Hannes Wader singt im Zentrum

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Immer noch politisch, immer noch poetisch: Hannes Wader, einjer der Großen der Liedermachersezene, kommt nach Bayreuth. Foto: Anton Koenigs/red Foto: red

Er war mal: ein Sprecher der politischen Linken, DKP-Mitglied, (unwissentlicher) Gastgeber für Gudrun Ensslin von der RAF. Er ist, noch immer, der lagerfeuertaugliche Barde mit Gitarre und warmer Stimme, der poetische Texte vertont. Am Samstag (21. November) präsentiert Hannes Wader, 73-jähriger Veteran der „Liedermacher“-Generation, im Zentrum sein Programm „Sing“.

 
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Wenn man Ihren Namen nennt, sagen die einen: Das ist doch dieser poetische Liedermacher! Und die anderen: Dass ist doch diese scharfe Stimme der politischen Linken! Welche Kategorie ist Ihnen lieber?

Hannes Wader: Ich bin durchaus einverstanden, wenn das so gesagt wird. Aber ich selbst sehe mich nicht nur so. Der politische Liedermacher engt mich ein bisschen ein. Ich habe immer darauf gesehen, alle Bereiche des menschlichen Lebens in meinen Liedern zum Thema zu machen. Das kann die Liebe sein, oder sonst irgendetwas. Ich bin nicht ständig dabei, die Welt ändern zu wollen. Ich drücke auch immer gern einfach das aus, was ich gerade empfinde. Und meine Form des Ausdrucks sind nun mal Verse und Lieder. Ob das dann politisch aufgefasst wird, oder nicht, habe ich dann ja gar nicht mehr in der Hand.

Das klingt schon mehr nach einer Betonung des Poetischen.

Wader: Das ist mir mindestens genauso wichtig, ja.

"Ich bin in keiner Partei - mehr"

Stimmt der Eindruck, dass Sie sich in den letzten Jahren eher weniger zu aktuellen Themen zu Wort gemeldet haben, als vergleichsweise Ihr zeitweiliger Weggefährte Konstantin Wecker? Haben Sie sich in dieser Hinsicht bewusst zurück genommen?

Wader: Nicht bewusst. Wenn dieser Eindruck entsteht, dann hat es sich so ergeben. Das heißt nicht, dass sich meine Auffassungen wesentlich geändert hätten, meine Ansichten, meine Einstellung. Aber den Vergleich sehe ich auch so. Ich kriege ja natürlich mit, was Konstantin so macht. Der steht immer in der vordersten Reihe derer, die auf irgendetwas hinweisen, auf irgendwelche Missstände. Bei mir ist es eher so geblieben, wie es immer war.

Kann man daraus schließen, dass Sie mit dem aktuellen Zustand der Welt zufrieden sind, oder haben Sie nur die Hoffnung aufgegeben, dass man die Lage verbessern kann?

Wader: Weder das eine noch das andere: Nicht zufrieden, aber auch nicht ohne Hoffnung. Vielleicht weil ich älter werde, verlangsamt sich das Tempo meiner Aktionen. Ich könnte mir vorstellen, dass es damit zusammenhängt. Gut: Aus dem politischen Tagesgeschehen und vor allem parteipolitischen Geschichten halte ich mich wirklich heraus. Ich bin in keiner Partei – mehr. Dazu hatte ich mich entschlossen, das nicht mehr zu machen.

Sind Politiker die Marionetten der Hochfinanz?

Welche Themen brauchen denn aktuell am dringendsten eine linke Wortmeldung?

Wader: Alle Themen! Man hat doch den Eindruck, dass die Welt noch schneller aus den Fugen gerät, als es bisher der Fall war. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll: beim Flüchtlingsproblem, bei der zunehmenden Rechtsradikalität. Der zunehmende Auftrieb für rechtsradikale Bewegungen auch in den Nachbarländern. Das macht mir große Sorgen.

