Inklusion Barrierefreiheit: In Bayreuth noch viel zu tun

Gerade für Gehörlose birgt Bayreuth viele Alltagshindernisse. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand/Symbolbild

Der Behindertenbeirat der Stadt sieht noch Nachholbedarf in Sachen Barrierefreiheit. Ein Gehörloser erzählt von seinen Problemen im Stadtgebiet.

 
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Die Stadt Bayreuth will weitere Bushaltestellen im Stadtgebiet barrierefrei umbauen. Dafür setzt sie laut Zweitem Bürgermeister Andreas Zippel (SPD) auf die Mithilfe des Behindertenbeirats. Die jeweiligen Haltestellen sollen dem Tiefbauamt gemeldet werden.

Zudem arbeite die Stadt an einem barrierefreien Internetauftritt. Bis Ende des Jahres sollen alle Formulare online und behindertengerecht zur Verfügung stehen. Bei den verlängerten Ampelzeiten würden künftig auch die Behindertenübergänge berücksichtig, versprach Zippel.

„Da liegt einiges im Argen“

Dennoch fielen dem Vorsitzenden des Behindertenbeirats, Reinhold Richter, einige verbesserungswürdige Punkte auf. So sei zum Beispiel der Behindertenbeirat bei den Plänen für einen neuen Nahversorger im Untergeschoss des Karstadt-Gebäudes nicht einbezogen worden. „Da liegt einiges im Argen.“

Beim Frühlingsfest seien die Toiletten nicht behindertengerecht erreichbar gewesen. Die Rampe sei zu steil gewesen und die Tür sei nur nach außen aufgegangen. Hier müsse die Stadt in Zukunft nachbessern.

Am Hohenzollernring sei die Grünphase an der Fußgängerampel immer noch viel zu kurz. Am Hauptbahnhof seien immer noch keine selbstöffnenden Türen installiert worden, die Bahnsteige nach wie vor teils schwer erreichbar. „Dabei steigt die Zahl der Behinderten auch in Bayreuth.“

Impfreihenfolge: Menschen mit Behinderung wurden vergessen

Auch seien bei der bundesweiten Diskussion über die Corona-Impfreihenfolge die Behinderten „total vergessen“ worden. Erst als er bei den Abgeordneten „angeklopft“ habe, seien Änderungen vorgenommen worden. „Wir müssen immer wieder den Finger heben“, sagte Richter. Denn sonst würden die Belange der behinderten Menschen nicht wahrgenommen.

Enttäuscht zeigte sich Richter darüber, dass der Stadtrat sich gegen den generellen Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern ausgesprochen hat. Der Grünen-Antrag, die Sitzungen jeweils in Gebärdensprache zu übertragen, war gescheitert.

Viele Alltagshindernisse für Gehörlose

Aus dem Alltag eines Gehörlosen berichtete Roland Reiß, Mitglied im Arbeitsausschuss des Behindertenbeirats. Zwei Dolmetscherinnen übersetzen für die Zuhörer. Gehörlosigkeit sei eine unsichtbare Behinderung, gebärdete Reiß. Sie werde erst bemerkt, wenn er direkt angesprochen werde oder sich mit anderen in Gebärdensprache unterhalte.

In der Schule habe er Lautsprache und Lippenlesen lernen müssen. Auch im Berufsleben versuche er, das anzuwenden, obwohl dies schwer sei. „Ich musste im Alltag viel durchmachen und kämpfen.“ Auch Pflegekräfte seien oftmals nicht geschult, um mit Gehörlosen umzugehen. Sie könnten nicht mit den Betroffenen kommunizieren.

Monitore wären eine Hilfe

Wenn er Behördengänge erledige, brauche er oft einen Dolmetscher, den er selbst bezahlen müsse, erklärt Reiß. Früher habe es ein Bildtelefon in der Stadt gegeben, beim dem allerdings der Bildschirm spiegelte. Ein Standort am Rathaus oder am Bahnhof wäre besser gewesen. „Aber man hat uns nicht gefragt und irgendwann war es wieder weg.“

Im Aufzug des Rathauses könne er zum Beispiel keinen Notruf absetzen. Wenn der Aufzug stecken bleibe, habe er keine Chance, sich bemerkbar zu machen. „Es gibt viele Barrieren, die für uns bleiben.“ Schon Monitore an den Bushaltestellen und Bahngleisen würden Gehörlosen den Zugang zu Informationen erleichtern. „Wenn etwas mit den Bussen in der Goethestraße ist, wissen wir es nicht.“

Gebärdendolmetscher kein Standard

Selbst bei wichtigen Sondersendungen im Fernsehen etwa zu Corona oder zum Ukrainekrieg, werde kein Gebärdendolmetscher zugeschaltet. „In anderen, kleineren Ländern als unserem geschieht das inzwischen automatisch. Das ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land.“ Untertitel würden in der Regel fehlen.

Die Grundlagen der Gebärdensprache sollte nach Reiß Ansicht jeder kennen. Die Forderungen nach einem bayerischen Gehörlosengeld blieben bislang erfolglos. „Ähnlich wie bei den Aphasikern wird diese Behinderung an den Rand gedrängt“, stellte Richter fest. „Andere Länder sind da viel weiter als wir.“

Zu wenig barrierefreie Wohnungen

Außerdem fehlten barrierefreie Wohnungen für Behinderte und Senioren. Zwar seien die Erdgeschosswohnungen in Neubauten meistens barrierefrei, doch häufig fehle ein Fahrstuhl, so Richter. Durch einen barrierefreien Umbau könnten sich die Betroffenen ihre Unabhängigkeit bewahren.

Meistens stellten die Treppe und das Badezimmer die größten Hürden dar, wie in einem Vortrag zweier Vertreter des Reha-Teams Nordbayern deutlich wurde. Mit Treppenliften, Rampen, flachen Türschwellen, Geländern, abgesenkten Stufen, Haltegriffen, kontrastreichen Farben und Bewegungsmeldern könne einiges relativ einfach verbessert werden.

Ein kompletter Umbau des Badezimmers könne schnell 40.000 Euro kosten. Allerdings gebe es dazu Zuschüsse vom Freistaat und der Pflegekasse, die KfW-Bank gewähre Kredite. Auch die Berufsgenossenschaften und die Rentenversicherung könnten helfen. Auskunft erteilt zudem die Wohnberatung der Stadt.

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