Kontrast 2017: Haut dich vom Hocker

Von Michael Weiser

Tausend Minuten bewegter Bilder, 1500 Besucher: Kontrast 2017, das Bayreuther Fest der kurzen Filme, ist Geschichte. Es gelang im Zentrum der Beweis, dass Kino einen vom Hocker hauen kann - buchstäblich. Und den Publikumspreis holte der Film "Die Randgruppe" von Julius Grimm. Bleibt nur noch die Frage, wie er sonst eigentlich war, der Jahrgang 2017.

 
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Bayreuth spielt eine gewisse Rolle in der Szene der Kurzfilmer. Manchmal sogar die Hauptrolle. Beim Festival Kontrast sowieso, als Gastgeber. Und beim Kurzfilm "Les enfants, la colline verte et la mer" der Familie Hofmann aus Berlin im besonderen. Als Wunschort. Sitzen da zwei kleine Kinder, Mädchen und Bub. Sagt sie:  „Wir wollen an einen Ort mit Vergangenheit, der Geschichte atmet und doch weltgewandt ist.“ Und er fügt entzückend altklug hinzu: „Und umstritten muss er sein. Wir suchen den Diskurs.“ Und sogleich kommt Haus Wahnfried ins Bild. Heike Hofmann spielt auf der Blockflöte den "Ritt der Walküren", während die Sprösslinge mit Schwert und Hörnerhelm irgendwas mit Nibelungen machen. Thomas Hofmann bedient ein Schlaginstrument.

Verrückt. Das aber auf hohem Niveau

Dieser Film, eine Persiflage auf den französischen Kunstfilm, erklärt ganz gut, worin der Charme von Kontrast liegt. Erstens: Die Filme sind oft ziemlich verrückt, das aber auf hohem Niveau. Zweitens: Man ist international, das aber mit Heimatbezug. Und drittens: Man kommt gerne wieder. Die Aufnahmen von Wahnfried entstanden vergangenes Jahr, als die Familie Hofmann auch schon das Kurzfilmfest besuchte.

Die 18. Auflage von "Kontrast" im Zentrum: Sie war entspannt und gleichzeitig geschäftig. Es kommen eben gerne die, die schon immer kommen. Viele Helfer seien von Anfang an dabei, sagt der Festivalleiter Michael Kolb, "längst helfen auch schon die Kinder mit". Und das auch nicht mehr nur als Ansager im Kinderfilmblock am Sonntag.

Mehr Filme als je zuvor

Unter sich ist man in Bayreuth dennoch nicht - das Festival wächst und wächst. 450 Filme aus 40 Ländern waren für "Kontrast" 2017 eingereicht worden, 100 mehr als im Vorjahr. Mittlerweile kümmern sich Agenturen um die Vermarktung der Kurzfilme. Für sie ist Bayreuth mittlerweile eine wichtige Adresse. Die Leute seien nett, es sei familiär, man werde gut aufgenommen, sagt Cristina Moreno, die eine Schule für Kinomacher in Madrid vertritt. ",Kontrast' ist aber auch Börse und Branchentreff." Sie ist für 24 Stunden nach Bayreuth gereist, um Kontakte zu knüpfen und für spanische Filme zu werben. Ohnehin nehmen die Spanier das kleine Format besonders ernst: 2017 waren sie in Zahl und Klasse gleichermaßen stark vertreten.

Chaos und Motoren

Manche zeigen beim Festival nicht nur ihre Filme, sondern organisieren gleich noch mit. Wie Barry Bling & Mr Velvet alias The Orchestra of Chaos, die Band, die zur Festivalfeier Performance zu Musik im Casio-Sound und den Kontrast-Trailer zwischen den Blöcken beisteuerte. "Gebt euch vor der Musik besser ein paar Drinks", sagte Harry Pressdee, der Mann hinter dem Chaos-Orchester. Er präsentierte auch noch einen selbst für "Kontrast"-Verhältnisse ziemlich schrägen Musical-Kurzfilm: "Marvellous Motors".

Das bringt Sympathien, nicht immer aber Preise. Die Auszeichnung des Publikums erhielt Julius Grimm mit seinem Streifen "Die Randgruppe", eine tiefschwarze Komödie über das Anstehen auf einem Hochhausdach und Organisationsprobleme bei Selbstmördern. Dafür gab es den Sparkassenpreis. Den TMT-Sonderpreis sprach die Jury Liam Saint-Pierres Künstler-Doku "The Reinvention of Normal" zu. Neben der "Randgruppe" war dies der zweite Film aus dem Eröffnungsblock am Freitag. Am Dienstag hatte bereits die Sübkültür an der Kämmereigasse eine Auswahl von Filmen gezeigt: Den "Gülden Glöbe" gewann "Last Call Lenny" von Julien Lasseur. Erstmals wurde der Knax-Kinderfilmpreis vergeben - an "Opossum" von Paul Cichon.

"Selfie from Hell" von Erdal Ceylan. Quelle: Youtube

Hohe Qualität, meist skurril, oft sehr witzig, gab es aber vor allem am Samstagabend. Dazu den Nachweis, dass einen auch Kurzfilme vom Hocker hauen können: "Selfie from Hell" von Erdal Ceylan ließ nicht nur sensible Gemüter vor Schrecken vom Hocker auffahren. Als Zuschauer sieht man's kommen und kann sich doch nicht wehren (mehr verraten wir nicht).

Begeistert von Wahnfried

Ganz sicher wird "Kontrast" weiter Filmemacher und Fans aus der ganzen Welt anziehen und überhaupt auch langfristig beeindrucken. Wie die Kinder von Thomas und Heike Hofmann. Bayreuth an sich finden auch die Eltern super, den beiden Zwergen aber hat es vor allem Haus Wahnfried angetan. "Die waren total begeistert", sagt Thomas Hofmann. "Also werden wir da morgen wieder hinschauen."

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