Ich hätte auf meiner Liste etwa noch das geplante Freihandelsabkommen TTIP – als Beispiel für die Tendenz zur Macht der Wirtschaft über die Politik, statt umgekehrt.

Wader: Zum Beispiel, ja! Da sprechen Sie was an! Man hat den Eindruck, dass die Politiker, die man sieht, Marionetten oder gar Eigentum der Großkonzerne sind, oder der Hochfinanz. Dass Politik nur noch das ausführt, was in den Interessen dieser Kräfte liegt, dieser Eindruck ist ganz stark.

Werden wir von Ihnen in Bayreuth etwas dazu hören?

Wader: Ich weiß nicht. Da wären wir wieder beim Thema des politischen Lieds. Eigentlich hatte ich damit immer Schwierigkeiten. Das hängt damit zusammen, dass ich so langsam bin. Wenn ich über irgendein Thema etwas schreibe, dann sitze ich an einem Lied teilweise Monate. Wie kann ich da zu einem aktuellen Thema Stellung nehmen? Es ist mir in meinem ganzen Leben nur vielleicht zwei, drei Mal gelungen, von einem Tag zum anderen ein Lied zu einer aktuellen Angelegenheit zu schreiben.

"Das ist eine Art Dauerbetrübnis"

Ich denke dabei besonders an „Trotz alledem“, weil sich dieses Lied doch immer wieder gut aktualisieren ließe.

Wader: Ja, daran habe ich jetzt auch gerade gedacht, als Sie mich das gefragt haben. Ich habe davon ja schon zwei oder drei Fassungen geschrieben. Das Lied hat übrigens schon über 150 Jahre auf dem Buckel. Ursprünglich stammt es aus Schottland, von Robert Burns, dem Nationaldichter der Schotten. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es von Ferdinand Freiligrath übersetzt, und es hatte damals schon eine politische Aussage.

Sind denn geistreiche Liedtexte im  Medienzeitalter überhaupt noch ein wirksames Mittel, um Menschen zu bewegen, oder zumindest anzuregen?

Wader: Selbst wenn ich wüsste, dass sie das nicht wären – dann würde ich das trotzdem machen. Einfach weil ich meine, ich müsste das tun. Wenn es darum gehen würde, irgendeine Wirkung zu erreichen, sei es eine politische oder merkantile, und nur deswegen irgendwelchen Schrott oder irgendetwas Oberflächliches zu schreiben – dann hätte ich früher damit anfangen müssen. Ich habe nichts dagegen, gut zu verdienen, aber eben nur mit dem, was ich mag.

Betrübt es Sie, dass man heute in den Medien mit Banalitäten oft mehr Aufmerksamkeit bekommen kann, als mit Geistreichem zu Politik oder Ethik?

Wader: Ja, natürlich betrübt mich das. Aber das ist eine Art Dauerbetrübnis, denn es war schon immer so. Insofern rege ich mich nicht so sehr darüber auf, sondern zucke eher die Achseln. Was soll ich machen?

"An Versuchung zur Verblödung fehlt es nicht"

Weniger diplomatisch gefragt: Ist allgemein eine Verblödung der Gesellschaft zu beklagen?

Wader: An Versuchen, das hinzukriegen, fehlt es tatsächlich nicht. Ich glaube, dass da eine verstärkte Aktivität zu beobachten ist. Wie weit das aber greift, das weiß ich nicht. Ich hoffe, dass die Verblödung sich auf einem Niveau hält, das dann doch nicht unterschritten wird – eben auch so, wie es immer schon war. Es erscheint nur alles in anderem Gewand. Man sagt doch, wir leben im Informationszeitalter. Es gibt jede Menge an Informationen, und dabei gibt es auch einen Verblödungseffekt – oder sagen wir: Irritationseffekt. Wenn ich eine Zeitung lese, steht auf Seite eins etwas, und auf Seite zwei behauptet jemand zum gleichen Thema das Gegenteil, ohne dass es in eine Beziehung gesetzt wird. Innerhalb einer Information ist oft schon selbst ein Widerspruch enthalten. Ich weiß nicht, ob das schon verblödend ist, aber irritierend und hilflos machend ist es jedenfalls.

