Kirchen-Umbruch: Ein Laie auf der Kanzel?

Nicht mehr nur Priester sollen künftig Gemeinden leiten. Foto: Daniel Karmann/dpa Foto: red

Bislang war klar: Der Pfarrer hat das Sagen in der Pfarrgemeinde. Das könnte sich ändern. Im Erzbistum München und Freising startet ein Pilotprojekt, das alte Traditionen über den Haufen wirft. Ein Umbruch in der Geschichte der Kirche, formuliert es Erzbischof Marx.

 
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Bislang steht im Erzbistum München und Freising an der Spitze einer Pfarrei immer ein Pfarrer. Das soll sich ab Herbst ändern. In ausgewählten Pfarrverbänden darf sich der Priester dann im Rahmen eines Pilotprojektes die Leitung mit Haupt- und Ehrenamtlichen teilen.

«Im Team ist keiner der Chef», erklärte der Kardinal und Erzbischof Reinhard Marx am Montag in München bei der Vorstellung des Projektes «Pastoral planen und gestalten». Das Modell soll die Priester von den vielfältigen Aufgaben entlasten, die neben Seelsorge und Gottesdiensten mit dem Leiten einer Pfarrei verbunden sind, etwa von der Personalführung oder der Verwaltung.

«Das ist ein großer Umbruch, den wir erleben in der Geschichte der Kirche», sagte Marx. In der Tat steht die Entscheidung im Gegensatz zur bisherigen Linie des Kardinals, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist. Kurz nach seinem Amtsantritt in München im Jahr 2008 hatte er noch gefordert, dass jede Pfarrei von einem Priester geleitet werden müsse. Weil es nicht genug Geistliche für alle Pfarreien gab, wurden deshalb viele Gemeinden zu großen Pfarrverbänden zusammengelegt.

Wandelt sich das Berufsbild des Pfarrers?

Marx sprach in dieser Hinsicht nun von einem Lernweg: Er sei zu der Erkenntnis gelangt, dass die Einheiten nicht immer größer werden könnten, um sie an die Zahl der Priester anzupassen. Eine Kirche müsse noch vor Ort verwurzelt sein. Die Pfarrei, in der ein Pfarrer alleine eine Gemeinde leite, sei ein Auslaufmodell. Bereits jetzt werden Pfarrer unterstützt, etwa von pastoralen Mitarbeitern oder Verwaltungsleitern.

Ende März soll feststehen, welche Pfarrverbände für das Pilotprojekt in Frage kommen. Die Ausgestaltung soll dann an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden: Hier könne sich jeder mit seinen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit einbringen. Gesteuert werden die Teams auf Dekanatsebene.

Die Projektplaner gehen davon aus, dass sich auch das Berufsbild des Priesters wandeln wird. Eine Pfarrei sei vergleichbar mit einem mittelständischen Betrieb mit bis zu 100 Mitarbeitern. Die Leitung sei eine komplexe und betriebswirtschaftliche Aufgabe. Dafür sei nicht jeder geeignet. So mancher Priester konzentriere sich lieber auf die Seelsorge.

"Jede konkrete Glaubensgemeinschaft braucht Leitung, braucht Identifikation"

Auch in anderen bayerischen Bistümern führen sinkende Priesterzahlen zu Veränderungen. Pfarrgemeinden werden zu Großpfarreien, sogenannten pastoralen Räumen, zusammengefasst. Würzburgs Bischof Friedhelm Hofmann schrieb Anfang des Jahres in einem Brief an die Gläubigen, dass die Gesamtleitung eines pastoralen Raumes weiterhin beim Pfarrer liegen werde, aber: «Jede Gemeinde innerhalb des pastoralen Raums, jede konkrete Glaubensgemeinschaft braucht Leitung, braucht Identifikation, und dies kann nur durch unsere vielen hauptberuflich und ehrenamtlich Engagierten geleistet werden.» 

Auch in Bamberg gebe es Überlegungen, dass etwa ein Pastoralreferent eine Gemeinde aus einer Großpfarrei betreuen könnte, sagte eine Sprecherin. Im Bistum Eichstätt könnten Teilbereiche einer Pfarrei von einem Laien verantwortet werden. In Passau haben Priester und Seelsorger ein Konzept entwickelt, nach dem hauptamtliche pastorale Laien Bestattungen durchführen könnten, wie ein Sprecher sagte.

dpa

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