Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, plädierte in der Zeitschrift "Politik & Kultur" dafür, die Frage von geeigneten Maßnahmen zur Prävention und Eindämmung von Antisemitismus im Kulturbereich "in einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu betrachten". Sie riet der Kulturpolitik unter anderem, Mittel und Zuständigkeiten für antisemitismuskritische Bildungsarbeit stärker zu koordinieren.
Zudem plädierte Wenzel dafür, "den gestiegenen Antisemitismus im Kulturbereich nicht mit zusätzlichen administrativen Maßnahmen einzudämmen, sondern mit dem Bereitstellen zusätzlicher Mittel für die Fortbildung des leitenden Personals von Kultureinrichtungen zur Stärkung ihres antisemitismuskritischen Urteilsvermögens".
Herrmann: Roth muss zurücktreten
Justizminister Buschmann sieht das Strafrecht gut aufgestellt, um antisemitische Äußerungen zu ahnden. Die strafrechtliche Beurteilung der Vorfälle sei Sache der zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte. Das politische Urteil aber sei für ihn klar: "Antisemitismus ist unerträglich", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Bayerns Staatskanzleichef Herrmann forderte Kulturstaatsministerin Roth zum Rücktritt auf. "Dieser offene Antisemitismus in der Kulturszene ist erschreckend", sagte er in München. "Frau Roth ist offenbar völlig überfordert mit dieser Aufgabe, weshalb sie auch als Bundeskulturstaatsministerin untragbar geworden ist und zurücktreten muss."
Wie zuvor andere Unionspolitiker bezog auch Herrmann den Berliner Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nicht in die Kritik mit ein. Wegner und Roth verfolgten die Gala in unmittelbarer Nähe. Beide reagierten erst anschließend und kündigten Untersuchungen der Vorgänge an. Die Berlinale wird vom Bund getragen und vom Land Berlin bezuschusst.
Roths Amtsvorgängerin Monika Grütters (CDU) sagte dem Stern": "Versagt haben die Kulturverantwortlichen, die Direktoren, die Institutionen, vor allem die Kulturpolitik." Zugleich warnte sie vor einer Debatte über die Streichung von Geldern für umstrittene Kunstprojekte. "Die auskömmliche Finanzierung der Kultur in Deutschland infrage zu stellen, ist fatal, weil das am Ende die Freiheit der Kunst gefährdet. Damit schüttet man das Kind mit dem Bade aus", sagte Grütters. "Wir müssen auch Widerspenstiges aushalten, das ist der eigentliche Wert der Kultur. Eine Demokratie lebt vom Widerspruch." Gleichzeitig forderte sie "Leitplanken gegen antiisraelische Hetze und gegen Antisemitismus".