Kliniken droht Ende der Geburtsstationen Bayreuther Hebammen können ihre Versicherung nicht mehr bezahlen

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Drastisch gestiegene Versicherungsbeiträge machen Hebammen das Leben schwer. So auch Julia Bauer, Cordula Hartl und Friederike Engelen (von links) aus der Bayreuther Hebammen Praxis. Foto: red

Ihr Hobby? Hebamme! Denn von dem Beruf können immer weniger Frauen leben. Seit Anfang Juli ist deren Pflichtversicherung um mehr als 1000 Euro gestiegen. Zu viel für viele. Sie geben auf. Die Folge: Den Krankenhäuser in Bayern könnten bald die Hebammen ausgehen.

 
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Als Cordula Hartl (37) vor 17 Jahren anfing, überwies sie 400 Mark im Jahr an ihre Versicherung. „Anfangs eine Ausgabe, jetzt eine Existenzfrage.“ Die Bayreuther Hebamme muss seit 1. Juli 6247 Euro an Haftpflichtversicherung pro Jahr bezahlen. Sie macht mit ihren Kolleginnen außerklinische Geburtshilfe, also bei Frauen, die zu Hause ihr Kind zur Welt bringen wollen. 20 bis 30 Geburten pro Jahr sind es, mehr nicht. 803,08 Euro kostet eine. Erst wenn Hartl acht Kinder zur Welt gebracht hat, hat sie die teure Versicherung bezahlt. Auch sie steigt aus. Mit zwei eigenen Kindern kann sie gar nicht mehr andere Kinder auf die Welt bringen, um ihren Versicherungsbeitrag zu bezahlen. Sie befürchtet: „Außerklinische Geburten wird es in Bayreuth bald nicht mehr geben.“

Dramatische Lage

Geht es nach dem Deutschen Hebammenverband (DHV) in Berlin, sieht die Lage noch dramatischer aus. Bei einem Viertel aller Geburten sind freiberufliche Hebammen dabei. „In Bayern sind die meisten Hebammen freiberuflich“, sagt Nina Martin, Sprecherin des DHB. „Wenn die wegfallen, wäre das eine Katastrophe.“

„Das ist auch so“, seufzt Susanne Weyherter. Die zweite Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverbandes (BHLV) begründet es so: „Weil in Bayern die meisten Krankenhäuser ein Belegsystem haben.“

Freiberufler in den Kliniken

Die Hebammen, die in den Krankenhäusern arbeiten, haben zwar einen Vertrag mit der Klinik, sind aber Freiberufler. Sie müssen also ihre Versicherung selbst bezahlen. Das werde vielen zu teuer. Weyherter: „Für viele Krankenhäuser würde das bedeuten: keine Geburtshilfe mehr.“ Die nackten Zahlen legen diese Befürchtung näher: Nach einer Erhebung des BHLV aus dem Jahr 2013 betreuen die freiberuflichen Hebammen mehr als die Hälfte der 106 692 Geburten in Bayern. Auch in den größten Geburtskliniken wie der Hallerwiese in Nürnberg sei das so, sagt Weyherter.

Nur 2200 Geburten fanden 2013 außerhalb einer der 116 Kliniken in Bayern statt – natürlich mit Hebammen. Denn die sind gesetzlich vorgeschrieben bei einer Geburt, nicht der Arzt.

Warum so wenige Geburten außerhalb der Kliniken? „Für Frauen, die sich dafür entscheiden, ist Klinik was ganz Schlimmes“, sagt Hebamme Hartl. Es zählt die „emotionale Ebene“.

Kliniken an der Grenze

Die meisten Geburten finden laut Statistik in kleineren Krankenhäusern statt. Dabei sind viele Kliniken schon jetzt an ihrer Grenze. 16 Kliniken geben an, keine räumlichen Kapazitäten für mehr Geburten zu haben. In den Kliniken mit mehr als 1500 Geburten hat nur eine Abteilung räumliche Kapazitäten für eine höhere Geburtenzahl. Kreißsaal und Wochenstation sind auf 1800 Geburten pro Jahr ausgelegt, tatsächlich hatte die Klinik 2013 aber 2317 Geburten. Dabei steigt laut BHLV die Arbeitsbelastung: 19 Geburts-Abteilungen geben in der Befragung an, massive Probleme bei Neubesetzungen von offenen Stellen zu haben. Selbst in Abteilungen mit Hebammenschule käme es zu Problemen bei der Neubesetzung von Stellen.

Es wird also enger mit der Versorgung. Dabei betont Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) gegenüber dem Kurier: „Ich unterstütze die Arbeit der Hebammen seit Jahren aus tiefer Überzeugung.“ Man müsse „auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige Versorgung in der Geburtshilfe überall in Bayern erhalten.“ Und sie hat den Hebammen Unterstützung zugesichert. Im Mai hat sie an den Krankenkassen-Spitzenverband und die Hebammenverbände appelliert, die laufenden Verhandlungen auf Bundesebene „erfolgreich abzuschließen“. Der Appell verhallte.

Schiedsgericht eingeschaltet

Zurzeit bildet sich ein Schiedsgericht, das klären soll, ob und wie die Krankenkassen die Mehrkosten der Haftpflichtversicherung abfedern sollen. Das kann drei Monate dauern. Und es wird nicht in Bayern entschieden, sondern in Berlin für alle Hebammen. Es seien weniger als 3000, heißt es beim DHV, Tendenz fallend.

Und mit Hartl jetzt noch eine weniger. „Die Versicherung kann sich eine alleinstehende Hebamme leisten, die sauviel arbeitet.“ Sie kann es sich nicht mehr leisten.

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