Skandal in Kulmbach Staatsanwälte durchsuchen AWO

Mehrere Kisten mit Unterlagen transportierten Kripo und Staatsanwaltschaft nach der Durchsuchung der Geschäftsstelle der Arbeiterwohlfahrt in der Oberen Stadt in Kulmbach ab. Foto: /Joachim Dankbar

Der Verdacht der Untreue steht im Raum: Die Staatsanwaltschaft Hof ließ am Mittwoch die Räume der AWO-Geschäftsstelle Kulmbach und des ehemaligen Kreisvorsitzenden Oskar Schmidt durchsuchen.

 
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Kulmbach - Der Überraschungsbesuch kam mit dem ersten Morgenlicht: Kurz nach 8 Uhr morgens klingelte am Mittwoch bei Oskar Schmidt, Ehrenvorsitzendem des AWO-Kreisverbandes Kulmbach der Staatsanwalt. Zusammen mit mehreren Kripobeamten begehrte er Einlass für eine Hausdurchsuchung.

Zeitgleich wurden andere Kripobeamte mit demselben Begehren bei der nicht weit entfernten AWO-Geschäftsstelle vorstellig.

Knapp eine Stunde später verließen die Beamten das Wohnhaus Schmidts wieder - mit einigen Aktenordnern in der Hand. Kurz darauf wurden aus der AWO-Kreisgeschäftsstelle zwei große Umzugskartons getragen und in zivile Einsatzfahrzeuge geladen.

Hintergrund der Durchsuchungsaktion sind offenbar Vorwürfe, die schon seit längerem erhoben werden. Interne Kassenprüfer der AWO und externe Wirtschaftsprüfer nehmen Anstoß an einem besonderen Beschäftigungsverhältnis, mit dem Schmidt Herbst 2014 bei seinem Ausscheiden als geschäftsführender Vorsitzender bedacht worden war.

Seine Nachfolgerin Inge Aures hatte ihn nicht nur für das neue Amt eines Ehrenkreisvorsitzenden, sondern auch als Projektbeauftragten für die Sanierung und Erweiterung des Heiner-Stenglein-Seniorenheims (Am Rasen) vorgeschlagen.

Ein Ehrenamt war das nicht: Schmidt wurde einfach das halbe Geschäftsführergehalt (rund 3000 Euro) weitergezahlt, dass er schon seit 2008 bekam, als er eigentlich in Rente ging. Seitdem hatte die AWO zwei weitere hauptamtliche Geschäftsführer.

Richtig Ärger machte jedoch erst die Bezahlung als „Bauherrenvorstand“ für das Seniorenheim, für den der Aures-Ehemann Hans Hermann Drenske den Architekten-Auftrag bekam - ohne Ausschreibung und dokumentierte Einholung von Vergleichsangeboten.

Innerhalb des AWO-Kreisverbandes wiesen Revisoren darauf hin, dass die Umstände dieser Beschäftigung völlig intransparent seien. Zu Deutsch: Auch im Kreisvorstand wusste - vielleicht mit der Ausnahme von Inge Aures - niemand, was Schmidt für sein Geld eigentlich so tat. Dies sei „ein Beispiel dafür, wie man ein Arbeitsverhältnis nicht abschließen sollte“, urteilte ein Revisor.

Auch ein externer Wirtschaftsprüfer kam zu demselben Ergebnis. Wegen mangelhafter Kooperation und Transparenz - auch in der Frage der Auftragsvergaben an Drenske - legte der Wirtschaftsprüfer später sein Mandat nieder.

Nach kritischen Presseberichten schaltete sich im Frühling des vorigen Jahres sogar der Bundesvorstand der AWO in die Angelegenheit ein. Er erwirkte eine Sonderprüfung durch Sachverständige. Die Ergebnisse, die im Oktober des vorigen Jahres dem AWO-Kreisvorstand vorgelegt wurden, waren verheerend.

Demnach erhielten die Prüfer der Firma Curacon von der AWO oder Oskar Schmidt keinerlei Unterlagen, wonach Schmidt tatsächlich die Tätigkeit als Bauaufseher ausgeübt habe. Sie äußerten die Annahme, dass Schmidt in den Vorstandssitzungen der Kulmbacher AWO lediglich die Baustatus-Berichte verlesen und erläutert habe, die zuvor im Büro Drenske erarbeitet wurde. Auch weitere Unterlagen und Vergleichsrechnungen seien offenbar dort erstellt worden- genau bei der Firma für deren Kontrolle Oskar Schmidt über Jahre bezahlt wurde.

Handschriftliche Stundenaufstellungen, die den Wirtschaftsprüfern vorgelegt wurden, belasten Schmidt nach deren Auffassung zusätzlich. Ein großer Teil dieser Arbeitsstunden in den drei Jahren seiner Anstellung als Bauherrenvertreter seien demnach für den Besuch von Jubiläen, Trauerfeiern und Geburtstagen aufwendet worden. Andere Ansätze könne man „nicht nachvollziehen“, wie etwa über elf Stunden für die Vorbereitung einer Bauausschusssitzung und eine über siebenstündige Baustellenbesichtigung. Dies könnte strafrechtlich den Tatbestand der Untreue erfüllen.

Bei einem Besuch in Kulmbach äußerte AWO-Bundesvorsitzender Wolfgang Stadler großes Unbehagen daran, dass Schmidt immer weiter bezahlt worden sei, obwohl er schon seit 2008 im Ruhestand war. Über die Jahre kamen so fast 300.000 Euro zusammen. Dies sei eine unzulässige Vermischung von Ehrenamt und hauptamtliche Tätigkeit. Er habe den Eindruck, dass hier jemand unterstützt wurde, der mit seiner Rente nicht auskam. Stadler äußerte die Überzeugung, dass der AWO hierdurch ein finanzieller Schaden entstanden sei und verlangte vom Geschäftsführenden Kreisvorstand weitere Aufklärung.

Kreisvorsitzender Inge Aures meldete sich auf unsere Anfrage von einer Klausur der SPD-Landtagsfraktion. Sie bestätigte die Durchsuchung am Morgen. „Da uns an voller Transparenz und Aufklärung gelegen ist, wurden selbstverständlich alle angeforderten Unterlagen herausgesucht und komplett übergeben“, schreibt Aures.

„Wir unterstützen die Ermittlungen vollinhaltlich und tragen zur Aufklärung bei, dies in Kooperation mit den zuständigen Behörden. Die Ermittlungen richten sich offensichtlich gegen einen früheren Kreisvorsitzenden, für den selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt. Der Sachverhalt ist bekannt,“ teilte die AWO-Kreisvorsitzende mit.

Oskar Schmidt selbst war am Mittwoch trotz aller Bemühungen unserer Redaktion für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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