Sie meinen, vor lauter Information wird es eher schwieriger, richtig und falsch zu unterscheiden.

Wader: Ja, wenn man das nicht mehr kann, dann ist das wahrscheinlich auch ein Verblödungseffekt.

Nun zu etwas völlig anderem: Musik. Eine große Rolle in Ihrer Arbeit spielt auch eine Musikrichtung, die man so gar nicht mit Gesellschaftskritik verbindet: das Volkslied. Dieses Wort klingt ausgesprochen konservativ und wird mitunter auch noch weiter rechts im politischen Spektrum instrumentalisiert. Ist das nicht ein Widerspruch für einen Linken?

Wader: Das kann man als Widerspruch ansehen. Aber ich versuche ja durch meinen Ansatz, diesen Widerspruch aufzulösen und diese Lieder in anderem Zusammenhang zu sehen. In ihrem historischen beispielsweise, damit sie dann, wenn sie schon nicht fortschrittlich in ihrem Inhalt, so doch zumindest nicht reaktionär sind. Oder nicht so missbraucht in ihrem Inhalt sind, dass man sie gar nicht mehr singen kann. Im Unterschied zu anderen Ländern war es in Deutschland nun mal sehr stark während der Nazizeit der Fall, dass alles, wo der Begriff Volk enthalten war, verdorben und versaut worden ist – eben auch die Lieder zum Teil.

Das erinnert ein wenig an das Problem, das wir hier in Bayreuth mit Richard Wagner haben.

Wader: Ja, Wagner war einer der ganz Großen, aber das ist alles belastet. Weil Wagner auch selbst Antisemit war, weil Hitler Wagner-Fan war – wie soll man sich da verhalten? Wagner deshalb abzusägen, das würde ich aber nicht für richtig halten.

"Ich werde alles ein bisschen langsamer angehen lassen"

Haben Sie sich für Ihre Neigung zum Volkslied bei der intellektuellen Linken auch schon mal rechtfertigen müssen? Wurde Ihnen das zum Vorwurf gemacht?

Wader: Nicht dass ich wüsste. Ich glaube, dass es so verstanden wurde, wie ich es verstanden haben wollte. Dass Lieder, die über die Jahrhunderte entstanden sind, nicht von vorn herein Schrott sind, sondern von missbräuchlichen Belastungen gereinigt werden können. Das habe ich getan.

Sie sind Westfale sozusagen mit Tendenz nach Norden, der auch schon mal plattdeutsch singt. Ist da das oberfränkische Bayreuth für Sie nicht ein ziemlich exotisches Ziel?

Wader: Oh nein, ich war schon mal in Bayreuth, bin auch dort aufgetreten. Wann das war, kann ich nicht genau sagen, weil ich für Daten kein gutes Gedächtnis habe. Aber ich liebe Franken ohnehin, die Landschaft, den Wein in Mainfranken. Ich mag die Leute, ihre Mentalität und auch die Küche.

Sie sind jetzt 73 Jahre alt. Da darf man doch mal vorsichtig fragen: Haben Sie schon einen Zeitpunkt im Sinn, wann es mit dem Leben auf Tour vorbei sein soll?

Wader: Nein, das habe ich nicht. Aber Sie haben schon Recht, das muss irgendwann mal beantwortet werden. Im Moment macht es mir noch Freude. Aber in zwei Jahren werde ich 75, und ich habe mit meinen Mitarbeitern schon mal angesprochen, dass wir dann vielleicht mal ein bisschen weniger machen. Wenn ich nicht aufhören muss, dann höre ich sicher auch mit 75 noch nicht auf, aber ich werde alles ein bisschen langsamer angehen lassen.

„Heute hier, morgen dort“, ist also für Sie noch immer kein Problem, obwohl dieses Lied doch schon immer irgendwie wehmütig klang?

Wader: Nein, das bleibt immer noch aktuell.

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