisner. Comics gibt es im Grunde seit es Menschen gibt. So könnte man zum Beispiel Zehntausende Jahre alte Höhlenmalereien als so etwas wie Ur-Comics bezeichnen. Überhaupt erzählen Künstler seit jeher durch Malerei, Skulptur und Architektur Geschichten. In mittelalterlichen Figurenportalen zum Beispiel. Oder im 17. und 18. Jahrhundert William Hogarth mit seinen derben Szenen in Kupferstichen. Comics haben eines gemeinsam: Jeder kann sie verstehen – vom Kind bis zum Senior. Mit Comics kann man Dinge erzählen, die man nicht in Worte fassen kann. Und von Orten berichten, die keine Fotokamera der Welt je erreichen kann. In Comics können Autos durch die Luft fliegen und Tiere sprechen. Enten zum Beispiel.

Raum 2: Entenhausen! Zum Herumspazieren! Auf 130 Quadratmetern entfaltet sich im zweiten Raum ein ganzer Kosmos – vom Stadtpark samt der Emil-Erpel-Skulptur über Dorettes Bauernhof bis zum Hafen. Ein erster Blick fällt durchs Fenster in Daniel Düsentriebs Werkstatt. Deprimiert sitzt der Erfinder vor seinen knatternden Gerätschaften; das Patent für seinen Regenbogenspanner wurde abgelehnt. Gegenüber wohnt Familie Duck. Die Tür steht offen, man darf eintreten. Tick, Trick und Track kommen gerade die Treppe herunter, im Salon steht Donalds grüner Lieblingssessel. Und ein Stück weiter kann man sich in Dagoberts Talern wälzen. Alle Vorlagen dieser begehbaren Comic-Welt stammen von dem großen Zeichner Carl Barks. Eine Grafikerin hat für die Ausstellung alle Vorlagen nachgezeichnet. Die Reproduktionen sind absichtlich zweidimensional, wie Comics eben. Dreidimensional wird die Welt dadurch, dass man in ihr herumspazieren kann. Entenhausen ist ein in sich abgeschlossener Kosmos. Doch immer wieder erlauben einem kleine Bullaugen in der Ausstellung einen Blick in andere berühmte Comicwelten. Das macht das begehbare Entenhausen sehr vielschichtig.

Raum 3: Gewidmet ist das Museum nicht nur den Enten, sondern vor allem auch der berühmten Disney-Übersetzerin Erika Fuchs. Ihr Leben hat der preisgekrönte Zeichner Simon Schwartz in einen Comic gepackt: Er erzählt von Erikas Geburt, wie sie sich einen Platz im Knabengymnasium erkämpfte und ihren Mann in einem Münchener Biergarten kennenlernte, wie sie die Debatte um das Schmuddel-Image von Comics erlebte und später mit Preisen überhäuft wurde. Einmalig: ihr entsetzter Gesichtsausdruck, wie sie zum ersten Mal Schwarzenbach erblickte. Und doch wurde das liebenswerte Städtchen an der Saale für fünf Jahrzehnte ihr Zuhause. Simon Schwartz zeigt, dass Comics nicht nur komisch, sondern auch hintergründig sein können: In einer Szene schiebt Erika Fuchs einen Kinderwagen an der Bahnhofstraße 12 in Schwarzenbach vorbei – Hakenkreuzflaggen flattern an der Fassade des Häuschens, in dem die NSDAP einst Büros hatte. Es ist genau die Stelle, an der jetzt das neue Museum für Comics und Sprachkunst steht.

Raum 4: Das Erika-Fuchs-Haus ist auch ein Museum für Sprachkunst. Aber wie stellt man so etwas Abstraktes wie Sprachkunst aus? In einer Vitrine schon mal nicht. Denn das Potenzial, ein Sprachkünstler zu sein, trägt schon jeder Museumsbesucher in sich. Damit spielt der vierte Ausstellungsraum. Hier gibt es ein „Onomatopoetisches Kabinett“, in dem man sich selbst Lautmalereien wie „Zong!“ oder „Krawumm!“ ausdenken kann. Der Computer vergleicht die eigenen Wortschöpfungen mit jenen von Carl Barks und Erika Fuchs. Dabei merkt man erst, wie schwer es ist, für ein Geräusch genau das passende Wort zu finden. Sprachgenie Erika Fuchs hat es sogar geschafft, die deutsche Sprache um eine Verbform zu bereichern: den Inflektiv, scherzhaft auch „Erikativ“ genannt. Aus der deutschen Sprache sind Inflektive gar nicht mehr wegzudenken: Wer kennt nicht „grins“ oder „freu“, „kopfkratz“ oder „grübel“ aus Internet-Chats? Im Sprachkunst-Raum kann man außerdem in Donald-Duck-Geschichten nach Zitaten von Goethe und Shakespeare suchen, man kann kuriose Worte wie „Schokoladen-Knödel“ generieren, einem Donald-Kopf unterschiedliche Gesichtsausdrücke verpassen oder sein eigenes Foto mit dem „Gefühlsinterpreten“ in einen Comic integrieren lassen – so wie es Museumschefin Dr. Alexandra Hentschel vorführt: Sie kann fast genauso gut entnervt gucken wie das Original.

Raum 5: Welch große Bedeutung das kleine Museum in Schwarzenbach an der Saale hat, zeigt der kleinste Raum der Ausstellung: Hier gibt es einige Werke der namhaftesten zeitgenössischen deutschsprachigen Comiczeichner zu sehen. Die Künstler haben extra für das Museum Comics gestaltet, denen ein Satz von Erika Fuchs zugrunde liegt. Vertreten ist zum Beispiel Ralf König, bekannt durch seine Comics „Kondom des Grauens“ und „Der bewegte Mann“. Auch Ulli Lust und Flix, Reinhard Kleist und Sarah Burrini, Nicolas Mahler, Aisha Franz und Martina Peters haben Unikate für das Schwarzenbacher Museum beigesteuert. Damit bildet der fünfte Ausstellungsraum eine Brücke zwischen Entenhausen, Erika Fuchs und der heutigen Comicszene.


Raum 6: Mehr Comics gefällig? Ans Museum angeschlossen ist eine kleine Bibliothek, die zum Schmökern, aber auch zum ernsthaften Studium einlädt. Neben den „lustigen Taschenbüchern“ gibt es viele andere Comic-Klassiker sowie zeitgenössische Geschichten, darunter Reinhard Kleists „Johnny Cash“ oder Nicolas Mahlers „Van Helsing macht blau“. Sogar das Strafgesetzbuch gibt es als Comic. Wer tiefer in die Welt der Comics eintauchen will, findet in der Bibliothek auch Sekundärliteratur, etwa eine Dissertation über Erika Fuchs. Wer selbst zeichnen lernen will, kann in Anleitungen blättern. Einige Büchervitrinen kann man absperren – um Comics mit frivoleren Szenen vor Kinderaugen zu verstecken. Comics sind eben auch etwas für Erwachsene.