Kreis Wunsiedel bereitet sich vor Wie das Fichtelgebirge Ukrainer empfängt

Wie viele Geflüchtete in den Landkreis Wunsiedel kommen, ist unklar. In Marktredwitz entsteht ein Erstaufnahmeeinrichtung. Die Immobilen-Börse zählt zwar schon 150 Angebote, aber größere Wohnungen fehlen immer noch.

 
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Was tun, wenn mit dem Bus oder der Bahn plötzlich geflüchtete Ukrainer im Fichtelgebirge ankommen? Um den Menschen schnell helfen zu können, wird seit Wochen hinter den Kulissen emsig gearbeitet. Beteiligt daran sind Verantwortliche des Landratsamts, der Städte und Gemeinden, des BRK, der Feuerwehr sowie aus Helfergruppen. Das größte Problem: Keiner kann sagen, wann was und wie viel gebraucht wird. Das gilt für Betten, Verpflegung und Impfstoff ebenso wie für Plätze in Kitas und Schulklassen.

500 plus Dunkelziffer

Aktuell seien rund 500 geflüchtete Ukrainern im Landkreis Wunsiedel gemeldet, erklärt Medienreferentin Anke Rieß-Fähnrich. Hinzu komme eine schwer abschätzbare Dunkelziffer. Denn die Ankömmlinge müssten sich nicht sofort registrieren, sondern hätten drei Monate Zeit dafür. Wer bei Verwandten oder Bekannten untergekommen sei und hoffe, bald in seine Heimat zurückzukehren, melde sich nicht unbedingt gleich offiziell an. Allerdings habe es zwei entscheidende Vorteile, sich registrieren zu lassen, betont Rieß-Fähnrich: Denn dann könnten die Geflüchteten Leistungen beantragen und dürften arbeiten.

Mahlzeiten im Jugendzentrum

In Marktredwitz wird gerade die Dreifachsporthalle im Schulzentrum zur zentralen Erstaufnahmeeinrichtung im Fichtelgebirge umfunktioniert. Eine Busladung mit rund 50 Personen könne hier vorübergehend unterkommen, erklärt die städtische Pressesprecherin Claudia Hiergeist. Das Bamberger Ankerzentrum unterrichte das Wunsiedler Landratsamt meist sehr kurzfristig, wann Busse ankämen. Dann kümmerten sich die Verantwortlichen mit Mitarbeitern der der Stadtverwaltung, der Feuerwehr, des BRK und der Integrationsstelle um alles Weitere.

Wie lange die Dreifachsporthalle Erstaufnahmeeinrichtung bleibe, hänge von der Entwicklung des Krieges ab, sagt Claudia Hiergeist . Aktuell sei nur ein Hallenteil nicht für sportliche Zwecke nutzbar, zwei stünden für Schul- und Vereinssport zur Verfügung.

Das ändere sich, sobald Flüchtlinge in Marktredwitz ankämen. Dann baue das BRK in der Dreifachturnhalle einen Bereich mit Essen und Trinken auf sowie Tische, an denen Waren wie Hygieneartikel und Babynahrung verteilt würden, erklärt Hiergeist. Geplant sei, dass die Geflüchteten ihre Mahlzeiten im großen Veranstaltungsraum des Jugendzentrums Löschwerk einnehmen.

Landkreis erwartet Zuweisungen

Klar: Zunächst sei es wichtig, dass jeder ein Dach über dem Kopf habe. „Doch wer will schon länger in einer Turnhalle bleiben?“, fragt Anke Rieß-Fähnrich. Ziel sei daher, die Neuankömmlinge nach ein paar Tagen in der Marktredwitzer Turnhalle in Wohnungen umzusiedeln. Allerdings werde dies trotz der großen Hilfsbereitschaft immer schwieriger. Denn nicht nur die Ukrainer aus den Notunterkünften im Fichtelgebirge wollten in eigene Wohnungen umziehen. Der Landkreis bekomme von der Regierung zusätzlich weitere Geflüchtete zugewiesen – mit dem Auftrag, sie zu beherbergen.

Dank der Erstaufnahmeeinrichtung in Marktredwitz sei man zwar „für den Fall der Fälle gerüstet“, aber es gelte die Menschen schnell weiter zu verteilen, bevor die nächsten ins Fichtelgebirge geschickt würden. Auch Geflüchtete, die fürs Erste bei Verwandten oder Bekannten Unterschlupf gefunden hätten, wünschten sich spätestens nach einigen Wochen eigene Bleiben.

