Kein Einzelfall, sagt Diabetesberaterin Sandy Petermann. "Den Umgang mit dem Blutzuckermessgerät und Spritzen beherrschen nach dem Intensivtraining sogar Kindergartenkinder", sagt sie. Aber immer wieder hätten Eltern Probleme, für ihre Kinder einen Kindergarten oder eine Schule zu finden, weil die Mitarbeiter sich das nicht zutrauten. Petermann hat deshalb schon "so ziemlich jeden Kindergarten in Stadt und Region" besucht, um die Mitarbeitern zu erklären, was sie im Umgang mit Diabetes-Kindern beachten müssen.
Wird Justin albern, wird's ernst
Yvonne Remitschka weiß, wann sie aufpassen muss: Wenn Justin aggressiv oder albern wird. Ein Zeichen, dass sein Blutzucker nicht stimmt. "Dann wird das Gehirn nicht richtig durchblutet, hat uns die Ärztin erklärt." Und noch etwas weiß sie: Bei Stress schwanken Justins Werte. Dann misst sie sogar um 2 Uhr nachts den Blutzucker ihres schlafenden Sohns.
Mit einer Insulinpumpe mit integriertem Blutzuckermessgerät, wie sie sich auch Justin wünscht, hätten es Patienten leichter, sagt Steffen Mühldorfer, Chefarzt der Gastroenterologie. Sie haben weniger Einstichstellen, und das Insulin kann noch besser dosiert werden. "Das ist medizinisch sinnvoll, weil die Patienten seltener in den Unterzucker kommen", sagt Mühldorfer. Aber die Krankenkassen bezahlen das normalerweise nicht." Die Geräte kosten etwa 1000 Euro mehr. "Das ist die Zukunft", ist Mühldorfer überzeugt.
Die wird für Justin und seine Eltern schon in ein paar Jahren spannend. "Dann kommt die Pubertät und die Kinder rebellieren", sagt Chefarzt Mühldorfer. Das kann gefährliche Folgen haben, wenn Jugendliche zum Beispiel an ihrem Blutzucker drehen, um abzunehmen. Diabetesberaterin Petermann schult dann erneut. Die Eltern, damit sie lernen, loszulassen. Und die Jugendlichen, damit sie für alterstypische Situationen gewappnet sind. Dazu gehört auch eine Cocktailschulung, damit sie trotz Krankheit mit ihren Altersgenossen feiern können.
Hintergrund: Immer mehr Kinder mit Diabetes
Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland werden wegen Diabetes behandelt. 1,3 bis 2,2 Millionen Betroffene wissen nach Schätzungen laut Deutscher Diabetes-Gesellschaft noch nichts von ihrer Erkrankung. Bei Kindern ist die Krankheit selten, nimmt aber ebenfalls zu - um etwa 200 Fälle pro Jahr. Im Klinikum Bayreuth kamen im vergangenen Jahr 20 Kinder mit neuer Diagnose oder wegen Therapieänderung in Behandlung - drei mehr als im Vorjahr.
90 Prozent aller Diabeteskranken haben Typ zwei, früher bekannt als Altersdiabetes, sagt Dr. Steffen Mühldorfer. Zusammen mit der Erbanlage sind Bewegungsmangel und Übergewicht die Ursache. Bei ihnen wirkt das Hormon Insulin nicht mehr richtig.
Bei Kindern überwiegt der Typ eins. Die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse werden vom eigenen Immunsystem zerstört, der Körper kann das Hormon ein Leben lang nicht produzieren. Insulin ist wichtig, damit Zucker aus dem Blut in Körperzellen gelangt. "Warum die Erkrankungen bei Kindern zunehmen und was sie auslöst, darüber wird immer noch spekuliert", sagt Mühldorfer. Wenn sie nicht behandelt wird, hat das Jahre später ernste Folgen: Schlaganfall, Herzinfarkt, Nierenleiden, Amputationen oder Erblindungen.
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