Haenchen und "Parsifal": Das passt

Von Joachim Lange
Hartmut Haenchen dirigiert hier das C. Ph. Emanuel Bach - am 25. Juli ist er mit dem "Parsifal" zu erleben. Foto: Monika Ritterhaus Foto: red

Warum so spät? Hartmut Haenchen und der "Parsifal" gehören zusammen, meint unser Opern-Korrespondent Joachim Lange. Auch, wenn seine Handschrift am 25. Juli vielleicht noch nicht deutlich wahrzunehmen ist.

 
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Manchmal hat man auf dem Grünen Hügel in Bayreuth wirklich Glück oder ein gutes Händchen. Und dann es gelingt Festspielchefin Katharina Wagner, aus einer ziemlich großen Not eine mehr als beachtliche Tugend zu machen. Jedenfalls aus der Notlage, die entstanden war, weil der designierte Dirigent der Eröffnungspremiere am 25. Juli, der auch fürs Gewandhaus designierte Andris Nelsons hingeschmissen hatte. Katharina Wagner zauberte binnen weniger Tage einen Ersatz aus dem Hut, der wirklich erste Wahl ist. Und zwar ohne Wenn und Aber. Hartmut Haenchen (73) wird einspringen und übernehmen.

„Erst hat das Management angerufen, dann Katharina Wagner persönlich“, sagte der Maestro der Deutschen Presse-Agentur. Er sagte aber auch: „Mit den zwei Orchesterproben, die noch übrig sind, werde ich keine Welten bewegen können.“ Wie gut, dass der Bayreuther Werkstattgedanke da noch Geltung besitzt: in der fortgesetzten Arbeit an einer Inszenierung über die Jahre hinweg.

Der "Ring"-Spezialist schlechthin

Haenchen, der seine musikalische Karriere in Dresden als Kruzianer und dann in Halle als Dirigent der Philharmonie und Direktor der Robert-Franz-Singakademie begann, ist ein Dirigent der Spitzenklassen, der in Deutschland notorisch unterschätzt wird und vor allem in Holland eine blendende Karriere hinlegte. Den ersten szenischen Nibelungen-Ring in Amsterdam (über 30mal dirigierte er dort den Zyklus!) machte er zu einem Ereignis. Eins, an das man sich vor allem wegen der musikalischen Qualität bis heute gern erinnert. Als man dann vor fünf Jahren gebannt seinem Parsifal in Brüssel folgte, wünschte man sich ihn von da an nach Bayreuth. Gerade für dieses Werk, das speziell fürs Festspielhaus komponiert wurde.

Verbotener "Tannhäuser"

Haenchen hatte sich für dessen Aufführung schon in der DDR, vor seinem Wechsel in die Niederlande 1986, gegen Widerstände stark gemacht. In den Jahrzehnten seiner Beschäftigung mit diesem Bühnenweihfestspiel ist er zum akribisch perfektionistischen „Parsifal“-Spezialisten schlechthin gereift. Ein mit dem Stück vertrauter Partitur-Durchpflüger und Neubefrager. Damals hatte er sich auf ein Tempo eingestellt, das bewusst der Kritik des Komponisten an der Uraufführung folgte und jedes weihevolle Zerdehnen vermied. Wenn er dabei bleibt, dann wird man am 25. Juli erleben dürfen, wie eine dramatisch zuspitzende, transparente Deutung unter den akustischen Idealbedingungen des Festspielhauses klingt.

Wie auch immer Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung ausfallen mag – Haenchen und der „Parsifal“ in Bayreuth passen so gut zusammen, dass man sich fragt, wieso die Festspielleitung nicht auch ohne die Beinahe-Katastrophe – Nelsons’ überraschend zum Ausstieg verlängerten Kurzurlaub in Riga – drauf gekommen ist.

Tatsächlich habe Bayreuth schon einmal angefragt, wie Haenchenerzählte: Wolfgang Wagner habe ihn eingeladen, den „Tannhäuser“ zu dirigieren. Das aber habe seinerzeit die Stasi verhindert.

Bayreuth in Not, die Festspiele mit personellen Querelen und Streitigkeiten: Offenbar brauchen sie die. Wie die Wagnerianer ihre Musik.

Tipp: Hartmut Haenchen, Werktreue und Interpretation, 2 Bände, Pfau-Verlag 2013.

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