In Wunsiedel Planungen für Nahwärmenetz beginnen

red
Aus den Abfällen der Sägewerke werden im Energiepark Pellets und damit gespeicherte Wärme produziert. Foto: Matthias Bäumler

Ab 2026 können die Leitungen gebaut werden. Die SWW und die Stadt raten allen Hausbesitzern, wegen der Heizung nicht nervös zu werden.

 
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Kaum ein Thema ist in den vergangenen Monaten mehr diskutiert worden als das Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung. Viele Hauseigentümer sind angesichts der vielen unterschiedlichen Meldungen nach wie vor verunsichert. „Für uns hat deshalb die Unterstützung der Bürger bei den notwendigen Veränderungen absolute Priorität“, sagt Bürgermeister Nicolas Lahovnik laut einer Mitteilung. In enger Abstimmung zwischen Stadt Wunsiedel und der SWW werde der Ausbau des Wärmenetzes vorangetrieben und „niemand muss Angst haben, durch gesetzliche Bestimmungen überfordert zu werden.“

Zugute kommt den Bürgern in Wunsiedel, dass die Verantwortlichen die Wärmewende schon seit geraumer Zeit auf dem Schirm hatten. „Wir haben gemeinsam mit der Stadt Wunsiedel viele Vorarbeiten geleistet“, sagt Marco Krasser, Geschäftsführer der SWW Wunsiedel.“ So sei etwa das Quartierskonzept, verbunden mit einer groben Potenzialanalyse bereits lange bevor die Wärmeversorgung bundesweit in den Fokus rückte, erstellt worden. Auch seien bereits Vorranggebiete fixiert worden, weil man den Wärmebedarf fast aller Gebäude in der Stadt kenne.

Ziel: die hundertprozentige Versorgung

Ziel war und bleibt laut der Mitteilung die hundertprozentige Versorgung mit nachhaltiger Wärme in der gesamten Stadt. Statt Insellösungen wie isolierte Wärmepumpen zu propagieren, werde ganzheitlich gedacht – und das auch im Hinblick auf die sogenannte Sektorenkopplung. „Denn obwohl aktuell die Wärme das Megathema ist, sind Strom, Verkehr und Industrie damit zu ver-knüpfen. „Ausschließlich auf diese Weise lässt sich eine effiziente, CO2-freie, klimaneutrale Energieversorgung erreichen. Und nur die ist zukunftsfähig.“

Ursprünglich sollte bereits im Jahr 2024 mit dem Bau neuer Fernwärmeleitungen in Wunsiedel begonnen werden. Dann aber hat die Bundesregierung das alte Förderprogramm durch die neue Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) ersetzt. Damit musste Wunsiedel seine Projekte anpassen, um weiterhin Fördermittel beantragen zu können. „Und das ist nötig, damit der Wärmepreis dauerhaft stabil und bezahlbar bleibt“, sagt Nicolas Lahovnik. „Ich freue mich, dass jetzt der Förderbescheid mit fast anderthalb Jahren Verzögerung vorliegt.“

Neue Ausrichtung

Eine wirtschaftliche Optimierung sei im Interesse der Bürger, sagt auch Krasser. „Schließlich sind wir verpflichtet, mit unseren Einnahmen so sparsam wie möglich umzugehen.“ Das gesamte Projekt inklusive Fernwärmenetz und weiterer Fernwärmeerzeuger wurde daher nun neu ausgerichtet. Die Bewilligung der Fördermittel bezieht sich auf das erste Modul. Dieses umfasst Planungsleistungen, aber auch unter anderem Kundenakquise und Tarifbildung. Diese Phase soll innerhalb von eineinhalb bis maximal zwei Jahren abgeschlossen werden. Anschließend folgt die Beantragung der Fördermittel für die zweite Phase sowie nach deren Zusage weitere Planungen bis hin zur Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen. Das soll bis Ende 2025 geschehen, sodass die ersten neuen Leitungen Anfang 2026 verlegt werden dürften.

