In Palme wurden die Fußballnationalmannschaft zweimal Weltmeister Als Müller in Trikots aus Glashütten traf

Von Thorsten Gütling

Es gab eine Zeit, da trug, wer Welt- oder Deutscher Meister werden wollte, ein Trikot der Firma Palme. In Glashütten ratterten dafür Tag und Nacht die Nähmaschinen und gut 100 Näherinnen konnten davon leben. Dann verdrängten Synthetikfasern die Baumwolle vom Markt, naja beinahe. Denn genäht wird in der Trikotfabrik Glashütten immernoch. Für Nostalgiker und Liebhaber. Und für die Schauspieler eines großen Musicals.

 
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„Ohne Nostalgie ginge es nicht“, sagt Christian Kurrent. Der 38-Jährige führt die frühere Trikotfabrik Palme, die heute nur noch Trikotfabrik heißt. Er hat den Laden geerbt, als er acht Jahre alt war. Kurrent’s Großvater war, wie Firmengründer Bruno Palme, ein sudetendeutscher Flüchtling und hatte die Firma am Ortsrand von Glashütten mit aufgebaut. „Das halbe Ahorntal war hier mal beschäftigt“, sagt Kurrent, teils in der Fabrik, teils in Heimarbeit. Christian Kurrent’s Mutter, Isolde Kurrent, fuhr als Kind noch mit dem Großvater durchs Land. „Wir haben hier eine Nähmaschine hingefahren und dort ein paar fertige Stutzen abgeholt“, erinnert sie sich.

Das vielleicht legendärste aller Bayern-Shirts stammt von Palme

Das war zwischen 1960 und 1985. Die Blütezeit der Firma Palme. Als es noch üblich war, in Baumwolltrikots Sport zu treiben. Als Polyester noch gar niemand kannte. Als die Kunden der Glashüttener Trikotfabrik noch Hannover 96, Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach, Bayern  München, AS Rom und Fortuna Düsseldorf hießen. Und Deutsche Fußballnationalmannschaft. Die wurde 1954 und 1974 in den Glashüttener Hemden Weltmeister. Auch das unter Bayernfans vielleicht beliebteste Trikot aller Zeiten, ein rot und weiß gestreiftes Hemd mit roten Kragen, mit dem Gerd Müller und Franz Beckenbauer 1962 Meister und Pokalsieger wurden, stammt von Palme.

Bayernstars zu Gast in Glashütten

Der frühere Bayern-Torhüter Jean-Marie Pfaff soll mehrmals in Glashütten gewesen sein, um sich seine Stoffe selbst auszusuchen und abzuholen. Für zuhause, denn damit spielen durfte er nicht mehr. In den 80er Jahren, als Pfaff das Bayern-Tor hütete, hatten bereits Adidas und die Synthetikfasern Palme aus der Bundesliga verdrängt. Rund 500 Modelle hatte die Trikotfabrik bis dato hergestellt. „Die Zahl der einzelnen Trikots geht in die Millionen“, sagt Kurrent.

Damals 100, heute drei Näherinnen

Statt 100 Näherinnen gibt es heute noch drei. Gemeinsam mit Christian und Isolde Kurrent beschäftigt die Trikotfabrik nur noch fünf Mitarbeiter. Genäht wird noch immer auf den alten Nähmaschinen, statt Tag und Nacht aber nur noch halbtags. Und in der großen Werkhalle sind längst Wände eingezogen um Heizkosten zu sparen.

Als die Synthetikfaser Einzug hielt

Weil Mitte der 80er Jahre die Synthetikfaser Einzug den Trikotmarkt revolutionierte. Christian Kurrent versucht sich in einer Erklärung: Das Bedrucken von Kunstfasern gehe halt deutlich einfacher - mittlerweile könnten schon Kopiergeschäfte Trikots bedrucken. Und so passten für weniger Geld viel mehr Sponsoren auf ein Trikot. Rein kommerzielle Gründe also. Und Mutter Isolde Kurrent sagt: Den Trend mitgehen konnten wir nicht. Wir wären niemals so billig gewesen, wie Osteuropäer und Asiaten.“

"Hauptsache günstig"

Kurrent’s Problem: Seit die Profifußballer auf Synthetik setzten, eiferten dem auch die Jugendlichen nach. Kurrent’s Lebensgefährtin, Stephanie Eckstein, hilft in der Trikotfabrik aus. Sie sagt: „Hauptsache günstig und gut aussehen, notfalls auch in Plastik.“ Das Bewusstsein der Eltern für nachhaltige Produkte höre im Kindergarten auf. Argumente, wonach man in Polyester weniger schwitze, entkräftet Christian Kurrent so: „Wissen Sie, was Fußballspieler unter dem Trikot tragen? Ein Unterhemd aus Baumwolle.“

"Die werden immer wertvoller"

Und so bleibt Kurrent nur der Weg über die Nostalgie. Gerade eben hat Bundesligist Bayer Leverkusen 1000 Exemplare eines alten Trikots, mit dem die Mannschaft einst Erfolge feierte, nachbestellt. Die Lizenz, das Trikot mit Vereinswappen und Sponsorenaufdruck zu versehen, hat Kurrent nicht. Die sogenannte Veredelung übernimmt ein Partner in Rüsselsheim. Um die Firma ist Kurrent aber auch im Synthetikzeitalter nicht Bange. „Die Geschichte der Vereine geht ja weiter. Und die alten Trikots werden nicht nur älter, sondern immer wertvoller“, sagt er.

Schauspieler ordern Trikotsätze

Und dann beschert da ja noch ein Musical der Glashüttener Trikotfabrik regelmäßig Umsatz. „Das Wunder von Bern“, das in Hamburg aufgeführt wird und sich mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 beschäftigt, bestellt regelmäßig Sätze der Originaltrikots in Glashütten - auch die des damaligen Endspielgegners Ungarn. Anders als im gleichnamigen Kinofilm. Für den sei aus Kostengründen eine Fabrik in Großbritannien beauftragt worden. Mit der Folge, dass bei den Filmtrikots der Fehler im Detail stecke, sagt Kurrent. Die Schnürung am Kragen laufe durch silberne Ösen, die es im Original gar nicht gegeben habe. Und für die Rückennummer sei die falsche Schriftart verwendet worden. „Da hab’ nämlich nur ich die richtigen Stanzeisen für“, sagt Kurrent.

Trikots zu Flohmarktpreisen

Wer günstige Nostalgietrikots sucht, der ist am Sonntag, 3. Juli, beim Hausflohmarkt der Trikotfabrik richtig. Von 10 bis 17 Uhr gibt es Ausstellungsstücke, Auslaufmodelle und Trikotsätze zum Sonderpreis.

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