Der Beschwerdeprozess hatte nach der Kommunalwahl vom März mehrere Wochen lang gedauert - unter anderem, weil Imamoglu letztlich nur noch mit rund 14.000 Stimmen vor Yildirim lag und die AKP zahlreiche Einsprüche einlegte.
Der Prozess endete damals mit der Annullierung der Wahl und dem Entzug des Mandats für Imamoglu. Diesmal konnte Imamoglu seinen Abstand massiv ausbauen. Nach Angaben der YSK liegen 805.415 Stimmen zwischen den Kandidaten. Imamoglu habe 4.740.868 Stimmen bekommen, sagte Sadi Güven. Yildirim bekam 3.935.453 Stimmen.
Nach dem Sieg des Oppositionskandidaten müsse er nun sein Amt auch ungehindert ausüben können, forderte die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg in Berlin. Präsident Erdogan dürfe das Ergebnis nicht infrage stellen. Imamoglus Erfolg sei "ein Zeichen, dass die Demokratie in der Türkei noch nicht ganz verloren" sei. Das ändere aber nichts daran, dass unter Erdogan Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und viele weitere Werte "unter Druck" stünden.
Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland hofft nach der Wahl Imamoglus auf mehr Demokratie in der Türkei. Dass ein Oppositionspolitiker es trotz aller Anfeindungen von Seiten der Regierungspartei AKP geschafft habe zu gewinnen, zeige den Hunger der Menschen nach Veränderung, sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.
Die Beobachter des Europarates stellten der Istanbuler Wahl am Montag ein gutes Zeugnis aus. Der Leiter der 14-köpfigen Delegation, Andrew Dawson, sagte, dass die Wahl "kompetent" ausgerichtet worden und in einer "grundsätzlich geordneten und professionellen Weise" verlaufen sei. Der Europarat in Straßburg wacht mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über die Einhaltung der Menschenrechte in 47 Mitgliedsstaaten.
Dawson sagte aber auch, dass die 14 Beobachter, die in rund 30 der 39 Bezirke unterwegs waren und 90 Urnen besuchten, viele "aggressive Begegnungen" erlebt hätten. So etwas sei selten, deshalb wolle er es erwähnen. Es habe Versuche gegeben, die Teams einzuschüchtern. Die Ursache liege möglicherweise in der "angespannten Atmosphäre" am Wahltag und zuvor. "Es war offensichtlich, dass für viele Menschen viel auf dem Spiel stand", sagte Dawson.
Die erste Runde hatte die Wahlbehörde ausgerechnet wegen einer Formalie für ungültig erklärt. Diesmal habe die Delegation "die rigide Anwendung von Regeln" beobachtet, die in einzelnen Fällen dazu geführt habe, die Dinge schwieriger zu machen. "Wir haben auch sehr viele besorgte und gestresste Menschen gesehen, die ihr Bestes in einer schwierigen Umgebung getan haben." Es sei "herzerwärmend" gewesen zu sehen, dass so viele Bürger als Wahlbeobachter gedient hätten, sagte Dawson.
Bei der Neuwahl des wichtigsten Bürgermeisterpostens im Land waren 10,5 Millionen Menschen aufgerufen, an rund 31.000 Urnen ihre Stimmen abzugeben. Die Wahl wurde im In- und Ausland aufmerksam beobachtet.