Wichtig ist es Lahovnik, Befürchtungen in der Bevölkerung zu zerstreuen. Weder seien bestehende Gasheizungen plötzlich sinnlos, noch müsse jeder sofort eine Wärmepumpe installieren. In Wunsiedel werde man die nötigen Technologien liefern, den Energiepark ertüchtigen, weitere Anlagen zur Erzeugung regenerativer Wärme bauen, aktiv Abwärme verwenden und noch vieles mehr. Die bestehende Gasinfrastruktur könne auch der Speicherung und dem Transport kohlendioxidneutral hergestellten Wasserstoffs dienen, und natürlich würden die Wärmenetze kontinuierlich ausgebaut. „Die Transformation ist unverzichtbar, doch wir gehen in Vorleistung. Wir lassen niemanden bei der Frage, wie er künftig zu Hause heizen soll beziehungsweise darf, allein“, betont Krasser.

Informationen für die Bürger

Zur Unterstützung gehört auch eine umfassende Information der Bürger. So soll es einen Newsletter, Flyer und eine Projektwebsite geben – unter anderem mit Details zur geplanten Trassenführung des Wärmenetzes, weiteren Details und der Möglichkeit, online einen Termin für eine individuelle Beratung zu vereinbaren. Im Herbst 2023 findet eine Auftaktveranstaltung statt, darauffolgend eine Fragebogenaktion. „Wir möchten so herausfinden, wo das Interesse an Nahwärme und einem Anschluss besonders groß ist“, so Krasser.

Eine zweite Veranstaltung ist für den Winter 2023/2024 vorgesehen. Auf dieser werden Vorverträge ausgegeben und die Tarife erläutert. Insgesamt laut Mitteilung ein ambitionierter Zeitplan, aber einer, der, so Krasser, den Menschen die Sicherheit gibt, begleitet zu werden. „Gemeinsam realisieren wir die Wärmewende, davon bin ich überzeugt. Und das höchstwahrscheinlich schneller als die meisten anderen Regionen in Deutschland“, ist Krasser überzeugt.

Fragen an Marco Krasser

Ambitionierte Pläne:
Die Pläne zum Wärmenetz der Stadt Wunsiedel und der SWW sind ambitioniert. SWW-Geschäftsführer Marco Krasser beantwortet unserer Zeitung die wichtigsten Fragen:

Sie sagen, es werden weitere Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien gebaut werden. Welche sind das?
Wir werden eine Wärmepumpe bauen, aber im industriellen Stil. Wir werden aber vor allem die im Energiepark anfallende Abwärme verwenden. Möglich ist auch ein Biomassekraftwerk. Eines ist aber klar: Wir werden je nach Ausbaustufe zusätzliche Kraftwerke bauen. Und alle Komponenten werden in den Wunsiedler Weg integriert, sodass wir sämtliche Energie nutzen können und keine verpufft.

Für eine Wärmepumpe im Industriellen Stil wird reichlich regenerativer Strom benötigt. Wo kommt der her?
In Holenbrunn ist eine große Photovoltaik-Anlage geplant. (Anmerkung: Sie entsteht auf einer Fläche von 50 Fußballfeldern. Vorgesehen sind 45 Megawatt-Peak, womit rein rechnerisch 17 500 Haushalte mit Strom versorgt werden können.) Wenn im Sommer viel Strom produziert wird, nutzen wir den unter anderem im Energiepark zur Pelletsproduktion. Im Winter können wir die Blockheizkraftwerke mit der Überschussenergie hochfahren. Letztlich verzahnen wir alle Komponenten so, dass der Energiepark zum Regelkraftwerk wird.

Ist vorgesehen, die gesamte Stadt an das Wärmenetz anzuschließen?
Denkbar ist alles, aber sicherlich nicht alles machbar. Unser Ziel ist es allerdings, den Großteil der Stadt mit einem Nahwärmenetz zu bestücken.

Was, wenn eines Tages keine Pellets mehr produziert werden. Wie sollen die Wunsiedler handeln?
Niemand muss nervös werden und jetzt schnell eine Wärmepumpe einbauen. Die Stadt garantiert, die Bürger mit Wärme zu beliefen, egal, ob sie aus Pellets oder einem anderen Stoff gewonnen wird. (Die Fragen stellte Matthias Bäumler)

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