Heelein: "Musik muss Gespräch suchen"

Von Michael Weiser
Professor an der Hochschule für evangelische Kirchenmusik: Steven Heelein. Am Dienstag sind zwei Werke von ihm an der Hochschule zu hören. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Hier komponiert der Prof persönlich: Werke zeitgenössischer Komponisten stehen am Dienstag, 8. November, beim Akademiekonzert der Hochschule für Evangelische Kirchenmusik auf dem Programm – darunter eine Uraufführung eines Werkes von Steven Heelein, Dirigierprofessor in Bayreuth. Wir sprachen mit dem mehrfach ausgezeichneten Heelein (Jahrgang 1971), der zuletzt den Tonali16-Preis erhielt. Und wir lernten etwas über Familienorganisation und darüber, warum komponieren auch etwas mit Navigation zu tun hat und überhaupt nichts mit Schubladen.

 
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Herr Heelein, Sie führen das anstrengende Leben eines Pendlers zwischen Bayreuth und Regensburg, 140 Kilometer entfernt.

Steen Heelein: Ich fahre ja nicht täglich. Ich habe ein kleines Zimmerchen in Bayreuth, da komme ich am Sonntagabend unter und bleibe bis Dienstag. Das ist also schon mal nicht so schlimm. Vor allem aber habe ich eine gute Arbeit und freue mich, dass ich die in Bayreuth tun kann.

Familie haben Sie auch noch ...

Heelein: Ja, vier Kinder zwischen zwölf und zwei Jahren. Da merkt man, wie das immer mehr eigene Persönlichkeiten werden.

Hört sich aber nach einem anstrengenden Pensum an. Wie kriegen Sie das auf die Reihe?

Heelein: Das erste ist mal: Die Arbeit, die ich mache muss man lieben, damit sie eben nicht in Stress ausartet. Ich fühle mich aber regelrecht privilegiert, weil ich das, was meine Leidenschaft ist, auch beruflich machen kann. Dass ich mit Kunst zu tun habe. Und: Es braucht eine Partnerin, die mich auch emotional tatkräftig unterstützt.

Sie komponieren so genannte Neue Musik, sind aber auch noch Mitbegründer einer Fluxus-Band. So viel Höhe der Zeit traut man einer Hochschule für Kirchenmusik nicht unbedingt zu.

Heelein: Und doch ist es so, dass meine Sozialisierung mit Musik und mit der Kirche, in diesem Fall der katholischen Kirche, eins und eins zusammenging. Die Kirche war mein erster Berührungspunkt. Ich hab daher auch keine Berührungsängste, fühle mich der Kirche sogar nach wie vor sehr verbunden. Und ich sehe gerade in der Kirchenmusik sehr große Möglichkeiten. Wenn man sich die Ausbildung anschaut, wenn man sich anschaut, wie Kirchenmusiker in Pfarreien Basisarbeit machen, mit Laien und Kindern, dann sieht man doch, was darin für eine Riesen-Chance liegt.

Sie kamen als Autodidakt zur Kirchenmusik. Wie muss man sich das vorstellen – vom heimischen Wohnzimmer auf die Kirchenorgelbank?

Heelein: In meinem Elternhaus gab es keine Kunst, auch keine Musik. Das lag nicht im Dunstkreis meiner Familie. Ich habe relativ spät erst, mit elf Jahren, an der Orgel angefangen. Ich hatte ein Keyboard von meiner Großmutter bekommen, habe da autodidaktisch angefangen, und dann hat mich der Organist in die Kirche gesetzt. Der sollte ein Priesterseminar besuchen. Also kam er zu mir, sagte, ich habe gehört, dass du das kannst, also ab nächster Woche machst du das hier!

Der Mann muss viel Gottvertrauen besessen haben. Oder wie sonst kam der auf Sie?

Heelein: Ich habe zu der Zeit ja auch ministriert, in dem kleinen Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, in Garstadt. Und da kriegen die Leute einiges mit, die Wände sind auf dem Land etwas dünner (lacht). Nach dem ersten Gottesdienst habe ich dann auch Unterricht erhalten, om Organisten im Nachbarort, kurz danach vom Stadtkantor in der Heilig Geist-Kirche in Schweinfurt.

Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?

Heelein: Eine progressive Musik, die einen Anspruch hat, zum Beispiel den, einfach mal Gedanken anzuregen. Es ist keine Musik, die gesetzt wäre. Es ist Musik, die das Gespräch sucht. Es sind Vorschläge, die unterbreitet werden. Die zur Debatte stehen. Man ist geneigt anzunehmen, dass, wenn man über ein Kunstwerk reden muss, es irgendwie schlecht sein muss Weil ja noch Redebedarf herrscht. Aber an der Hochschule, einem Ort, da man sich ja auch präsentiert, muss man mutig sein: Man muss darüber reden können. Damit wir das große Schiff Musikgeschichte weiterbringen. Wir sind alle keine Genies, sind keine Mozarts oder Beethovens. Wir sind junge Komponisten, die den Anspruch haben, sich erst mal Gedanken zu machen über die Welt und darüber wie man diese Welt in Klang setzen kann. Und wie man das weiterführen kann, im Sinne der Tradition. Wir schütten nicht alle Gräben zu und erfinden nicht das Rad neu.

Eines Ihrer Stücke im Dienstagsprogramm heißt Monodie – was man Gesang für eine Stimme übersetzen kann.

Heelein: Ganz allgemein möchte ich sagen, dass die Titel meiner Stücke nur Anregungen sind. Man braucht deswegen keine Schublade aufzumachen, eine Monodie ist gleich Gesang für eine Stimme, und dann holt man drei, vier Elemente aus der Schublade. So ist es nicht. Es ist ein Anreiz. In Monodie wird ein Gesang dargestellt, aber in seiner Ausführung ganz abstrakt, auf eine Art, die versucht, die Menschen in ihrem Unterbewusstsein anzuregen. Also: Es ist ein Gesangsstück für Klarinette.

Und das zweite Stück von Ihnen trägt als Titel „Silence 2“, „Stille 2“. Wörtlich wird man das ebenfalls nicht nehmen dürfen.

Heelein: Dieses Stück hat als Basis ein kleines Gedicht von E. E Cummings. In diesem kurzen Text beschreibt er, was für ihn Stille bedeutet. Stille ohne Stille darzustellen, das ist natürlich absurd. Ich habe versucht, meine Assoziation in eine Klanggestalt zu übertragen, in ein Duett zweier Instrumente, die um den den Terminus „Stille“ he-rum improvisieren.

INFO: Am Dienstag, 8. November, um 20 Uhr ist das New Art And Music Ensemble Salzburg (Names) im Großen Orgelsaal der Hochschule für Evangelische Kirchenmusik zu Gast. Names spielt Werke von Steven Heelein und Daniel Osorio (Uraufführungen) sowie Achim Bornhöft, Marco Döttlinger, Josef Ramsauer und Steve Reich.

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