Geheime Verschlusssache Abitur

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Abitur. Symbolfoto. Felix Kästle/dpa Foto: red

Anfang April war an einem Stuttgarter Gymnasium ein Tresor geknackt worden. In dem Tresor: Die Briefe mit den Prüfungsaufgaben. Sie waren noch da, waren aber geöffnet worden. Der Fall hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Und er hat auch Auswirkungen auf das bayerische Abitur, das am 3. Mai mit der ersten Prüfung startet, der Mathematik-Prüfung, wie Ludwig Unger, der Pressesprecher des Kultusministeriums, auf Anfrage unserer Zeitung sagt.

 
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Die Anspannung steigt. Nicht nur bei den rund 650 Schülern in Bayreuth und der Region, die ab dem kommenden Mittwoch in die Abiturprüfungen gehen. Auch bei denen, die Schulleiter oder Oberstufenbetreuer oder anderweitig in die Prüfungen eingebunden sind. Denn sie sind die Träger eines besonderen Geheimnisses: die Abituraufgaben.

Und auf genau diese Prüfungen hat der Stuttgarter Fall Auswirkungen: Unter den Aufgaben, die im Stuttgarter Tresor lagen, waren auch die Mathe-Aufgaben für das Abitur. „Und von denen stammte eine aus dem Pool, aus dem sich alle Länder bedienen“, sagt Unger. „Deshalb musste diese eine Aufgabe ausgetauscht werden.“

Wie Unger sagt, finden die Prüfungen für die rund 40.000 bayerischen Gymnasiasten am 3. Mai in Mathe, am 9. Mai in Deutsch und am 12. Mai „in den dritten Fächern wie Englisch, Französisch, Geschichte oder Latein statt. Ab dem 22. Mai gehen die Abiturienten in die mündlichen Prüfungen. Dass Schüler im Vorfeld an Fragen aus dem Abitur kommen, gilt als extrem selten. „Seit 2005, seitdem ich Pressesprecher bin, ist mir kein Fall bekannt“, sagt Unger. „Obwohl man natürlich gegen kriminelle Energie nicht gefeit ist.“

"Wie die Aufgaben an die Schulen kommen, ist streng geheim"

Verdachtsmomente, sagt Unger, habe es dennoch gegeben in den vergangenen Jahren. „Es gab einen Fall an einem städtischen Gymnasium in München“, sagt Unger. In dem Fall und bei dem Fall von Sommer vergangenen Jahres in Neutraubling, bei dem nach Berichten der Süddeutschen Zeitung die Ermittlungen jedoch vorläufig wieder eingestellt worden sind, hätten die Antworten von Abiturienten große Ähnlichkeiten mit den Musterantworten der Abituraufgaben gehabt.

Wie die Abituraufgaben an die Schulen kommen, gebe man – anders als in anderen Bundesländern – nicht preis, sagt Unger. In Niedersachsen werden die Abituraufgaben Berichten zufolge auf elektronischem Weg übermittelt, in Baden-Württemberg mit einem Paketdienst zugestellt. „Sagen wir nicht“, gibt sich Ursula Graf, die Direktorin des Richard-Wagner-Gymnasiums (RWG), auf Nachfrage unserer Zeitung zugeknöpft.

Sie bestätigt die Aussagen Ungers: „Wie die Aufgaben an die Schulen kommen, ist streng geheim.“ Man könne zum Thema Abitur und dem ganzen Drumherum nur so viel sagen: „Es ist das Bestreben aller Kollegen, dass die Abiturienten gut durchs Abitur kommen und gut darauf vorbereitet sind.“

"Auf die Sicherheit der Abituraufgaben ist in Bayern immer größter Wert gelegt worden"

Rainhard Kreutzer, ehemaliger Direktor des Gymnasiums Christian-Ernestinum (GCE) sagt im Gespräch mit dem Kurier zumindest so viel: Zu seiner Zeit habe es „konspirative Treffen an geheimen Orten“ gegeben, an denen die Abituraufgaben an die Verantwortlichen übergeben worden seien. „Die Aufgaben mussten dann in einem Safe oder bei der Polizei verwahrt werden.“ Es wäre nur „mit Gewalt und damit durch eine Straftat möglich gewesen“, an die Aufgaben zu kommen. „Auf die Sicherheit der Abituraufgaben ist in Bayern immer größter Wert gelegt worden“, sagt Kreutzer.

Entsprechend sei das Abitur auch in seiner Erinnerung an den beiden Bayreuther Gymnasien, an denen er in seiner Laufbahn war – von 2004 bis 2011 als Chef am GCE und vorher 25 Jahre am RWG – „sehr gut und geordnet abgelaufen.

Es gab da eigentlich nichts Spektakuläres und natürlich auch keine Einbrüche vorher“, sagt Kreutzer. „Das Einzige, an das ich mich erinnere, war ein Schüler, den ich mal von zu Hause geholt habe, weil der offensichtlich nicht mitgekriegt hatte, dass der Beginn der Abiturprüfung eine Stunde vorverlegt worden war. Das ist aber bestimmt 20 Jahre her. Ich dachte mir, dem armen Kerl muss man doch helfen.“

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