Landesbunds für Vogelschutz 40 Jahre erfolgreicher Einsatz für die Natur

Wolfgang Neidhardt
Auch die Kanada-Gans ist ein tierischer Neubürger in der Region. Foto: /dpa/Rolf Vennenbernd

Bei der Feier der LBV-Kreisgruppe Wunsiedel würdigen die Referenten immer wieder die Verdienste des verstorbenen langjährigen Vorsitzenden Walter Hollering. Sie stellen die jüngste Entwicklung ihrer Naturschutzarbeit vor.

 
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Es war eigentlich sein Abend. Aber er durfte ihn nicht mehr erleben. Walter Hollering stand noch einmal im Mittelpunkt der Veranstaltung im Großen Saal des Landratsamtes. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) hatte eingeladen zur Feier des 40-jährigen Bestehens der Kreisgruppe sowie zur bewährten Veranstaltung „Ökologische Neuigkeiten“ aus dem Landkreis. Diese hatte der im September verstorbene Hollering als Kreisvorsitzender vor 20 Jahren ins Leben gerufen: zweiter Jahrestag. Dritter Grund zum Feiern: Der Naturpark Fichtelgebirge ist 50 Jahre alt – genauer: 51. Doch Jubiläen konnten im Vorjahr pandemiebedingt nicht gefeiert werden und werden deshalb nachgeholt.

Jörg Hacker, der Leiter des Naturparks, verband bei seiner Begrüßung die Rolle von dessen Organisation mit der Person Hollering – bildhaft: Ein Foto zeigt, wie er dem leidenschaftlichen Artenforscher die Leiter hält, damit der seltene Moose inspizieren kann. „Das dürft ihr als Symbol verstehen: Ich helfe euch dabei, gute Naturschutzarbeit zu leisten.“ Und kaum einer hat dies so intensiv und engagiert getan wie Walter Hollering.

Dessen langjährige Lebensgefährtin Martina Gorny stellte zunächst gemeinsam mit Werner Gebhardt zahlreiche seiner jüngsten Entdeckungen vor: seltene Moose – „kleine ökologische Sensationen“. Am Ende ihrer Ausführungen blickte sie in vielen Bildern auf das Wirken des Naturschützers zurück.

„Er hat sich in die Themen richtig hineingebissen, hat tagelang wertvolle Lebensräume untersucht und abends viele Stunden am Mikroskop verbracht“, erzählte sie. Das Ergebnis: „Fünf nach zwölf“ habe Hollering einige Arten entdeckt und gerettet, die außer im Fichtelgebirge in Bayern nur noch selten vorkommen und auf der roten Liste stehen: Zierliches Wollgras, Sumpf-Weichwurz, Sumpf-Fetthenne, Schlenker- oder Lölch-Segge. Viele dieser Pflanzen hatten hier früher ihre Heimat und finden sie jetzt wieder hier: in einem Zwischenmoor bei der Ziegelhütte in Marktredwitz, in einem Quellsumpf bei Oberweißenbach oder im Egertal.

Und Walter Hollering leistete auch Basisarbeit, damit andere weiterarbeiten können – etwa mit einem Gutachten aus dem Jahre 2018 zum Breiten Teich bei Selb, dem größten See im Landkreis. Um dieses Juwel kümmert sich der Bund Naturschutz unter Federführung des ehemaligen langjährigen Geschäftsführers Karl Paulus (wir berichteten). Er dankte dem langjährigen LBV-Chef posthum für die Grundlagen und stellte dieses sowie weitere Projekte vor, die er „als Unruheständler“ betreut: das Dangesbachtal bei Thierstein, den Krebsteich bei Höchstädt sowie zwei Biotope bei Weißenstadt. Rund 60 000 Euro stecken in diesen Projekten, die hohe staatliche Förderung genießen.