Familien brauchen mehr Platz

„Die Resonanz auf unsere Immobilen-Börse war sehr gut“, freut sich Rieß-Fähnrich. Über 150 Angebote unterschiedlichster Größenordnung kamen über das Online-Portal zusammen: vom kleinen Zimmer ohne eigenes Bad bis hin zur Drei-Zimmer-Wohnung. Allerdings sei alles Brauchbare längst weg. Daher bittet das Landratsamt: Jeder, der noch Wohnungen längerfristig vermieten könne, solle sich melden.

Besonders am Herzen liegt den Verantwortlichen, denjenigen Geflüchteten ein vernünftiges Dach über dem Kopf anzubieten, die sich für das Fichtelgebirge entschieden, weil hier Familienmitglieder oder Freunde leben. „Wer hier Anschluss hat, möchte vielleicht langfristig dableiben“, hofft die Medienreferentin. Inzwischen fragten die Einwohnermeldeämter im Landkreis gleich nach der Qualifikation, wenn Ukrainer sich registrieren ließen. Jobsuchende könnten sich direkt danach bei Agentur für Arbeit melden. Manch ein Arbeitgeber im Fichtelgebirge wäre bekanntlich sehr froh über neue Mitarbeiter.

Eigenmächtige Hilfe schwierig

Nicht glücklich sind die Verantwortlichen über eigenmächtige Rettungsaktionen. „Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht“, sagt Rieß-Fähnrich. Wer einfach losfahre, um Leute aus Krisengebieten zu holen, sei selbst für diese Menschen verantwortlich. Denn das Landratsamt müsse sich vorrangig um die Geflüchteten kümmern, die bereits bei Verwandten Unterschlupf gefunden hätten sowie um diejenigen, die die Regierung zuweise. „Wir dürfen in unsere dezentralen Unterkünfte nicht einfach Leute reinsetzen, die einer vor die Tür stellt.“ Außerdem reiche der Wohnraum im Fichtelgebirge jetzt schon nicht mehr aus.

„Aktuell ist es wirklich nicht sinnvoll, Menschen ohne die Garantie einer sicheren Unterbringungsmöglichkeit in den Landkreis zu holen, sie dann sich selbst zu überlassen und damit letztendlich vorhandene Strukturen zu überlasten“, bekräftigt Landrat Peter Berek.

Schulen heißen willkommen

Der Krieg in Ukraine bringt   neue Schüler ins Fichtelgebirge.  Der Wunsiedler Schulamtsdirektor Günter Tauber will  den Geflüchteten  möglichst schnell  einen Zugang zum Unterricht ermöglichen.   Taubers Schätzungen zufolge   halten sich mindestens 170 Geflüchtete im Alter zwischen sechs und achtzehn Jahren  im Kreis Wunsiedel auf. Etliche besuchen  schon  für sie passende Schulen.  
In der Selber  Bogner-Mittelschule gibt es eine  erste Willkommensgruppe.  19 Ukrainer,  vom Erstklässler bis zum Neuntklässler, sollen hier erst  einmal ankommen.  „Da geht es nicht ums Lernen, sondern darum, Alltagsstruktur und Vertrauen aufzubauen“, erklärt Tauber. Ausgelotet werde auch, ob es Traumatisierungen gebe – dann werde der Schulpsychologe eingeschaltet.  Ziel sei, in jeder Schulart eine solche Gruppe einzuführen. Solbad geklärt sei,  wie man jedem Kind  am besten weiterhelfen kann, werde es entweder in eine eigenständige Gruppe integriert   oder  in den Regelunterricht, den Sprachkurse ergänzen.

Tauber ist froh, dass  das Kultusministerium ihm nun  zusätzliches Personal bewilligt hat. Der Schulamtsdirektor  darf jetzt auch  ukrainische Lehrkräfte und Dolmetscher zur Unterstützung anstellen.   

Sirenen sollen niemanden erschrecken

Sorgen macht man sich im Wunsiedler Landratsamt  über die Wirkung des Sirenenalarms am 2. April. Wie üblich sind am ersten Samstag im Monat um 11.30, um 12 und um  12.30 Uhr drei verschiedene Sirenen zu hören. Wer mit Ukrainern  Kontakt hat, solle  ihnen erklären, dass es sich um einen  Probealarm handelt, damit die  Kriegsflüchtlinge  nicht erschräken, bittet  Medienbeauftragte Anke Rieß-Fähnrich. Manche Orte im Fichtelgebirge erwögen, den Alarm ganz abzustellen.

Infos über Hilfe, Spenden und Vermietung

www.landkreis-wunsiedel.de/buergerservice/ukraine-hilfen  

www.landkreis-wunsiedel.de/buergerservice/ukraine-hilfen/ukraine-spendenaktionen-sach

www.landkreis-wunsiedel.de/buergerservice/ukraine-hilfen/unterkunftsangebote

Telefonisch gibt es werktags von 8 bis 13 Uhr Beratung unter 09232/80 100.

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