Immaterielles Weltkulturerbe in Oberfranken Bezirksheimatpfleger Dippold: Welterbeliste ist gefährlich

Von Christina Knorz
 Foto: red

Das Reinheitsgebot, die Genussregion Oberfranken, die Bamberger Gärten und die Lindenkirchweih in Limmersdorf – alle wollen Immaterielles Weltkulturerbe werden. Bezirksheimatpfleger Prof. Günter Dippold spricht über den Sinn und Unsinn der Welterbe-Infaltion. In der Einteilung von schützenswertem und nicht schützenswertem Erbe sieht er eine Gefahr.

 
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Franken trinken Bier, essen Braten und tanzen manchmal unter Bäumen, was ist daran schützenswert?
Günter Dippold (lacht): Es ist grundsätzlich deshalb schützenswert, weil nicht einfach nur Bier getrunken wird, sondern weil dahinter eine Vielfalt an Brauerei steckt, also auch handwerkliche Kompetenz. Franken essen totes Schwein, aber in Zubereitungsformen, die regional besonders sind. Franken springen zwar um Bäume herum, aber das ist anlassspezifisch. Auch das ist Teil des kulturellen Erbes der Region. Schützenswert ist es schon. Aber den besten Schutz kann keine Weltorganisation bieten, sondern die Franken selbst, indem sie weiter trinken, essen und springen.

Warum soll man etwas schützen, das es gibt?
Dippold: Ja, das klingt wie ein Widerspruch. Es sollen ja kulturelle Handlungen und Bestände geschützt werden, die lebendig sind. Und wenn sie lebendig sind, warum bedürfen sie dann des Schutze? Die Welterbeliste birgt eine Gefahr. Nämlich dass es durch den Eintrag oder Nichteintrag zu einer Klassifizierung kommt, die es bisher nicht gibt. Dass es wichtiges und weniger wichtiges Erbe gibt. Was nicht wichtig ist, kann über die Wupper gehen. Das Opernhaus darf man nicht abreißen. Aber vieles andere schon.

Was ist dann schützenswert?
Dippold: (Überlegt lange) Es ist dann relevant, wenn es etwas Überörtliches betrifft. Wenn es nicht Limmersdorf alleine ist, sondern der Fränkische Plantanz überhaupt. Er ist aber auch dann nur schützenswert, wenn er kurz vor dem Aussterben steht, aber noch lebt.  Was wirklich schützenswert wäre, sind Handwerkstechniken, die heute noch beherrscht werden, aber kommerziell keine große Rolle spielen.

Zum Beispiel?
Dippold: Bestimmte Flechttechniken. Palmblattstricken im Steinachtal zwischen Coburg und Kronach zum Beispiel. Das machte man nur dort. Oder die traditionelle Spankorbmacherei, wo man das Holz mit der Hand nach Jahresringen aufspaltet. Es gibt nur noch einzelne Menschen, die das überhaupt können. Das wäre schützenswert, denn dafür gibt es keinen Markt. Aber das allein auf eine Liste setzen, reicht nicht. Das müsste auch Folgen haben. In Japan gibt es staatliche Stipendien für alte Handwerkstechniken. Damit Tradition überlebt und nicht ausstirbt. Wir bemerken die Auswirkungen verschwundenen Wissens in der Denkmalpflege. Denn es wird immer schwieriger, Bauhandwerker zu finden, die mit alten Materialien umgehen können.

Das Gespräch führte Christina Knorz

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