Wie viel Normalität herrscht schon wieder in Deggendorf?
Christian Moser: In den betroffenen Gebieten, also in Fischerdorf und Natternberg, sind wir von Normalität noch weit entfernt. Wenn Sie durch Fischerdorf fahren, sehen Sie, dass die Erdgeschosse leer stehen, die Rohre der Gebäudetrockner hängen aus den Fenstern.

Haben Sie einen Überblick über die Schäden?
Moser: Wir gehen immer noch von einer halben Milliarde Euro für den Landkreis aus. Die Leute sind nun dabei, Gutachten erstellen zu lassen. Aber die Anzahl der Gutachter ist beschränkt, so dass das noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Ich habe aber schon Nachricht, dass die Schäden deutlich höher ausfallen werden als zunächst vermutet.

Wie das?
Moser: Das Öl macht Probleme. Ein Gutachter berichtete mir von einem Haus; das Haus sei an sich ausgetrocknet gewesen. Doch dann hat er mit dem Bohrer probeweise in die Wand gebohrt – und da kam das Öl daher. Weil man die Feuchtigkeit aus der Wand raustrocknen kann, das Öl aber nicht. Wenn Öl in den Ziegeln steckt, muss die Mauer weg. Im schlimmsten Fall muss das Haus abgerissen werden.

Wo werden die Menschen auf jeden Fall auf Hilfe angewiesen sein?
Moser: Wir haben einige Straßenzüge, aus denen sich das Wasser sehr spät zurückgezogen hat. Dort stehen die meisten Häuser, die abgebrochen werden müssen. Ich kann aber noch nicht genau sagen, wer wo genau.

Wie viele Menschen in Natternberg und Fischerdorf hatten eine Elementarversicherung?
Moser: Da habe ich noch immer die Zahl von zehn Prozent.

Bund und Land wollen helfen. Wann werden Sie entscheiden, wo das Geld hinkommt?
Moser: Ein wichtiges Datum ist der 25. Juli. Da werden die Staatskanzleichefs ein Papier unterschreiben, nach dem wir in Bayern achtzig Prozent des Schadens ersetzen. Da fließen auch Bundesmittel. Dabei geht es nicht nach Bedürftigkeit, sondern nach Betroffenheit. Das war zuvor umgekehrt gewesen. Da hatten die Hausbesitzer die Hosen runterlassen und alles offenlegen müssen, was sie haben. Wenn man nach Betroffenheit vorgeht, geht das viel schneller: Betroffenheit durch einen Hochwasserschaden ist schneller nachzuweisen, und wenn die achtzig Prozent Schadenersatz kommen, haben wir ein Niveau, auf dem wir mit Spenden aufbauen können. Dann können wir versuchen, Härtefälle zu lindern.

Können Sie sich vorstellen, wo man die Spenden aus Bayreuth, immerhin über 275.000 Euro, einsetzen kann?
Moser: Die Feuerwehrleute muss man gesondert betrachten. Da kann eventuell zusätzlich Geld hinfließen. Wir haben einen Spendenrat eingerichtet, der, wenn die staatliche Hilfe erst einmal feststeht, Adressaten auswählt, Härtefälle, eine allein erziehende Mutter, ältere Leute und so fort. Die staatlichen Mittel müssen zuerst fließen, dann gleichen wir mit den Spenden weiter aus.

Welche Konsequenzen zieht man aus dem Desaster des Frühsommers 2013?
Moser: Dass der Hochwasserschutz an der Donau und speziell auch an der Isar schnellstmöglich gebaut und verstärkt werden muss. An der Donau hatten wir auf der Deggendorfer Seite den Hochwasserschutz verbessert, da hatten wir auch kein Problem. Dagegen brach der Damm an der Isar. Es sind Sofortmaßnahmen ergriffen worden, Spundwände sind auf einer Länge von eineinhalb Kilometern in den Damm getrieben wurden. Heuer soll außerdem noch Spatenstich für den neuen Damm sein, der einige hundert Meter hinter dem alten Damm gebaut wird und die gleiche Sicherheit bieten soll wie der Donau-Damm. Da tut sich einiges.

Auch in der Gesellschaft scheint sich einiges zu tun. Waren Sie überrascht von der Hilfsbereitschaft?
Moser: Auf jeden Fall. Ich bin stolz auf unser Land, dass wir so zusammenrücken. Es schade, dass wir eine Kata- strophe brauchen, um das zu merken, aber: Toll ist diese Solidarität trotzdem. Nehmen wir Bayreuth als Beispiel. Wahrscheinlich kannten die meisten Menschen dort Deggendorf gar nicht. Und doch waren so viele bereit, zu helfen und Geld zu spenden. Und auch vor Ort hat sich vieles getan: Da haben Studenten 5000 Leute organisiert, die dann geholfen haben. Ein starkes Zeichen.

Das Gespräch führte Michael Weiser