Knie, Herz, Blinddarm: Manche Operationen werden in unserer Region besonders oft durchgeführt In der Region Bayreuth wird man schneller operiert als woanders

Von Peter Rauscher
Muss es rein oder nicht: So sieht ein künstliches Knieglenk aus. Foto: dpa Foto: red

Ob ein Patient operiert wird, hängt offenbar auch davon ab, wo er lebt. Bei künstlichen Kniegelenken, Defibrillatoren und Blinddarm liegt die Region um Bayreuth bundesweit mit vorn.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Herzkranker einen Defibrillator implantiert bekommt, ist im Raum Bayreuth/Kulmbach fünf- bis sechsmal höher als in Rosenheim. Künstliche Kniegelenke werden im Landkreis Bayreuth beinahe drei Mal öfter als im Landkreis Rostock neu eingesetzt. Im Landkreis Bayreuth kommt es gut drei Mal so oft pro Einwohner zu Blinddarmoperationen wie in Schwerin. Das ergibt sich aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, die am Freitag in Gütersloh vorgestellt wurde. 

Im sogenannten Faktencheck Gesundheit untersuchte die Stiftung regionale Unterschiede bei neun Operationsarten im stationären Bereich in Deutschland von 2007 bis 2012. Dabei ergaben sich regional deutlich Abweichungen, die medizinisch ebensowenig zu erklären seien wir durch unterschiedliche Altersstrukturen. 18 von 20 Landkreise mit den höchsten Raten an Kniegelenks-Operationen liegen demnach in Bayern.  "Das Ausmaß der regionalen Unterschiede innerhalb Deutschlands bleibt über die Jahre hinweg bei den einzelnen medizinischen Eingriffen nahezu gleich. Und es sind auch überwiegend dieselben Regionen, die konstant unter besonderer Über- oder Unterversorgung leiden", heißt es in einer Mitteilung der Bertelsmann-Stiftung. Stiftungsvorstand Brigitte Mohn wird mit den Worten zitiert:  "Offensichtlich spielen hier andere Faktoren eine Rolle als nur die medizinische Notwendigkeit." HInter den Unterschieden könnten sich in einigen Regionen "echte Fehlentwicklungen" verbergen.

Wird also zu viel operiert, weil vielleicht zu viele Ärzte zu viel Geld verdienen wollen? "Wer so argumentiert, macht es sich zu einfach", sagt Jan Hacker, Geschäftsführender Partner von Oberender & Partner, Bayreuther Unternehmensberatung im Gesundheitswesen. Er lobt die Studie als fundiert, regionale Unterschiede bei der Einsetzung künstlicher Knie- und Hüftgelenke seien seit langem bekannt, aber nicht einfach erklärbar. "Eine Fülle von Faktoren kann eine Rolle spielen", sagt Hacker: Eine mögliche Erklärung sei zum Beispiel, dass in Regionen mit besonders vielen gut verdienenden Menschen und besonders hohem Bildungsgrad ein besserer Informationsstand über Therapiemöglichkeiten und eine größere Nähe zum Gesundheitswesen bestehe, während Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad aus Angst solche Eingriffe eher zu vermeiden suchten. Hacker gibt zu bedenken, Abweichungen einzelner Landkreise seien nicht überzubewerten, weil die Statistik bei kleinen Einheiten fehleranfällig sei.  Bei einer Blinddarm-Operation habe der Patient zudem keine Wahl, beim Einsetzen künstlicher Knie- und Hüftgelenken sehr wohl.

Hacker will deshalb in seinen Forderungen nicht so weit gehen wie die Bertelsmann-Stiftung, die klarere medizinische Leitlinien für Ärzte und strengere Kontrollen verlangt, wann Operationen wirklich nötig sind. Er unterstützt allerdings das Plädoyer der Studienautoren, die Patientensouveränität zu stärken, Patienten besser zu informieren und ärztliche Zweitmeinungen zu hören, wenn es um die Frage geht, ob man sich ein künstliches Gelenk einsetzen lassen soll.(https://faktencheck-gesundheit.de)