Die Regie
Endlich mal Personenregie. Die Sängerdarsteller tun, was sich so ungefähr auch Wagner vorgestellt haben könnte: Sie stehen abseits ihrer Einsätze nicht nur einfach rum, sie reagieren aufeinander, singen und zeigen Gefühl. Vor allem Kundry ist da stets ein Hingucker. Bühnenfiguren, die mit Geste und ganzem Körpereinsatz nachvollziehen, was die Geschichte hergibt: Das mag mancher für bieder halten. In Erl ist genau das einfach nur schön und stimmig. Die Oper wird da dann doch wieder zum Gefühlskraftwerk.
Der beste Regieeinfall Kuhns: Der von Parsifal verwundete Schwan ist eine Ballettänzerin mit Tutu (Katharina Glas). Klar, da stand Schwanensee Pate. Nur: Kuhn führt das Ganze konsequent weiter. Die Tänzerin erweist sich im weiteren Spiel als Engel, als göttlicher Bote also. Die unglaublich knifflige Szene, in der Parsifal dem Klingsor den geschleuderten Speer als heilwirkende Waffe abgewinnt, ist so elegant gelöst: Der Schwanenengel fängt die Waffe und lässt sie auf sanften Schwingen in Parsifals Hände gleiten. Warum nicht? Seit „Lohengrin“ wissen wir, dass Schwäne alles mögliche sein können.
Infrastruktur. Das alte Passionsspieltheater, das "Zwölfapostel-Silo", steht direkt neben dem modernen Konzerthaus, in dem wegen der winterlichen Temperaturen diesmal der „Parsifal“ über die Bühne ging. Beides Hingucker: Mut auch zur ausgefallenen, wenn nicht sogar gelungenen Architektur haben die Tiroler jedenfalls. Seit kurzem gibt es ein Parkhaus. So elegant, wie ein Parkhaus sein kann, mit praktischen Neuerungen wie etwa am Münchner Flughafen. Leuchten an der Decke zeigen dem Ankommenden schon kurz nach Passieren der Schranke, wo noch freie Parkplätze sind. Schlau das, es gilt in Österreich der Kunst noch da, wo man in Deutschland das Planen schon beendet hat.
Außerdem haben die Erler sich vor wenigen Monaten ein stilvolles Künstlerhotel gebaut. Wäre das nicht für Bayreuth eine Überlegung, wenigstens für Teile der natürlich viel, viel größeren Belegschaft? Dort würde eine solche Artistenherberge dem Immobilienmarkt Beine machen. Manche Bayreuther vermieten nur für die drei Monate der Festspielzeit - Wohnungen, die ansonsten leer stehen. So bleibt der Druck groß genug, dass man an Studenten auch noch Schrottbuden vermieten kann.
Was Bayreuth besser kann
Aus dem Stand weg Akkustik. Erls Schwachpunkt im neuen Theater- und Orchesterhaus ist der Klang, der den Besucher nicht einhüllt und wie in Bayreuth einem Parfüm gleich umschmeichelt. Gerade beim „Parsifal“, dem Werk, das Wagner für das Festspielhaus und im Wissen um seine Besonderheiten geschrieben hat, fallen in Erl Kanten auf. Das Gebäude hallt trotz Deckel für das Orchester nach, wie ein guter Konzertsaal eben, was aber nicht unbedingt ein Ausweis für eine Gralsburg ist.
Die Punktabzüge sollten nicht übermäßig ins Gewicht fallen: Es bleibt Staunen vor der großen Leistung des kleinsten Wagner-Standorts überhaupt. Im Sommer bringen die Erler den „Ring“, mitten in der Bayreuther Festspielzeit, man wird einander schon keine Konkurrenz machen: Erl ist ausverkauft, Bayreuth wohl auch.