Letzteres trifft auch auf die Arbeit des Fledermaus-Spezialisten Stefan Schürmann zu, der die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt leitet. Die Sanierung der größten Kellergasse Bayerns am Fuße des Wunsiedler Katharinenbergs ist sein großes Projekt – und bei seinen Forschungen entdeckt er immer wieder neue Arten, wie die Beckstein-Fledermaus, die zwar in Deutschland zuhause ist, im Fichtelgebirge aber lange nicht gesehen worden war. „Hier müssen wir sie erhalten“, betonte Schürmann. Hier – das heißt auch an neuen Standorten wie der Grube Werra bei Weißenstadt oder am Steinberg.

Mit einem anderen Tier, dessen Bestand stark geschrumpft war, befasst sich seit einigen Jahren intensiv Stefanie Jessolat vom Naturpark Fichtelgebirge: dem Gartenschläfer. Zuhause ist er am Fuße der höchsten Erhebungen im Fichtelgebirge, vom Epprechtstein bis zur Kösseine – teilweise in wahrhaft kuriosen „Höhlen“, etwa in einem Mülleimer in Bischofsgrün. Damit das Tier diesen Ort seiner Nahrungsquelle verlassen konnte, bohrte sie „Fluchtlöcher“ hinein.

Neue Standorte diverser Vögel stellte schließlich Klaus Schmidt, passionierter Naturschützer und Jäger, in Kurzfilmen vor: die Turteltaube, die Kanada-Gans oder Blessgänse. Tiere kennen keine Grenzen – und siedeln sich hierzulande besonders gerne jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhanges in Tschechien an, etwa am Stausee Amerika bei Franzensbad. „Unsere Nachbarn leisten auf ihre Weise unkompliziertere und effektivere Naturschutzarbeit, als wir das können“, stellte Schmidt fest – unter anderem, weil im Nachbarland eine „typisch deutsche Forderung“ fremd sei: „damit es sauber aussieht …“ Aber auch vor Ort, in Schönbrunn bei Wunsiedel, hat der Hobbyforscher und -filmer einem Tier dazu verholfen, sich wieder ordentlich zu vermehren: dem Rebhuhn. Von 27 im Vorjahr ausgesetzten Tieren hat er in diesem Jahr noch 13 wiedergefunden.

Klaus Schmidt schloss sich dem allgemeinen Lob für den Naturschutz im Landkreis Wunsiedel an, das Karl Paulus so formulierte: „Wir verstehen uns als Partner und arbeiten ohne Eitelkeiten und Egoismen zusammen.“ Und so kann man – auch mit Hilfe der Unteren Naturschutzbehörde – ein verbreitetes Problem im Fichtelgebirge gut lösen, wie Schmidt sagte: „Artensterben geht nicht vom Traktor aus, sondern vom Schreibtisch.“ Die Arbeit der Naturschützer beschrieb Paulus mit den Worten: „Nicht mit der Käseglocke arbeiten, sondern auch mit dem Bagger“, um der zunehmenden Trockenheit und dem damit verbundenen Artenschwund entgegenzuwirken. Walter Hollering dürften die Referenten wohl fast immer aus der Seele gesprochen haben.

Hollerings Vorgängerin war eine von drei Geehrten an diesem Abend: Gudrun Seiler aus Wunsiedel hatte nicht nur die Organisation geführt, sondern auch die Vogelstimmenwanderungen ins Leben gerufen, die Walter Hollering dann einige Jahre lang mit großer Resonanz angeboten hat – ebenso wie seine Pilz-Exkursionen. Seiler ist 40 Jahre Mitglied im LBV wie auch Karl Paulus. „Du hast viel getan für die heimische Vogelwelt“, brachte Gudrun Frohmader-Heubeck vom Naturpark dessen Wirken auf einen Nenner. Für zehnjährige Treue ehrte der LBV auch Dieter Kammerer aus Marktredwitz, „mit dem seit Jahren die Sicht auf das Wasser an den geschützten Teichen Ziegelhütte gewährleistet ist“. Sie und viele andere Mitstreiter von Walter Hollering waren gekommen, nicht zuletzt um zu belegen, dass sie sein Werk fortsetzen.

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