Himmelsgötter und teuflisch schöne Frauen

Von Frank Piontek
Bunt, betörend, spannend: Szene aus "The Silent Prince". Foto: Festival Junger Künstler Foto: red

Eine Feier für die Königin. Und eine Reise an die Ursprünge des "Parsifal": Die Oper "The Silent Prince" stellt musikalisch wie erzählerisch einen Glanzpunkt des Festivals Junger Künstler dar.

 
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Selbst die Königin Sirikit ist, sozusagen, anwesend. In Thailand pflegt man am Vortag den Geburtstag zu feiern, und also hat das Festival junger Künstler das Porträt der einstmals jungen Königin auf die Bühne des Europasaals im „Zentrum“ gestellt, wo es kurz vor Beginn der Aufführung von „The Silent Prince“ mit einer Kerzenprozession geehrt wird.

Der Ritus mutet so befremdlich wie würdig an, doch die Oper weist definitiv keine monarchistischen Tendenzen auf. Im Gegenteil: der mythische König, der in Somtow Sucharitkuls „Silent Prince“ nicht begreifen kann, wieso sein Sohn immer nur schweigt und in der Kontemplation verharrt, macht die schlechteste Figur des Abends. Er endet allerdings auf andere Weise „königlich“: mit der Erhebung eben jenes schweigenden jungen Mannes zum Bodhisattva, dem der passive Widerstand gegen die Verlockungen von Macht und Minne zur Erleuchtung, ja: zur „Erlösung“ seiner Familie und seine Volkes verhilft.

Das war doch - Parsifal?

Im großen Finale der meist kurzweiligen Aufführung, die uns mit Himmelsgöttern und teuflisch schönen Frauen aus den Zaubergärten des bösen Gottes Mara bekannt macht, huldigen sie dem Erwählten in einem teils rauschhaften, teils meditativen Tableau.

Wen all dies nicht an den „Parsifal“ erinnert, war noch nie in Bayreuth. Der Komponist hat selbst auf die inhaltlichen und musikalische Beziehungen seines Werks zu Wagners „Bühnenweihfestspiel“ und zur anderen Gralsoper „Lohengrin“ hingewiesen – doch kann man in diesem neuen Werk keinen Wagner-Abklatsch entdecken. Blickt man auf die Herkunft gewisser Motive, dürfte es eher andersrum gewesen sein. Richard Wagner selbst war es, der sich fleißig der buddhistischen Mythen und der fernöstlichen Ideenwelt bedient hat; ohne seine Lektüre einschlägiger Fachliteratur hätte er weder den „Tristan“ noch den „Parsifal“ konzipiert.

Sucharitkul plant einen zehnteiligen Zyklus aus der buddhistischen Geschichte; die Geschichte vom „Stummen Prinzen“ ist der erste Teil, der beim Publikum schon deshalb gut ankommt, weil der Komponist sein Handwerk versteht. Er huldigt einem fröhlichen und technisch ausgesprochen gut gemachten Synkretismus. Die Stil-Collage konfrontiert die farbigen wie melodiegesättigten und rhythmisch einfachen wie raffinierten Musikwelten eines Franz Schreker (Wien um 1920), Leonard Bernstein und Steven Sondheim mit den Klängen seiner Heimat. Christliche Orgelakkorde stoßen auf die sirrenden Laute der Sitar, abendländische Tonarten auf südostasiatische Melodien. Das alles ergibt keinen Klangbrei, sondern eine spannungsvolle Partitur, die – das ist ihre Moderne – Orient und Okzident harmonisch vereinigt und doch, ganz im Sinne des Festivals, die Unterschiede kenntlich macht.

Freiheit und Bestimmung

Und der Stoff? Die alten buddhistischen Mythen haben uns „aufgeklärten“ Europäern im Wiederspiel von Freiheit und Bestimmung, Moral und Eigensinn tatsächlich noch etwas zu sagen, mag auch die „Erleuchtung“ auf den ersten Blick esoterisch anmuten. Gegen das Geschwätz und die Korruption dieser Welt die innere Ruhe zu setzen ist ja eine denkbare Alternative.

Die Aufführung glänzt mit einem starken Kammerorchester unter der Leitung Trisdee Na Patalungs, einem kleinen, aber exzellenten Chor, dem beeindruckenden hohen Sopran der Himmelskönigin Nadlada Thamtanakom, der Königin Colleen Brooks und dem gleichfalls hohen Sopran des Prinzen, der zwei Stunden schweigt, um am Ende, in einer gewaltigen Finalarie, umso mehr zu singen: Jak Cholvijarn heißt der junge Mann, der manch Statik dieses „Bühnenweihfestspiels“ vergessen lässt, in den besten ruhigen Momenten aber sogar legitimiert.

Starker Beifall für eine zugleich szenisch fremdartige wie musikalisch nahe Opernaufführung mit musikalischen Hochflügen und ethischem Tiefgang.

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