In Bayreuths Unterwelt

Von Andrea Pauly

Es ist ein ganzes System unter der Stadt: Rund 400 Kilometer lang ist das Kanalnetz, das unter den Straßen und Häusern von Bayreuth verzweigt ist. Und es hat deutlich mehr Bewohner als die oberirdische Stadt: Zwischen 150.000 und 180.000 Ratten leben dort.

 
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"Die Bürger wissen eigentlich gar nicht, was dahintersteckt: Man ist natürlich froh, wenn man die Toilettenspülung drückt und der Haufen ist weg", sagt Lothar Ziegler, Leiter des Abwasserwerks der Stadt Bayreuth. Das Problem: Die Bayreuther spülen nicht nur das in der Toilette hinunter, wofür diese vorgesehen ist, sondern auch Lebensmittelabfälle. Und die locken Ratten an.

Wie es in der Bayreuther Unterwelt aussieht, zeigt unser Video.

"Wir haben ein paar Mitbewohner, die wir nicht so haben wollen", bestätigt Lothar Ziegler. Auf jeden Einwohner kommen laut Statistik zwei bis drei Ratten. Die Wanderratten können gut und gern 20 Zentimeter lang sein. Und in diesem Jahr habe die Stadt "ein großes Problem" mit den Tieren, sagt Kanalmeister Klaus Kohlmann. 

Ratten schicken einen Vorkoster

Deshalb legen die Mitarbeiter des Abwasserwerks immer im September und Oktober Köder aus. Diese enthalten ein Medikament, das die Ratten innerlich verbluten lässt. Es ist wichtig, dass die Tiere nicht sofort daran sterben. Denn die Nager sind schlau: Sie schicken einen Vorkoster zu jeder Futterquelle. Nur wenn diesem Tier nichts geschieht, fressen auch die anderen Ratten den Köder.

Ratten können über die Leitungen in Gebäude gelangen

Ein Rattenpaar kann sich laut Lothar Ziegler bis zu dreimal im Jahr vermehren. "Wenn wir nichts dagegen tun, kann das zu einer Plage werden." Das ist nicht nur unangenehm, sondern birgt auch ein Risiko: "Die Wanderratte kann Krankheiten übertragen", sagt der Leiter des Abwasserbetriebs. Wenn die Population zu groß wird und dann auch noch Rohre verstopfen, kann es böse Überraschungen für die Bürger geben: "Im schlimmsten Fall können Ratten über die Leitungen in Gebäude gelangen".

Fritteusenfett gehört nicht ins Klo

Ein weiteres Problem entsteht in der Kanalisation, wenn die Bayreuther Fett oder Öl ins Klo schütten - gerade Fritteusenfett. Es setzt sich in den Leitungen ab und bildet eine Schicht, an der wiederum Toilettenpapier hängen bleibt. Nach und nach verstopfen so die Rohre.

 

 

Die rollende Kläranlage

Sie müssen deshalb mit Düsen oder Fräsen gespült werden. Das geschieht mit einem Fahrzeug, das im Jahr rund 120 Kilometer Leitungen reinigt. Das Fahrzeug ist eine rollende Kläranlage: Es reinigt das Wasser, mit dem die Rohre gespült werden, im eigenen Tank.

Vom Gummihandschuh bis zum Fahrrad

Doch nicht nur Lebensmittelreste spülen Menschen ins Leitungsnetz unter der Stadt: Problematisch ist alles, was sich nicht auflöst: Binden und Feuchttücher zum Beispiel. Die Kanalarbeiter finden aber auch Kleidungsstücke oder Gummihandschuhe im Abwasser. Sogar Teile von einem Fahrrad haben sie schon herausgezogen.

Gas, Schlamm und Dunkelheit

Die Arbeit im unterirdischen Kanalnetz ist gefährlich, sagt Ziegler. Deshalb könne man auch "nicht einfach den Deckel aufmachen und da runter steigen."  Durch die Ablagerungen entstehen Gase, in den begehbaren Leitungen ist es stockduster, die Ablagerungen auf dem Boden sind glitschig und voller Bakterien. Wenn die Mitarbeiter die Leitern hinab in die Tiefe steigen, dann tragen sie Schutzkleidung, Handschuhe, Helm mit Lampe und einen Sicherungsgurt. Sie haben außerdem immer ein Gasmessgerät dabei.

Gasunfall: Messgeräte schlagen an

Vor einiger Zeit gab es einen Gasunfall: "Es war recht kritisch", erinnert sich Lothar Ziegler. "Gott sei Dank hatten wir vorher gemessen." Durch eine Fehleinleitung aus einem Unternehmen hatte sich Schwefelwasserstoff gebildet. Dieser hat die Eigenschaft, am Schachtboden zu bleiben. "Man merkt es erst, wenn man ganz unten ist. Dann verliert man das Bewusstsein."

Kanalisation in Zahlen

20 Mitarbeiter gehören zum Team, das sich um die Abwasserleitungen, aber auch um kleinere Bachläufe wie den Sendelbach kümmert.

30 Zentimeter Durchmesser haben die kleinsten Kanalrohre in Bayreuth, 2,60 Meter die größten. Nur rund sieben Kilometer der Kanäle sind so groß, dass sie begehbar sind. Die Leitungen mit 30 bis 60 Zentimetern Durchmesser machen mit etwa 350 Kilometer den größten Anteil aus.

36 Rückhaltebecken fangen bei Regen die Wassermassen auf und leiten sie nach dem Regen nac und nach in die Kläranlage.

100 Jahre alt sind die ältesten Abwasserleitungen unter Bayreuth. Mit der Zeit ist das Netz gewachsen, die meisten Rohre stammen aus der Zeit zwischen 1950 und 1970.

400 Kilometer lang ist das Netz aus Kanälen unter der Stadt - das ist weiter als die Strecke von Bayreuth nach Berlin.

500 Liter Abwasser kommen pro Sekunde bei trockenem Wetter im Abwassernetz der Stadt Bayreuth an,

1300 Liter pro Sekunde können es bei einem regelmäßigen Regen sein.

90.000 Einwohner aus Bayreuth, Creußen, Obern- und Unterschreez und Eckersdorf-Donndorf sind an die Bayreuther Kläranlage angeschlossen.

 

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